SNMGStanding NATO Maritime Group 2

5 Fragen an den Kontingentführer in der Ägäis

5 Fragen an den Kontingentführer in der Ägäis

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5 Fragen an Kapitän zur See Thorsten Mathesius, Commander Task Unit 0.1 SNMGStanding NATO Maritime Group 2 und Führer der Deutschen Kräfte des 25. Einsatzkontingentes der NATO-Unterstützungsmission in der Ägäis/NATO AEGEAN SEA ACTIVITY.

5 Fragen an Kapitän zur See Thorsten Mathesius

Kontingetführer NATO-Unterstützungsmission Ägäis

Mathesius
Bundeswehr/Marc Tessensohn
Marc Tessensohn

Als sogenannter Commander Task Unit - CTU führen Sie mehrere internationale seegehende Einheiten in der ägäischen See. Wie konkret lautet Ihr Auftrag?

Mathesius

Wir setzen hier im Ägäischen Meer einen Auftrag der NATO zur Unterstützung von Griechenland und der Türkei bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise um. Hierbei helfen wir bei der intensiven Überwachung des Seeraumes, um menschliche Tragödien durch die illegale Überquerung – mit oft für die hohe See vollkommen untauglichen Fahrzeugen – zu verhindern. Deshalb sind wir auch immer vorbereitet, um bei Seenotfällen zu helfen, auch wenn das nicht unser Hauptauftrag ist. Zugleich helfen wir bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität. Hierzu arbeiten wir eng mit den örtlichen Küstenwachen und Marinen zusammen. Die Arbeit von meinem Stab und mir ist es einerseits, den Einsatz der an der NATO-Unterstützung Ägäis teilnehmenden Einheiten zu organisieren und zu koordinieren. Wir sind folglich für eine effektive Verteilung der Schiffe für die Patrouillentätigkeiten im Seegebiet verantwortlich.

Andererseits gilt es, neben diesem Hauptauftrag, Möglichkeiten zu finden und anzubieten, um auch durch Partnerübungen die operative Einsatzfähigkeit der Einheiten aufrechtzuerhalten. Als abrufbereite Einheiten der VJTFVery High Readiness Joint Task Force für mögliche NATO gemeinsame Operationen im erweiterten Aufgabenspektrum müssen wir vorbereitet sein. Daher erfolgen diese Partnerübungen auch, um die Anwendung der NATO-Verfahren zu festigen. Durch ein gezieltes Ansprechen von regionalen Verantwortlichen aus der Politik, dem Militär, der Küstenwachen, aber auch aus den Bereichen Wissenschaft und Wirtschaft versuchen wir, sowohl Verständnis für unseren Auftrag als auch für die Erfordernisse zur Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeiten aufzubauen und zu verstärken. Hierzu nutzen wir entsprechende Veranstaltungen wie Empfänge oder Einladungen zu Essen an Bord des Führungsschiffes, aber auch Vorstellungsbesuche bei regionalen Entscheidungsträgern.

Um diese unterschiedlichen Aufträge zu erfüllen, stehen mir, neben meinem Stab und dem Führungsschiff, aktuell der Tender „Rhein“ sowie fünf weitere Einheiten aus Albanien, Griechenland und der Türkei zur Verfügung.

Marc Tessensohn

Wie ist die Kooperation mit den beiden Anrainerstaaten?

Mathesius

Wir operieren in einem Seegebiet, das nicht nur aufgrund der Flüchtlingsbewegungen im politischen Fokus steht. Unstimmigkeiten zwischen Griechenland und der Türkei bezüglich Hoheitsgrenzen, Gebietsansprüchen, aber auch der Benennung von geografischen Punkten und Orten können durch unbedachtes Verhalten zu intensiven Diskussionen und zu politischen Verwerfungen führen. Aus diesem Grund gilt es, alle Maßnahmen des Verbandes so zu planen und durchzuführen, dass diese nicht zu einer politischen Auseinandersetzung oder zu einer politischen Eskalation führen.

Um schon rechtzeitig im Vorfeld einer Planung diese Eskalationspotenziale auszuschließen, sind an Bord des Führungsschiffes auch immer Verbindungsoffiziere, die sogenannten Liaison Officers oder LNOs, aus Griechenland und der Türkei eingeschifft. Sie agieren nicht nur als Berater, sondern insbesondere als Ansprechpartner, um mit den jeweiligen nationalen Marinen und Küstenwachen in der Region Maßnahmen abzustimmen und ihre jeweiligen Hauptquartiere durchgehend über die aktuelle Lage und Vorhaben des Verbandes zu informieren. So wird eine bestmögliche Zusammenarbeit sowie Berücksichtigung der Interessen der beiden Anrainerstaaten ermöglicht und gewährleistet.

Marc Tessensohn

Was passiert bei Beobachtungen im Operationsraum?

Mathesius

Primär werden bei Beobachtungen von auffälligem Geschehen im Operationsgebiet die Küstenwachen der beiden Anrainerstaaten informiert. Die Kontaktaufnahme erfolgt über die verfügbaren Sprechfunkverbindungen der Einheiten. Die Übermittlung von Detailinformationen, aber auch die Abstimmung der erforderlichen Maßnahmen erfolgt anschließend über die Verbindungsoffiziere. Unsere Zuständigkeiten enden grundsätzlich an den Grenzen der Hoheitsgebiete. Hier ist in erster Linie die jeweilige Küstenwache zuständig. Im Falle eines eingetretenen Seenotfalles und falls nicht sofort eine zuständige Einheit der verantwortlichen Nation verfügbar ist, wechseln wir wieder in das nationale Unterstellungsverhältnis und leiten, jetzt nicht mehr als Führungsschiff eines NATO-Verbandes, die Rettungsmaßnahme ein. Diese führen wir durch, bis die Ablösung durch eine andere Einheit, die offiziell durch das verantwortliche Koordinationszentrum zur Seenotrettung hierzu benannt wurde, erfolgt ist.

Marc Tessensohn

Was macht diesen Einsatz für Sie persönlich besonders?

Mathesius

Ich durfte in meiner bisherigen Dienstzeit an diversen Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen als Kampfschwimmer und in verschiedenen Verwendungen auf seegehenden Einheiten teilnehmen. Sie alle waren in ihrer Art, ihrer Auftragsstellung und ihren Anforderungen unterschiedlich. Jeder Einsatz erforderte im Vorfeld immer eine intensive Befassung mit den Rahmenbedingungen, den bestimmenden Faktoren zur Auftragsstellung und den militärischen Möglichkeiten vor Ort sowie der späteren Berücksichtigung dieser Aspekte bei Umsetzung und Erfüllung des Auftrages. Auch diese Verwendung im Ägäischen Meer stellt diese Anforderungen. Es ist jedoch ein bestimmender Faktor, der den Reiz, aber auch die Herausforderung für diese Verwendung prägt: Bei einem Auftrag in einem politisch hochsensiblen Umfeld, bei dem das Militärische nicht im Vordergrund steht, die erforderliche hohe militärische Einsatzfähigkeit zu erhalten, erfordert manchmal Kreativität und Freude am Gestalten.

Um das zu realisieren, sind enge Abstimmungen und eine gute Zusammenarbeit auf allen Ebenen gefordert. Diese nationale und internationale ebenenübergreifende intensive Zusammenarbeit macht diese Verwendung interessant. Und etwas ganz Persönliches macht diese Verwendung für mich zu etwas Besonderem: Kurz vor dem Ausscheiden aus der Marine habe ich noch einmal die Möglichkeit, als Kommandeur zur See zu fahren. Ein toller Abschluss nach über vierzig Jahren Dienst in der Marine als Kampfschwimmer und Seeoffizier.

Marc Tessensohn

Sie wechseln nun als Kommandeur die Plattform von einem Tender zu einen Einsatzgruppenversorger. Hat das Auswirkungen auf Ihre Auftragserfüllung?

Mathesius

Mit dem Wechsel des Führungsschiffes, dem sogenannten Flaggschiffwechsel, vom Tender „Rhein“ auf den Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ erfolgt ein kleiner Neuanfang. Zwar wird sich mein Stab in seiner Zusammensetzung nicht verändern, sodass die Führung des Verbandes weiter in den Händen von erfahrenen Soldatinnen und Soldaten liegt, jedoch wechselt die Crew, also die Besatzung, des Flaggschiffes. Eine hochprofessionelle und stark engagierte Crew, die während ihres fast sechsmonatigen Einsatzes in der Ägäis sehr viel Erfahrungen sammeln konnte, wird uns als Ansprechpartner und Unterstützer verlassen. Die Crew der „Frankfurt am Main“ wird sich, nach einer erfolgreich abgeschlossenen und zertifizierten Einsatzausbildung, nun in die Rolle als Flaggschiff und Teilnehmer an der NATO-Unterstützung Ägäis erst einmal mit den neuen Aufgaben, Verantwortungen und regionalen Besonderheiten vertraut machen müssen. Das wird etwas Zeit in Anspruch nehmen.

Ich bin mir aber absolut sicher, diese Zeit der Eingewöhnung wird zu keiner Einschränkung bei der Auftragserfüllung führen. Vielmehr gilt es für meinen Stab, die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit den anderen Einheiten des Verbandes zur Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeiten neu zu bewerten. Einerseits ist mit der „Frankfurt am Main“ jetzt eine wesentlich größere Einheit im Verband und andererseits gilt es, die besonderen Bedürfnisse dieser Einheit zur Aufrechterhaltung seiner Einsatzfähigkeit zu berücksichtigen. Hierzu haben aber schon entsprechende Abstimmungsgespräche stattgefunden, sodass einige Grundvoraussetzungen geschaffen wurden. Diese gilt es jetzt vor Ort mit dem Kommandanten des Einsatzgruppenversorgers und seinem Führungspersonal abzustimmen und in die Tat umzusetzen.

Die Besatzung der „Frankfurt am Main“ wird bei dem Übergabeprozess Zeit haben, um Fachgespräche mit ihren Vorgängern zu führen. Es bestehen Möglichkeiten zum aktiven Erfahrungsaustausch, um dann schnell eigene Erfahrungen im Operationsgebiet zu sammeln. Der Wechsel des Flaggschiffes wird mich zu einer Neubewertung der Möglichkeiten zum Erhalt der Einsatzfähigkeit der mir unterstellten Einheiten zwingen und eine Phase der Eingewöhnung an Bord des Einsatzgruppenversorgers nach sich ziehen. Zeitgleich können die Gespräche mit regionalen Verantwortlichen ohne Einschränkungen fortgeführt werden. Der Flaggschiffwechsel wird somit zu keiner Zeit zu negativen Auswirkungen bezüglich der Auftragserfüllung führen.

von Marc Tessensohn

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