75 Jahre Grundgesetz

Dankbarkeit im Neoprenanzug

Dankbarkeit im Neoprenanzug

Datum:
Ort:
Rotenburg (Wümme)
Lesedauer:
1 MIN

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Im Mai feierte die Bundeswehr den „Tag unserer Werte“ im Heer. In Lebenskundlichen Seminaren thematisierten wir das 75jährige Jubiläum unseres Grundgesetzes und den Republikgeburtstag. Ein großes Wort, das bei mir Kindheitserinnerungen an Militärparaden, Fahnenappell und das Winken vor Tribünen weckt.

Die Teilnehmer des Lebenskundlichen Seminars stehen mit nackten Füßen im Wattenmeer.

Im Wattenmeer vor Cuxhaven drängt uns das auslaufende Wasser der Ebbe eine Frage auf: „Was muss bleiben, wenn dir alles zwischen den Fingern zerrinnt?“

Militärseelsorge

Republikgeburtstag, verlogenes Pflichtritual in einer Diktatur. Umso größer erwartete ich die Feierstimmung nach 75 Jahren Freiheit und Frieden in Deutschland. Doch nicht nur in unserem ethischen Seminar zum Jahrestag bildete sich auf dem Meinungsbarometer eine große Traube bei „Früher war alles besser“. Ich fühle mich allein auf der anderen Seite und höre mich Helmut Schmidt zitieren, der dieses Statement mit einem hanseatisch-herzlichen „Käse! Was war denn früher besser?“ beantwortete. Die Zahlen, Daten, Fakten, denen wir uns in Recherchen widmen, sprechen für sich. Nie gab es so eine Vollbeschäftigung wie heute. Innerhalb der OECDOrganisation for Economic Co-operation and Development leistet sich kaum ein Industrieland so viel Freizeit.

Zu Beginn der Bundesrepublik herrschte noch die 48-Stunden-Woche bei deutlich weniger Wohlstand vor – vom eklatanten Mangel hinter der innerdeutschen Grenze ganz zu schweigen. Besser war, so unser Fazit, die Aufbruchstimmung in der jungen Republik. Aus der Blickrichtung der materiellen und seelischen Trümmer des Krieges konnte alles nur neu und besser werden. Heute spüren wir, dass uns nach den dekadenten, fetten Jahrzehnten nun die mageren mit äußeren und inneren Bedrohungen wie in der Weimarer Republik bevorstehen. 

Im Wattenmeer vor Cuxhaven drängt uns das auslaufende Wasser der Ebbe eine Frage auf: „Was muss bleiben, wenn dir alles zwischen den Fingern zerrinnt?“ Zurück im Tagungssaal steht zwischen Zeitungsschnipseln auf einer Collage in großen Lettern das Wort „Dankbarkeit“, das Bewusstsein dafür, wie gut es uns geht nach 75 Jahren Demokratie. Ein Neoprenanzug liegt darunter, durch den alles, das die Demokratiegegner aller Lager versprühen, an uns abperlt, weil wir in unseren demokratischen Werten gefestigt und dankbar sind.

von Uta Buchroth

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