Interview mit Johannes Arlt
Interview mit Johannes Arlt
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 9 MIN
Johannes Arlt (JA): Ich bin Johannes Arlt, ich bin 37 Jahre alt, bin Offizier in der Luftwaffe. Mein letzter Dienstgrad war Major i.G. Ich bin jetzt seit dem 26.10.2021 beurlaubter Berufssoldat, um mein Mandat im Bundestag wahrzunehmen. Ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern.
Radio Andernach (RA): Sie haben sich ja schon als jugendlicher für Politik engagiert, zum Beispiel in der Schule als Schülersprecher, woher kommt denn Ihre Lust auf Politik?
JA: Ich bin in einer sehr politischen Familie groß geworden, mein Vater hat sich in der friedlichen Revolution in der DDR engagiert. Ich wurde quasi als 5-jähriges Kind schon mitgeschleppt auf Demonstrationen, auf den Schultern meines Vaters. Dann haben wir in der Familie sehr viel über Politik diskutiert und geredet und dann war ich plötzlich Schülersprecher meiner Internatsschule und damals gabs noch keine Handys. Ich habe mich dafür eingesetzt, das war damals meine erste politische Aktion, dass wir eine Telefonzelle bekommen, um unsere Eltern anrufen zu können und nicht zwei Kilometer laufen zu müssen.
RA: Jetzt interviewen wir ja gerade Sie aus einem ganz bestimmten Grund, Sie sind als Berufssoldat von der Bundeswehr in den Bundestag gekommen. Wie kam das zu Stande?
JA: Ich war in Stockholm stationiert die letzten zwei Jahre, ich hab dort den Generalstabslehrgang besucht an der „Swedish Defence University“, und das war tatsächlich so… Lockdown, erster Lockdown 2020, wir erinnern uns, ich hatte mich tatsächlich im Dienst auch angesteckt, lag im Bett und dann plötzlich kam eine E-Mail. In meinem Heimatwahlkreis wird ein Kandidat für den Bundestag gesucht. Mein Kreisverband fragte und ich hatte mich mit dem Gedanken schon 3-4 Jahre vorher getragen, für diesen Wahlkreis zu kandidieren und dann habe ich mich mit meiner besseren Hälfte besprochen und dann hab ich gesagt, ich meld mich einfach mal bei meinem Ortsverein und sag ich hätte Interesse.
RA: Soldaten kennen das ja: Häufig im Einsatz, häufig umziehen. Was hat denn Ihre Familie dazu gesagt und Ihre bessere Hälfte?
JA: Das war überhaupt kein Problem. Also wir machen das tatsächlich so, jeder hat seine eigene Karriere. Meine bessere Hälfte kommt aus Dänemark. Also mein Mann arbeitet dort für die dänische Regierung in einem Ministerium. Das heißt er hat seine Karriere ganz, ganz national und wir pendeln immer. Also das ist für uns Alltag wie für viele andere Tausende Soldatinnen und Soldaten.
RA: Jetzt haben Sie als Soldat natürlich eine gewisse Verpflichtung Ihrem Dienstherrn gegenüber. Wie funktioniert das denn, mit so einer „Freistellung“, um Ihr Mandat als Bundestagsabgeordneter wahrnehmen zu können, wie geht das?
JA: Also, ich bin ja weiterhin Berufsoffizier und bin das jetzt mit dem Mandat. Wenn man in den Landtag oder den Bundestag einzieht kann man das Mandat nicht gleichzeitig ausüben mit dem Dienst. Das ist ja auch ganz klar. Wenn man einerseits ein freies Mandat hat und andererseits Befehlsempfänger ist und ja auch Befehle gibt, da vermischt man Exekutive und Legislative miteinander, -das funktioniert nicht. Darum wird man quasi automatisch mit dem Zusammentritt des Bundestages freigestellt. Was mir allerdings neu war, dass man nicht automatisch zurückkommt, wenn das Mandat endet, sondern man muss tatsächlich aktiv, sechs Monate nach Ende des Mandats darum bitten, wieder in den Dienst zurückkommen zu dürfen und dann wird man auch wieder übernommen und darf wieder in den aktiven Dienst.
RA: Ja und dann geht’s ganz normal weiter als wenn Sie nie weg gewesen wären?
JA: Ja, ganz normal, als wenn man nie Weg gewesen wäre. Was ich ein bisschen problematisch finde. Es ist tatsächlich so man bleibt stehen. Also man wird nicht weiter befördert und so weiter. Dafür braucht es ein Engagement für die öffentlichen Belange, so stehts in der Dienstvorschrift. Und tatsächlich ist es so, ich denke, dass Politik machen für sein Land doch die öffentlichen Belange betrifft und denen zugutekommt.
RA: Jetzt ist die Bundeswehr ja doch so ein eingeschworener Haufen, wie ist das denn tatsächlich im Kameradenkreis, wenn Sie dann jetzt „auf ein Mal“ von der Bundeswehr in den Bundestag wechseln? Wie waren da die Reaktionen der Kameraden?
JA: Also, ich hab das ja lange aufgebaut und ich war ja lange im Ausland. Also vor allen Dingen hab ich das Ganze mit meinen schwedischen Kameraden diskutiert und von den deutschen Kameraden war die Zustimmung sehr, sehr positiv, viele sind mir auf Instagram gefolgt, haben es dann mitgekriegt, als ich meine Kandidatur verkündet habe und die haben gesagt es ist toll, dass sich ein Soldat bereiterklärt für eine demokratische Partei für den Bundestag zu kandidieren und vielleicht auch die Interessen der Bundeswehr einfach ein bisschen direkter zu vertreten im Parlament. Mit einer Stimme, die wirklich weiß, wie sich Einsätze anfühlen, wie es sich anfühlt lange von Zuhause weg zu sein, zu Weihnachten seine Familie nicht zu sehen. Dass so eine Stimme im Parlament auch Gehör findet.
RA: Jetzt gibt’s ja für uns Soldaten ja auch das Gebot der Neutralität. Wie passt das zusammen? Sie mussten ja auch Wahlkampf machen, um in den Bundestag zu kommen. Politische Neutralität und Wahlkampf, wie geht das, wie passt das zusammen?
JA: Naja also es gibt tatsächlich eine Dienstvorschrift, da habe ich mich dann auch erkundigt, die Kandidaten und Bewerber schützt. Also man ist quasi von dieser Neutralitätspflicht und auch bei der Pflicht zur Zurückhaltung in politischen Äußerungen, ist man relativ ausgenommen. Außer man übertreibt es. Da gibt’s auch Urteile vom Bundesverwaltungsgericht dazu, dass ein politischer Wettbewerb von der Zuspitzung lebt. Natürlich darf man keinen Wahlkampf in der Kaserne machen, bei Kameraden, aber es ist völlig klar, dass man sich weniger zurückhalten muss. Auch bei Kritik an Maßnahmen der Bundesregierung, an Beschlüssen der Bundesregierung, als man das müsste, wenn man kein Kandidat wäre. Außerdem haben wir ja unseren „Staatsbürger in Uniform“ als Leitkonzept. Da gehört es dazu zu sagen, ein einsatzbereiter Soldat ist auch ein verantwortungsbewusst handelnder Staatsbürger und ich glaube, wenn man Verantwortung übernehmen will, für sein Land und Ideen hat, dann ist das verantwortungsbewusst handeln par excellance.
RA: Können Sie uns vielleicht noch so einen kleinen Einblick geben, so ein „Inside“? Wie ist das dann tatsächlich im Bundestag zu sein? Und dann ja auch noch im Verteidigungsausschuss, wo ja viel für die Bundeswehr entschieden wird?
JA: Ja also das ist ganz, ganz krass. Ich sags jetzt einfach mal mit diesem Wort, man gewinnt am Sonntagabend die Wahl und ich habe meinen Wahlkreis gewonnen, habe auch mit einem sehr großen Vorsprung den gewinnen können, darauf bin ich sehr stolz, ich habe über 3500 Leute persönlich besucht. Es ist Sonntagabend, am Montagabend ist man bereits hier (in Berlin), also einen Tag später. Bürgermeister, Landräte, die haben alle Zeit sich vorzubereiten, 3 Monate, 6 Monate, bis zur Amtsübernahme. Und hier? Einen Tag und plötzlich ändert sich die ganze Welt und man kriegt dann hier einen Hausausweis in die Hand gedrückt und plötzlich ist man wer. Leute umschwärmen einen, Lobbyisten die mit einem sprechen möchten und so weiter und so fort… Das ist schon sehr speziell und ich bin sehr froh, dass ich auch meine Expertise aus dem Verteidigungsbereich in den Verteidigungsausschuss einbringen kann und sogar zuständig bin für meine Teilstreitkraft, die Luftwaffe, dort hoffentlich auch einige Dinge voranbringen kann.
RA: War das denn genau, dass was Sie wollten, oder was würden Sie sagen ist ihnen am wichtigsten?
JA: Was mir sehr wichtig ist und warum ich mich auch beworben habe, in den Verteidigungsausschuss zu gehen, sind die Veteranen. Da umfasse ich sowohl eben Soldaten die sich in den Einsatzländern befunden haben, aber eben auch Polizistinnen und Polizisten. Soweit definiere ich diesen Begriff, weil ich es ganz, ganz wichtig finde, dass wir Veteranen mehr in den Mittelpunkt stellen, in der Gesellschaft. Das braucht nicht unbedingt immer viel Geld. Und es ist auch ganz, ganz viel passiert, um Veteranen besser zu versorgen, Einsatzgeschädigte. Aber ich glaube wir müssen diese ganze Gruppe ein bisschen mehr in den Mittelpunkt rücken und ihre Interessen auch und auch darüber diskutieren, was nach Einsätzen eigentlich passiert mit den Menschen die dort zurückkommen.
RA: Jetzt haben Sie es ja selber gesagt, Sie waren schon oft im Einsatz, sechs oder sieben Mal…
JA: Sieben Mal.
RA: Sieben Mal: Was waren dann Ihre Erfahrungen, was könnte man verändern, damit das ein bisschen anders oder besser wird in Zukunft?
JA: Also ich muss sagen, ich habe mich in Einsätzen immer sehr wohl gefühlt. Ich habe 2014 meinen ersten Auslandseinsatz gehabt, in Afghanistan bei ISAFInternational Security Assistance Force noch, damals. 2010 habe ich allerdings als junger Zugführer, damals noch vom Studium gekommen, im Wachbataillon, die Kameraden, die in den Karfreitagsgefechten gefallen sind, begraben… müssen. Mit meinem Zug. Und das ist ein Ereignis, ein Tag der mich immer noch tief bewegt, bis zum heutigen Tag.
Die Einsätze an sich habe ich immer als gut organisiert erlebt, ich habe mich gut ausgestattet gefühlt, ich habe aber auch gesehen wie sich im Laufe der Zeit die Ausrüstung verändert hat. Wie der öffentliche Druck dazu geführt hat, dass wir wesentlich bessere Ausrüstung, mehr Ausrüstung bekommen haben, für die Einsätze. Ich denke und ich finde es ganz, ganz wichtig - das ist jetzt natürlich ein parteipolitischer Punkt und nicht einer als Soldat - dass ich sage, wir müssen uns trotzdem überlegen wo wir uns engagieren wollen. Welche Strategie gibt es? Was wollen wir da eigentlich? Unterstützen wir die Richtigen in diesem Einsatz? Und das sind Gedanken, die wir uns jetzt gerade machen um die Einsätze zu bewerten, weil eine Alternativlosigkeit, für Einsätze wie in Afghanistan, wo man eigentlich keinen eigenen Plan hat, und wir sind ja eigentlich nur getriggert rausgegangen, weil die Amerikaner abgezogen sind… Das soll es in Zukunft nicht mehr geben. Weil eine Parlamentsarmee muss Verantwortung übernehmen für die Soldatinnen und Soldaten, die wir in den Einsatz schicken. Und wenn ich darf würde ich sogar in der Sommerpause selber in den Einsatz gehen, denn als Heron-Besatzung haben wir ja sehr kurze Slots bei der Luftwaffe und da kann man auch mal für vier bis 6 Wochen gehen. Ich möchte gerne meinen Teil der Verantwortung übernehmen.
RA: Das war das Interview aus Berlin. Ich bin Oberleutnant Michael Vossfeldt, für Radio Andernach und zum Schluss gibt’s einen Gruß für alle Kameradinnen und Kameraden, vom Bundestagsabgeordneten Johannes Arlt.
JA: Ich bin Johannes Arlt, ich bin Offizier und jetzt auch Bundestagsabgeordneter. Ich grüße alle Kameradinnen und Kameraden, insbesondere die die zurzeit in Einsätzen Dienst leisten, mit diesem Song. (Tuesday morning von Melissa Etheridge).