Zurück aus der Zukunft

Zurück aus der Zukunft

Datum:
Ort:
Flensburg
Lesedauer:
5 MIN

Interview mit Militärdekan Mirko Zawiasa

Militärdekan Mirko Zawiasa (59) wollte dieser Tage mit Nachwuchsoffizieren der Bundeswehr nach Teneriffa reisen, wo das Marinesegelschulschiff Gorch Fock vor Anker liegt. Doch es kam anders.

Ein großes Segelschiff komplett in weiß segelt über das blaue Meer.

In ihrem Element: die „Gorch Fock“ unter Vollzeug – alle Segel gesetzt

Bundeswehr

Die vergangenen Tage waren in Norddeutschland eher trüb. Sie reisen jetzt nach Teneriffa. Das klingt nach Urlaub …

Ich war schon auf Auslandsmissionen in Afghanistan und in Dschibuti dabei. So gesehen ist das jetzt tatsächlich viel angenehmer. Es geht aber nicht um Erholung, sondern um die Segelausbildung von Offiziersanwärtern und -anwärterinnen der Marineschule Mürwik, für die ich gemeinsam mit einem evangelischen Kollegen als Militärdekan zuständig bin. Hier in Flensburg haben die jungen Leute an einem speziellen Übemast gelernt, wie sie in die Wanten aufentern. Auf der Gorch Fock lernen sie nun, wie das in der Realität läuft, zunächst zwei Wochen im Hafen und dann auf See. Ich habe mir sagen lassen, dass die Winde bei Teneriffa gute Voraussetzungen für solche Übungsfahrten bieten.

Teneriffa ist quasi Ihre neue Pfarrei?

Ja, ein Militärpfarrer ist immer für seine Truppe zuständig. Man spricht von einem Personalpfarramt. Ein gewöhnliches Pfarramt umfasst Orte und die dazugehörigen Kirchen. Das ist beim Militär anders, weil ja die Soldaten mitunter irgendwo auf der Welt eingesetzt werden. Die nehmen sozusagen ihren Pfarrer mit und ich habe eine kirchenrechtliche Zuständigkeit. Wenn jemand beichten will oder auch im Einsatz getauft werden will, dann kann das der Militärpfarrer als zuständiger Pfarrer machen – egal wo auf der Welt.

Was ist das Besondere an der Militärseelsorge?

Die Militärseelsorge hat wie die Gefängnis- oder Krankenhausseelsorge ihre besonderen Eigenheiten und Anforderungen. Wir sind, um es mit den Worten von Papst Franziskus zu sagen, am Rande der Gesellschaft tätig. Es ist zwar kein sozialer Rand, aber es ist ein Rand mit Blick auf die Glaubenszugehörigkeit.

Wie meinen Sie das?

In der Bundeswehr gibt es – noch mehr als in der Gesamtbevölkerung – sehr viele Menschen, die nicht konfessionell gebunden sind. Und auch für diese ist der Militärpfarrer immer Gesprächspartner. Mit meinen evangelischen und jüdischen Kolleginnen und Kollegen zusammen sind wir so gewollt: als neutraler, nicht in der Befehlskette stehender ziviler Ansprechpartner, der sich jedoch im System Bundeswehr gut auskennt. Damit soll den Soldatinnen und Soldaten und den zivilen Mitarbeitern Gelegenheit gegeben werden, über alle Belange des Lebens mit jemand reden zu können. Jemand, dessen Schweigepflicht ihn davor schützt, irgendwelche Meldungen machen zu müssen und der dennoch weiß, welche konkreten Hilfsangebote es gibt.

Worüber wird denn gesprochen?

Über alles, was das Leben so parat hält. Es kann sich um den dienstlichen Bereich drehen – etwa Probleme mit Vorgesetzten oder Kameraden. Es kann sich aber auch um private Dinge von zu Hause handeln. Es müssen nicht immer die großen Probleme sein. Es kann das kleine Schuhdrücken des Alltags sein, über das wir sprechen. Und das ist völlig unabhängig von der religiösen Ausrichtung oder konfessionellen Zugehörigkeit.

Heißt das, man spricht mit Ihnen, weil Sie gerade schon mal da sind?

Das ist genau der Punkt. Der eine oder andere tut sich vielleicht schwer, den Pfarrer mit einem größeren oder kleineren Problem „zu belästigen“, wie manche sagen. Da sage ich immer: Sie belästigen mich nicht, denn genau dafür bin ich ja angestellt bei der Bundeswehr. Manche beginnen das Gespräch auch damit, dass sie sagen, dass sie vor Jahren aus der Kirche ausgetreten sind und fragen, ob sie denn zu mir kommen dürfen. Die sind dann immer ganz froh, wenn ich sage, dass das überhaupt kein Problem ist.

Militärdekan Mirko Zawiasa erläutert den Soldaten vor der Segnung eine Bibelstelle

Militärdekan Mirko Zawiasa erläutert den Soldaten eine Bibelstelle

Bundeswehr

Tragen Sie eine Uniform?

Nein, meine Kleidung wird zwar als Uniform wahrgenommen, doch es handelt sich um eine sogenannte Schutzkleidung. Kenner sehen das an der Schulterklappe. Auf der ist ein Kreuz zu sehen, kein militärischer Dienstgrad. So bleibe ich eine Zivilperson. Mit dem Militärpfarrer steht immer schon ein bisschen Dienstschluss oder Urlaub im Raum.

Wie fühlen Sie sich auf so einem historischen Schiff?

Im Grunde genommen fühle ich mich ziemlich alt. Denn auf dem Schiff ist ja jetzt alles wie neu. Aber im Ernst: Das erste Mal war ich dort, als die Gorch Fock noch in der Werft war. Es ist ein erhebendes Gefühl, auf so einem geschichtsträchtigen Schiff zu sein. Natürlich hat es auch etwas von dieser Windjammerromantik. Es ist etwas ganz anderes als auf einem gewöhnlichen Schiff, das mit einem Motor betrieben wird.

Was wissen Sie über das Leben an Bord?

Bislang bin ich mehrfach auf grauen Schiffen der Marine mitgefahren und kenne den Alltag dort ganz gut. Bei der Gorch Fock ist alles etwas besonders. Ich selbst werde ja im Hotel untergebracht, was den Raum eröffnet, abseits vom Schiffsbetrieb seelsorgliche Gespräche führen zu können. Aber die jungen Leute schlafen an Bord in Hängematten, so wie man das aus alten Hollywoodfilmen kennt. Es ist ein enges Zusammensein, das man als Marinesoldat lernen und abkönnen muss. Aktuell müssen viele Soldaten auf deutschen Schiffen wegen Coronabeschränkungen über Monate an Bord bleiben. Das ist eine starke Belastung, wenn man so lange Zeit mit Menschen auf engem Raum leben muss. Da braucht es Routinen und man muss Wege finden, wie man mit Emotionen umgeht. Auch das wird gewissermaßen geübt, während das Schiff zunächst noch 14 Tage im Hafen liegt.

Freuen Sie sich auf Ihren Einsatz?

Ja, ich freue mich sehr. Darauf zum Beispiel, zu sehen, wie diese Segelvorausbildung abläuft. Und ich freue mich auf die Gottesdienste, die ich mit den jungen Leuten und der Stammbesatzung werde feiern können. Einmal werden wir sogar in einer spanischen Kirche in der Nähe der Liegestelle zu Besuch sein. Außerdem gibt es einen kleinen Wallfahrtsort, den wir vielleicht besuchen können.

Corona wirft Pläne vorerst über Bord

Am vergangenen Montag, 3.1.2022, sprach der Kollege Marco Chwalek vom Rundfunkreferat des Erzbistums Hamburg mit Militärdekan Mirko Zawiasa in der Marineschule Mürwik in Flensburg. Das gut 30-minütige Gespräch hat er auch der Kirchenzeitung zur Verfügung gestellt. Am Dienstag, wenige Stunden vor Redaktionsschluss, folgte dann noch ein Telefonat mit dem Militärdekan, der am frühen Mittwochmorgen eigentlich Richtung Teneriffa abheben sollte. Die Autorisierung der Zitate war schnell erledigt und man sprach über andere Dinge. Doch dann ploppte während des Telefonats plötzlich eine E-Mail bei Zawiasa auf: Coronabedingt wird die Reise nach Teneriffa vorerst verschoben. Termin noch unbekannt. Was nun? Wir finden auch so interessant, was der Militärseelsorger aus seiner Praxis zu berichten weiß. Und irgendwann wird er wohl auch nach Teneriffa fliegen. Nur eben nicht jetzt. Und Flensburg ist ja eigentlich auch ganz schön.

Interview: M. Chwalek, M. Heinen, erschienen in „Neue KirchenZeitung“ https://www.neue-kirchenzeitung.de/ für das Erzbistum Hamburg