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Interview mit:
Guten Tag Frau Brunnmeier-Müller oder darf ich schon Dekanin sagen? Können Sie sich einmal kurz vorstellen?
Ja, mein Name ist Claudia Brunnmeier-Müller. Ich bin Militärpfarrerin, Dekanin erst ab dem kommenden Jahr. Geboren bin ich am 6. Dezember 1972 in Eggenfelden in Niederbayern.
Zu Beginn habe ich die folgende Frage. Warum haben Sie sich für diese Berufung entschieden?
Warum habe ich mich dafür entschieden? Es war ein langer Weg bis zu dieser Entscheidung. Ich habe beruflich sehr viel gemacht und mich erst sehr spät für das Theologiestudium entschieden. Auf der anderen Seite war es ein Herzenswunsch aus meiner Kindheit. Dafür musste ich aber erst evangelisch werden, denn als Katholikin kann man nicht Pfarrerin werden.
Dann habe ich zunächst eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht, später Tanzpädagogik und Elementare Musikpädagogik studiert. Dann folgte Theologie, dann fünf Jahre Gemeindepfarramt, ganz klassisch. Ich war zeitgleich zu 75% im Gemeindepfarramt und zu 25% in der Krankenhausseelsorge und im Schuldienst tätig, bevor ich 2021 zur Militärseelsorge kam. Im Militärpfarramt Kümmersbruck war ich zuständig für das Logistikbataillon 472 vor Ort und für die Kasernen Pfreimd (Panzerbataillon 104) und Oberviechtach (Panzergrenadierbataillon 122). Im Einsatz war ich mit der Luftwaffe 24./25. Kontingent MINUSMAMission Multidimensionnelle Intégrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali NIM und auch zuständig für Mali im letzten Abschnitt vor dem Abzug.
Können Sie mir einmal erzählen, wie die Aufgaben einer Militärdekanin aussehen?
Das gliedert sich in zwei Bereiche. Zum einen bin ich hier im Krankenhaus für die Militärseelsorge zuständig. Das heißt, ich werde Kontakt zu den Patientinnen und Patienten haben, sie in schwierigen Phasen begleiten. Ich biete Unterstützung bei emotionalen, spirituellen oder ethischen Fragen und schaffe Raum für Gespräche, Reflexion und Trost. Sei es durch Zuhören, praktische Hilfestellung oder Gebete.
Ich werde viel unterwegs sein auf den Stationen oder in verschiedenen Gremien, im Palliativbereich, im Hospizbereich, in der Onkologie sowie weiteren Fachabteilungen. Es gibt einfach Bereiche, in denen Patienten für längere Zeit stationär sind oder aufgrund ihrer Erkrankung mehrfach Aufenthalte haben. Das liegt daran, dass Menschen vielleicht mit einer chronischen Erkrankung immer wieder kommen oder auch länger da sind, während es andere Bereiche gibt, wo man eher kurz da ist. Für das Personal wird es zusätzlich auch Angebote zur Resilienzstärkung, für Rüstzeiten oder lebenskundliche Unterrichte von mir geben. Natürlich bieten mein Team und ich auch regelmäßige Gottesdienste an. Der findet in der Mittagskirche jeden Donnerstag um 12 Uhr im Wechsel zwischen der Evangelischen und Katholischen Militärseelsorge statt.
Wenn wir auf eine persönliche Ebene schauen, was können jetzt Soldatinnen und Soldaten oder ich sage mal Suchende von Ihnen konkret erwarten als neue Militärdekanin?
Eine hoffentlich immer offene Tür und ein offenes Ohr, um sich einfach auszusprechen, wenn man das möchte. Oder vielleicht auch mal einen Ort zum Ausruhen, zum Nachdenken. Manchmal ist es auch ganz gut, eine neutrale Person, die nicht im System ist, als Ansprechpartner zu haben. Einen Begleiter oder Begleiterin zu haben, wenn es mal, sei es jetzt dienstlich oder privat, nicht so gut läuft im Leben.
In diesem Kontext gab es sicherlich auch für Sie schon einmal belastende oder hochemotionale Situationen im Berufsalltag, oder?
Es gab tatsächlich auch schon Soldatinnen und Soldaten, die ich taufen durfte, weil sie einfach das Gefühl hatten: Ja, ich möchte jetzt diesen Schritt gehen und dieser Kirche angehören. Ich durfte auch schon Soldatinnen und Soldaten trauen. Natürlich gab es auch Beerdigungen. Bisher nicht von Menschen, die im Einsatz verwundet wurden oder gestorben sind. Es waren Menschen aus dem zivilen oder soldatischen Bereich, die an den Folgen ihrer Erkrankung starben. Von ihnen mussten wir Abschied nehmen und sie beerdigen. Ich erinnere mich an Soldatinnen und Soldaten, die an Krebs erkrankt und gestorben sind. Manchmal gab es Situationen in Kompanien oder Abteilungen, die herausfordernd waren und die eine intensive Begleitung, auch in multiprofessionellen Teams notwendig machten. Die Gründe dafür waren vielfältig, das konnte ein Unfall mit Todesfolge sein oder Machtmissbrauch in Form von sexualisierter Gewalt.
Gibt es auch da eher soldatentypische Bereiche oder Situationen?
Auch die Arbeit im Arbeitsfeld Seelsorge für unter Einsatz- und Dienstfolgen leidende Menschen (ASEM) sowie deren Angehörige, lässt einen nah herankommen an Menschen und ihre Schicksale. Hier geht es um Soldatinnen und Soldaten, die z. B. mit einer PTBSPosttraumatische Belastungsstörung zurechtkommen müssen und ihren Familienangehörigen in unterschiedlichen Formaten Raum, Zeit und Unterstützung zu geben. Mitzubekommen, mit welchen Symptomen Betroffene leben müssen und welche weitreichenden Auswirkungen dies für alle Familienangehörigen und alle Lebensbereiche haben kann, berührt mich immer wieder sehr.
In den vergangenen zwei Jahren sind es auch die Themen „Zeitenwende", die Fokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung und die Kaltstartfähigkeit, die Soldatinnen und Soldaten beschäftigen. Oft sind es intensive Einzelgespräche oder Auseinandersetzungen im LKULebenskundlicher Unterricht, welche die Reflexion der Rolle als Soldatin/Soldat oder auch die Sorgen der Angehörigen beinhalten. Ich hoffe, dass die Frauen und Männer durch das gemeinsame Bedenken Orientierung und Antworten auf ihre Fragen finden und ihren eigenen Weg verantwortungsvoll gehen können.
Vielen Dank für diesen Einblick.