Ein Katzensprung – Der Freifalltruppführer beim Fallschirmspezialzug
Ein Katzensprung – Der Freifalltruppführer beim Fallschirmspezialzug
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Bei der taktischen Freifallausbildung springen die Soldaten des Fallschirmspezialzuges aus verschiedenen Höhen ab, sammeln in der Luft und landen schließlich truppweise am befohlenen Ziel. So auch bei einer Übung des Fallschirmjägerregiments 31 in Barth. Während der Truppfahrt hat der Freifalltruppführer das Kommando – ein Oberstabsgefreiter.
Langsam schließt sich die Heckrampe der C-160 Transall. Der Streifen Tageslicht wird immer schmaler, dann ist er weg. Licht dringt jetzt nur noch durch die Bullaugenfenster der betagten Transportmaschine, es wird duster. Der Motorenlärm schwillt an und das Rumpeln der Maschine zeigt, dass sie unterwegs zur Startbahn ist. Oberstabsgefreiter Henry König* sitzt im Heck an der Rampe. Er schließt die Augen und geht im Geist noch einmal konzentriert seinen Auftrag durch. „Katze, du fliegst hinten und gibst den Jungs Hinweise über Funk“, hatte sein Zugführer im Briefing gesagt. Katze ist Königs Spitzname, so nennen ihn seine Kameraden. Zwischen diesen Schränken von Fallschirmjägern fällt der schlanke Blondschopf mit seinen kaum 70 Kilogramm auf. Aber Katze ist beim Fallschirmspezialzug der Freifalltruppführer und damit Vorgesetzter kraft Dienststellung.
Am Fallschirm zur Arbeit gleiten
„Der Einsatzoffizier sagt mir, wo es hingeht und gibt mir Daten und Auftrag. Dann plane ich meinen Sprung und sorge dafür, dass bei der vertikalen Verbringung alles nach Plan läuft“, hatte er vorhin auf dem Flugplatz gesagt. Vertikale Verbringung ist Bundeswehrsprech für das Absetzen mit Fallschirmen. „Für uns Fallschirmjäger ist das der Weg zur Arbeit“, sagt Katze. Das ist ein bisschen untertrieben. Am Gleitfallschirm zur „Arbeit zu fahren, ist etwas Anderes, als in die U-Bahn zu steigen. Das muss geübt werden. Dafür sind die Männer des Fallschirmspezialzugs der 1. Kompanie des Fallschirmjägerregiments 31 nach Barth gekommen. Zwanzig Soldaten des Fallschirmspezialzugs sitzen in der „Trall“ auf Lücke. Auf den freien Plätzen ruht das Gepäck – jeweils 50 Kilogramm. Ihre Gleitfallschirme TW-9 haben die Männer bereits am Boden angelegt. Alles wurde mehrfach kontrolliert. Sie sind bereit. Die Transall wird lauter und schneller. Endlich hört das Stoßen der Räder auf, das Flugzeug löst sich vom Boden und gewinnt schnell an Höhe. Zurück bleibt die rissige Betonstartbahn des Ostseeflugplatzes in Barth. Nochmal geht der Absetzer durch die Maschine. X minus 15, noch 15 Minuten bis zum Sprung. Die Männer kauern sich vor ihr Gepäck und haken es ein. Letzte Checks an der Ausrüstung, bald wird es ernst. Für Katze, den Freifalltruppführer, ist das alles Routine. Mehr als 500 Sprünge hat er bisher absolviert. Er kann es, er liebt es. „Aber man darf nie den Respekt vor dem Springen verlieren“, sagt er und schiebt seinen Kaugummi von der linken in die rechte Wange.
Für uns Fallschirmjäger ist das der Weg zur Arbeit.
Die Verwendung als Freifalltruppführer steht Mannschaften erst seit kurzem offen. Mindestens 150 Freifallsprünge muss man für den Lehrgang absolviert haben. Katze ist einer von bislang zwei Mannschaftssoldaten, die das in der Bundeswehr erreicht haben. Der Weg dahin war lang. Der 29-Jährige ist seit zehn Jahren Soldat. Die Bürokaufmannslehre nach der Schule war seine Sache nicht. Katze wurde zu den Panzergrenadieren eingezogen und wechselte bald darauf zu den Fallschirmjägern nach Seedorf. „Hauptsache, die Litze blieb grün“, sagt er dazu.
Im Einsatz wird bei Nacht gesprungen
Nach seinem Springerlehrgang meldet er sich zur Ausbildung für Soldaten mit Erweiterter Grundbefähigung (EGBErweiterte Grundbefähigung), den Kurs zum Einzelkämpfer besteht er später auch. „Der Fallschirmspezialzug sichert primär das Combat Control Team“, sagt Katze. „Deshalb müssen wir alle freifallbefähigt und in der Lage sein, eng beieinander auf kleinstem Raum zu landen. Im Einsatz im Dämmerungssprung mit Nachtsichtbrille und ohne Funk.“ Bei Übungen auch bei Tageslicht, so wie heute. Der Absetzer klatscht in die Hände und gestikuliert. „X minus zehn, Bodenwind von West, in Spitzen bis 24 Knoten“, übersetzt Katze. Bei X minus drei öffnet der Pilot die Heckklappe. Licht flutet die Maschine, die in rund 3100 Metern Höhe stur ihren Kurs zieht. Kurz darauf stellen sich die Männer auf. Jeder drückt seinem Vordermann die Schulter und signalisiert so Sprungbereitschaft. Stand by! „Go! Go! Go!“ Ein Springer nach dem anderen stürzt sich mit ausgebreiteten Armen von der Rampe in die Tiefe.
„Die anderen fahren mir nach.“
Es muss schnell gehen. Denn die Transall fliegt in einer Sekunde etwa 70 Meter weit. Verzögerungen erschweren das Sammeln in der Luft und dann wird es auch mit der Truppfahrt schwierig. Normalerweise würde Katze als erster aus der Maschine springen. „Ich fahre vorn und habe die Verantwortung“, hatte er am Boden erklärt. „Die anderen fahren mir nach. Wenn ich links abbiege, biegt der Rest des Trupps auch links ab.“ Aber zu Übungszwecken soll er heute den Trupp koordinieren. Als Letzter steht er bis zuletzt neben dem Absetzer im Heck und dann ist auch er weg. 21, 22, … bei 25 zieht Katze mit der rechten Hand an einem kleinen Ball auf Hüfthöhe. Dieses „hand deploy“ zieht den Hauptschirm und etwa 200 Meter tiefer ist der freie Fall beendet. Der Entfaltungsstoß bremst den Oberstabsgefreiten abrupt, schmerzhaft ziehen die Gurte in der Leistengegend. Katze pendelt sich aus. „Jetzt beginnt das Arbeiten. Im Kopf fragen wir: Kappe landbar, steuerbar, tragbar?“ Falls ja, ist alles wunderbar. Wie an einer Perlenkette hängt der Trupp in der Luft und die Sammelphase hat begonnen. Aus dem Funkgerät hört man Katze seine Leute dirigieren. „Springer Nummer Vier: Volle Trimmung einstellen. Springer Nummer Acht: Abkürzen und eingliedern.“ Navigiert wird mit Kompass, Höhenmesser und Karte auf dem GPSGlobal Positioning System. Nach wenigen Minuten kommen sie von Norden in Sicht. Sauber in einer Reihe, leicht nach oben gestaffelt. Treppe heißt diese Formation. Eng beieinander landen sie, gehen in Rundumsicherung. Dann ist die Übung vorbei. Katze grinst zufrieden, die Männer auch. Alle gut gelandet, keine Verletzten. Glück ab.
*Name geändert