Herr General, wie bereitet man sich darauf vor, für zwölf Monate als Kommandeur die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Truppen in Nordafghanistan zu führen?

Meine Vorbereitung beruht auf den Einsatzerfahrungen aus früheren Jahren, aber auch aus langjähriger Befassung mit dem Thema Afghanistan während meiner Zeit im Bundesverteidigungsministerium. Dazu kamen zwei Wochen im NATONorth Atlantic Treaty Organization Training-Center im polnischen Bydgoszcz sowie eine einwöchige Dienstreise nach Afghanistan. Vorher hatte ich die wesentlichen Schritte hin zu meiner individuellen Einsatzvorbereitung wie Sanitäts- und Schießausbildung absolviert. Damit war ich bestens aufgestellt, das Kommando hier zu übernehmen.
Welche Rolle kommt der Bundeswehr in der Resolute Support Mission zu?

Wir konzentrieren uns bei Resolute Support auf die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte. Eine Begleitung der Afghan National Defense and Security Forces, in deren Kampfeinsätze ist für meine Soldatinnen und Soldaten vom Mandat des Deutschen Bundestages nicht vorgesehen. Wir leisten hiermit einen unverzichtbaren, leistungsfähigen, professionellen und bündnispolitisch wichtigen Beitrag.
Was sind dabei die wesentlichen Herausforderungen?

Unser Ziel ist Train, Advise and Assist, also Ausbildung, Beratung und Unterstützung. Wir befähigen die afghanischen Sicherheitskräfte zunehmend, selbständig für Sicherheit und Frieden in ihrem Land sorgen zu können. Mit anderen Worten: Wir wollen uns langfristig entbehrlich machen. Dafür stehen mir insgesamt 1.300 deutsche und eine fast vergleichbare Zahl an internationalen Soldatinnen und Soldaten aus 21 Staaten zur Verfügung. Dem gegenüber steht eine landesweit angespannte Sicherheitslage. Die Sicherheit und Unversehrtheit der mir anvertrauten Soldatinnen und Soldaten steht für mich an erster Stelle. Das begrenzt das faktisch Machbare in einem geographisch sehr schwierigen Gelände.
Was sind die wichtigsten Aufgaben, die Sie angepackt haben?
Ich versuche die dringlichen Aufgaben auf einer militärischen und einer zivilen Schiene anzugehen. Mit den Kommandeuren des 209. Korps der Afghanischen Nationalarmee, ANAAfghan National Army, im Westen und dem 217. Korps im Osten stehe ich im ständigen Kontakt; ebenso auf Provinzebene mit den Gouverneuren und den Chefs von Polizei und Nachrichtendienst. Als eine der drängendsten Aufgaben gilt es, schnellstmöglich aus den vielen kleinen Checkpoints von Armee und Polizei wenige aber schlagkräftige Stützpunkte zu bilden. Denn kleine Checkpoints sind kaum zu verteidigen und daher ein Angriffsziel für die Taliban.

Daneben bin ich bemüht, den Kontakt zu den religiösen Führern und Politikern auf Provinz- und Distriktebene weiter zu festigen. Wir haben Gesprächsrunden mit Vertretern der jungen Generation und der ältesten verschiedener gesellschaftlicheren Institutionen begonnen, um deren Nöte und Sorgen aus erster Hand zu erfahren. Abgerundet wird das durch einen engen Schulterschluss mit den Vertretern der Entwicklungshilfeorganisationen. Denn die Förderung von Bildung und beruflicher Qualifikation ist wichtig, das entzieht den Extremisten den Nährboden. Der Einsatz ziviler und militärischer Mittel einschließlich der medialen Verbreitung muss eng abgestimmt werden.
Was haben Sie sich für die verbleibenden Tage vorgenommen, was wollen Sie erreichen und ihrem Nachfolger übergeben?

Zuerst wollen wir ein verlässlicher Partner sein. Ich will meinen persönlichen Beitrag leisten, um Afghanistan voranzubringen. Dazu muss ich für alle neun Provinzen ansprechbar und präsent sein. Es gilt, Flagge vor Ort zu zeigen und in „Security Shuras“, wie Besprechungen hier genannt werden, die Kooperation von Armee, Polizei und Nachrichtendienst, aber auch allen nicht-militärischen Stellen und Hilfsorganisationen zu vertiefen. Wenn es mir und meinem Team gelingt, die gesetzten Ziele zu erreichen, haben wir eine solide Grundlage für unsere Nachfolger geschaffen, diese wichtige Arbeit nahtlos und erfolgreich fortsetzen zu können.