Für Freiheit und Würde: Rechtsberater in Afghanistan
Für Freiheit und Würde: Rechtsberater in Afghanistan
- Datum:
- Ort:
- Masar-i Scharif
- Lesedauer:
- 3 MIN
Fregattenkapitän Christoph S. ist 45 Jahre alt und Rechtsdozent am Zentrum für Innere Führung der Bundeswehr. Er ist verheiratet und Vater dreier Kinder. In seinem beruflichen Alltag unterrichtet er zum einen militärische Vorgesetzte und bildet zum anderen junge Rechtslehrerinnen und Rechtslehrer sowie Rechtsberaterinnen und Rechtsberater aus.
„Mein Weg beginnt dort, wo andere längst aufgegeben haben“
Als Offizieranwärter hatte Christoph S. 1994 das erste Mal Berührungspunkte mit der Bundeswehr, fuhr unter anderem auf der „Gorch Fock“ zur See. Anschließend absolvierte er ein Jurastudium mit anschließender Promotion, machte Karriere als Wirtschaftsanwalt und Manager und kam 2018 als Rechtsberater wieder zurück zur Bundeswehr. Sein Werdegang zeigt, dass er immer wieder bereit war, berufliche Grenzen zu überschreiten. Auf die Frage nach seinem beruflichen Motto erklärt er deshalb: „Mein Weg beginnt dort, wo andere längst aufgegeben haben.“ Heute beginnt sein Weg im Camp Marmal bei der Befehlsausgabe, kurz bevor es in das 30 Kilometer entfernte Camp Shaheen geht. Dort berät er afghanische Vorgesetzte im Humanitären Völkerrecht, den sogenannten „Regeln des Krieges“.
Jeder Vorgesetzte muss ein Vorbild sein
Zurzeit befindet sich Christoph S. als Rechtsberater bei Resolute Support in Afghanistan im Auslandseinsatz. Er ist für alle Soldatinnen und Soldaten im Camp ein kompetenter Ansprechpartner bei rechtlichen Fragen, die während der Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission der afghanischen Sicherheitskräfte relevant sind. Insbesondere berät er Brigadegeneral Ansgar Meyer, den deutschen Kommandeur des Train, Advise and Assist Command im Norden Afghanistans. Wie engagiert er diese Aufgabe ausfüllt, wird schnell deutlich, wenn man ihn kennenlernt: „Ich liebe es, Probleme zu lösen, Unbekanntes zu erschließen und Wissen sowie Erfahrungen mit anderen zu teilen.“
Für manche wäre der Hauptauftrag schon genug, doch Christoph S. hat es sich zusätzlich zur Aufgabe gemacht, Afghanistans militärische Vorgesetzte zu beraten. Als Jurist weiß er: „Wenn ein Vorgesetzter Gesetze bricht oder Regeln missachtet, werden es auch seine Untergebenen tun.“
Der Schutz der Zivilbevölkerung
Durch einen persönlichen Bezug schafft es Christoph S. gleich zu Beginn des Unterrichts, die Verbindung zu den afghanischen Soldatinnen und Soldaten herzustellen und dadurch ihre Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Während neben ihm auf der Leinwand ein Luftbild von zerstörten Häusern und Kirchen in Dresden aus dem Jahr 1945 zu sehen ist, erklärt Christoph, dass seine Frau in genau dieser Stadt geboren ist. Im weiteren Verlauf des Unterrichts verdeutlicht er, dass die Missachtung von Menschenrechten unnötiges Leid und Zerstörung mit sich bringt und eine spätere Versöhnung erschwert. Er verdeutlicht dabei besonders, wie wichtig der Schutz der Zivilbevölkerung sowohl während Kampfhandlungen als auch in einem Krieg im Allgemeinen ist. Seine Botschaft an das militärische Führungspersonal Afghanistans ist klar formuliert: „Wer für eine gerechte Sache kämpfen will, muss durch sein Handeln beweisen, dass er gerechter und moralischer als sein Gegner ist.“
Das Ziel: ein dauerhaftes friedliches Zusammenleben
Die afghanischen Soldaten folgen Christoph S.‘ Ausführungen sichtlich interessiert. Zur Veranschaulichung und thematischen Vertiefung werden während der Beratung gemeinsam verschiedene Fallbeispiele durchgesprochen. Selbst als die Zeit für den Unterricht bereits vorbei ist und der Raum sich geleert hat, verbleiben zwei besonders Interessierte im Raum, um mit Christoph S. weitergehende Rechtsfragen zu erläutern. In den nun folgenden Gesprächen geht es um ethische Grundsätze, um Recht, Unrecht, Gerechtigkeit, um Gut und Böse. Abschließend stimmen alle überein, denn nicht nur die Rechtsgrundlagen, sondern auch die religiösen Grundsätze des Islams sind eindeutig. Auch der Islam schützt das Recht auf Leben, Glauben, Freiheit, Besitz und Würde. Die afghanischen Soldaten fassen folgerichtig zusammen: „Die Gemeinsamkeit liegt auf der Hand. Die Afghanische Nationalarmee schützt das afghanische Volk und wehrt das Böse ab.“
Eine wichtige Taste in der Klaviatur des Friedens
Der Tag von Christoph S. neigt sich langsam dem Ende zu. Bevor er sich auf den Rückweg in das Camp Marmal begibt, äußert er sich zufrieden: „Ich fahre mit einem guten Gefühl zurück, die fachliche Diskussion mit den afghanischen Soldaten ist aus meiner Sicht sehr gewinnbringend.“ Es wird deutlich, dass es auf die rechtliche Beratung von Christoph S. eine durchweg positive Resonanz gibt, wie auch der Dolmetscher bestätigt. Seinem Eindruck nach wurde deutlich vermittelt, dass das Humanitäre Völkerrecht eine wichtige Taste in jener Klaviatur darstellt, deren Ziel ein stabiler und langanhaltender Frieden in Afghanistan ist.