Versöhnung in Ruanda
Versöhnung in Ruanda
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Bei ihrer Reise nach Ostafrika erlebten Bundeswehrsoldaten, wie ein Land erfolgreich seine dunkle Vergangenheit aufarbeitet.
Oh, ihr fahrt nach Afrika, viel Spaß bei der Safari!“ Solche Sätze haben die Teilnehmer der Rüstzeit in Ruanda im Vorfeld oft gehört. Oder: „Ruanda, da war doch mal was, spielt da nicht der Film ‚Hotel Ruanda‘?“
Ja genau, da war mal was: Im Jahr 1994 wurden dort innerhalb von hundert Tagen bis zu eine Million Menschen der Volksgruppe Tutsi von den herrschenden Hutu ermordet. Mit Macheten und Stöcken, um Kugeln zu sparen, Frauen und Kinder, schlimmer noch: Manche Männer ermordeten ihre Frauen, und Frauen ihre Kinder, Nachbarn und Freunde einander. Der kanadische UNUnited Nations-General Roméo Dallaire, der vor dem Völkermord warnte, hatte nur ein Mandat zum Beobachten und durfte nicht eingreifen, woran er fast zerbrach.
All das thematisiert der Film „Hotel Ruanda“. Und so begann die Rüstzeit des Evangelischen Militärpfarramts Belgien / Frankreich auch am Schauplatz des Films, dem Hôtel des Mille Collines. Mit dabei: 14 Soldaten vom Fähnrich bis zum General und deren Angehörige. Es fiel allen schwer, sich vorzustellen, dass Schutzsuchende 1994 mit dem Wasser aus dem Pool gekocht hatten, während hinter dem Hotelzaun bewaffnete Milizen warteten.
Denkmal für getötete Soldaten
Auch ein Treffen mit dem belgischen Militärattaché stand auf dem Programm – am Denkmal für zehn belgische Fallschirmjäger, die am 7. April 1994 die ruandische Premierministerin bewachen sollten und in einer Kaserne ermordet wurden. Der Beginn des Völkermords. Anstatt mit einem robusten Mandat einzugreifen, evakuierten Belgier und Franzosen ausländische Staatsangehörige und überließen das Land einem furchtbaren Gemetzel – das erst durch den Einmarsch der Ruandischen Patriotischen Front beendet wurde. Deren Anführer war General Paul Kagame, der bis heute Präsident des Landes ist. Zuletzt wurde Kagame mit unwahrscheinlichen 99 Prozent wiedergewählt, weshalb oft von einer „Entwicklungsdiktatur“ gesprochen wird.
In Ruanda begann damals ein erstaunlicher Versöhnungsprozess, der Opfer und Täter zusammenbrachte, die weiterhin in einem Dorf miteinander leben mussten. Tätern, die ihre Schuld bereuten und bekannten, wurde die Hälfte ihrer Haftstrafe erlassen und in gemeinnützige Arbeit wie den Wiederaufbau zerstörter Häuser umgewandelt. Durch die Idee der „Versöhnung statt Rache“ entstand so in 30 Jahren der wohl sicherste, sauberste und digitalisierteste Staat Afrikas, was jedem Besucher sofort auffällt.
Genauso wie die vielen Gedenkstätten, die in jedem Dorf an den Völkermord erinnern. In manchen sahen wir Unfassbares: Massengräber, mumifizierte Leichen, Folterkammern für Frauen und Kirchen, in denen Gläubige Schutz gesucht hatten und die vom eigenen Priester zum Einebnen freigegeben wurden.
Gespräch mit Täter
Am eindrücklichsten war wohl der letzte Tag, an dem wir Überlebende des Genozids und ihre ebenfalls traumatisierten Kinder trafen. Dort sprach auch einer der Täter mit uns. 15 Menschen hat er wohl auf seinem Gewissen, das ihm keine Ruhe ließ, bis er seine Schuld erkannte und bekannte. Er wurde aus dem Gefängnis entlassen und versucht seitdem, ein nützliches Mitglied seiner Gesellschaft zu sein. Gemeinsam mit den Überlebenden.
Wir haben im Regenwald auch Tiere gesehen, aber das Wichtige an dieser Rüstzeit waren die Menschen und ihre Geschichten. Von ihnen kann man viel lernen. Etwa für den Umgang mit dem Völkermord an den Juden in Deutschland. Oder dass wir den Begriff Völkermord nicht leichtfertig auf andere Krisen übertragen sollten. Vor allem aber, dass Vergeben das Erinnern nicht ausschließt. Und ein Neuanfang nicht durch Rache, sondern nur durch Versöhnung möglich wird.