Erdbebenhilfe

Humanitäre Hilfe im Katastrophengebiet

Humanitäre Hilfe im Katastrophengebiet

Datum:
Ort:
Türkei
Lesedauer:
4 MIN

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„Hum Hi TUR“ – Humanitäre Hilfe Türkei, so heißt der Hilfseinsatz der Bundeswehr im Erdbebengebiet im Südosten der Türkei nahe der syrischen Grenze. Soldaten des Kommando Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst aus Leer haben dort ein Feldkrankenhaus aufgebaut. Seit Mitte März wurden dort täglich bis zu 150 Patienten behandelt. Zwei Militärseelsorger haben die Soldaten bei diesem Einsatz begleitet. Anfangs Militärpfarrerin Ulrike Fendler, ebenfalls aus Leer, später ihr Kollege Jens Pröve aus Appen. Hier berichtet er von seinen Erfahrungen.

Zerstörte Häuser in Antakya

Zerstörte Häuser in Antakya

Bundeswehr

„Jeden Tag fahren hier 10.000 Lkw den Schutt aus der zerstörten Stadt ab.“ So sagt es der Spieß auf dem Weg vom Flughafen zum Feldlager. In unserem Kleinbus ist es ziemlich still. Der Anblick der grenzenlosen Zerstörung hat uns Neuankömmlingen die Sprache verschlagen. Aber das mit den 10.000 Lkw scheint mir doch viel zu hoch gegriffen. Das mag ich nicht glauben. Jedenfalls so lange nicht, bis ich die endlose Kolonne von Lastern sehe, die sich vollbeladen aus der Stadt in die Berge quälen, um die Überreste von ungezählten Häusern dort abzukippen und ein ganzes Tal zu verfüllen. 

Wir passieren Antakya, eine Großstadt mit vormals mehr als 300.000 Einwohnern. Es ist eine Stadt mit einer langen Tradition. Schon die Apostel der Urchristenheit haben hier eine Gemeinde gegründet. Die Apostelgeschichte erzählt, dass die Jünger im antiken Antiochia zum ersten Mal Christen genannt wurden. Immer wieder wurde diese Stadt von verheerenden Erdbeben verwüstet. Hier wird wie im Brennglas deutlich, mit welcher Macht das Erdbeben vom 6. Februar in der Region gewütet hat. Manche Häuser sind in sich zusammengefallen. Von anderen steht noch das Gerippe, aber sie sind unbewohnbar und müssen mühevoll abgetragen werden. So weichen ganze Stadtviertel den Baggern. Die zerstörten Häuser, die Zeltstädte und Containerdörfer sind das, was vor Augen steht. Wie schlimm aber muss es erst in den Seelen und Herzen der Bewohner aussehen?!

Im Operationssaal

Im Operationssaal

Bundeswehr

Unser Dienst hier ist enorm wichtig. Das leuchtet jedem Kontingentangehörigen ein. „Man muss ja nur einmal über den Zaun gucken, um zu sehen, dass es super sinnvoll ist, was wir hier machen!“, so drückt es ein Kamerad aus. Wir arbeiten in Altinözü, einem Landkreis 25 km südöstlich von Antakya. Altinözü hatte rund 60.000 Einwohner, aber weil das Erdbeben hier weniger stark gewütet hat als anderswo, ist die Einwohnerzahl zwischenzeitlich stark gestiegen. Doch ausgerechnet das hiesige Krankenhaus muss neu erbaut werden. Deshalb ist unsere Arbeit hier eine echte Hilfe, die über die Nothilfe der ersten Wochen weit hinausgeht. Hier werden nicht nur Erdbebenopfer behandelt, sondern all das, was in der Region anfällt und im örtlichen Krankenhaus zurzeit nicht geleistet werden kann: Knochenbrüche, Verbrennungen, Verkehrsunfälle, innere Erkrankungen und vieles mehr. Das ganze unter schwierigen Bedingungen: Schockraum und Eingriffsraum, Röntgen und Labor sind wie die Behandlungsräume und die Unterkünfte in Zelten untergebracht. Jeweils acht Soldaten teilen sich ein Unterkunftszelt. Für die Sauberkeit sorgt eine eigene Feld-Wäscherei, für das leibliche Wohl eine Feldküche – einfach, aber schmackhaft. Besonders wichtig ist die Wasseraufbereitung, denn als Folge des Erdbebens drohen in der Region Seuchen wie Cholera und Typhus auszubrechen. Gemeinsam mit der örtlichen Polizei kümmern sich die Feldjäger um die Sicherheit. Auch die Zusammenarbeit mit dem türkischen Katastrophenschutz UMKE klappt richtig gut. 

Feldgottesdienst im Lager

Feldgottesdienst im Lager

Bundeswehr

Als Militärseelsorger bieten wir natürlich Gottesdienste und Andachten an, die hier im Feldlager gerne angenommen werden. Auch für Gespräche stehen wir zur Verfügung, denn die vielen Eindrücke müssen verarbeitet werden. Und manchmal ist auch schon ein Spieleabend eine willkommene Ablenkung, bei der sich manche gute Unterhaltung ergibt. Eine wichtige Aufgabe der Seelsorger sind die Betreuungsfahrten: Die wenigsten Kameraden haben die Möglichkeit, das Lager zu verlassen. Damit sie – manchmal erst nach Wochen der Arbeit im Feldlager – mal etwas anderes sehen, bin ich ein bis zweimal in der Woche mit einer Kleingruppe in der Region unterwegs. Gerade bei diesen Fahrten steht der Kontrast zwischen wunderschöner Natur und bedeutenden antiken Städten einerseits und den schrecklichen Erdbebenfolgen andererseits vor Augen. Das auszuhalten, fällt manchem nicht leicht. Um so schöner ist es, dass wir immer wieder von Einheimischen angesprochen werden. Die meisten Menschen hier wissen, dass wir das Feldhospital betreiben, viele sind auch schon selbst behandelt worden. So kommen immer wieder Menschen auf uns zu, schütteln unsere Hände, bedanken sich und würden uns aus Dankbarkeit am liebsten zu sich einladen. Das sind unvergessliche Begegnungen, die zu Herzen gehen.

von Jens Pröve

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