Sie haben eine eher ungewöhnliche Aufgabe für einen Soldaten – wie sind Sie dazu gekommen?

Ich finde die Aufgabe gar nicht mehr so ungewöhnlich. Es gibt sicherlich immer noch eine gewisse Distanz bei Soldatinnen und Soldaten zur Psychologie, jedoch ist die gesamte Bundeswehr diesbezüglich deutlich professioneller und aufgeschlossener geworden. Unsere Stärke in der Truppenpsychologie ist es, mit verschiedenen Instrumenten, zum Beispiel bei Konfliktlösungen, Führungsberatungen oder Einzelberatungen, Hilfe zu leisten. Schlussendlich ist hierbei eine vertrauensvolle Psychologen-Klienten-Beziehung wichtig. Das Thema Psychologie hat mich seit der Aufstellung der Gruppe Sporttherapie sehr interessiert. In der Regel haben ca. 50 Prozent der zu betreuenden Soldatinnen und Soldaten in unserem Programm eine Traumafolgestörung, wie beispielsweise eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBSPosttraumatische Belastungsstörung) oder eine Anpassungsstörung. Aus diesem Grund habe ich auch den Schwerpunkt meines Abiturs auf die Psychologie gelegt.
Wie würden Sie ihre Entwicklung bei der Bundeswehr beschreiben?

Die Entwicklung vom Fallschirmjägerfeldwebel zum Truppenpsychologiefeldwebel ist auf den ersten Blick schon ungewöhnlich. Menschen und ihre Geschichten waren mir aber schon immer wichtig. Ihnen fachlich zur Seite zu stehen, bei Ihren Problemen zu helfen und zu unterstützen, ist nochmal ein großer Schritt für mich gewesen. Die Erfahrungen, die ich 2010 gemacht habe, wünsche ich niemandem und trotzdem haben sie mich reifen lassen.
Was verbinden Sie mit Karfreitag?

Schmerz und Leid bei allen Betroffenen des Karfreitagsgefechtes. Für mich persönlich aber auch die Bewährungsprobe, nach diesem schweren Ereignis weiterzugehen und nicht stehen zu bleiben. Aufgeben war nie eine Option!
Würden Sie sagen, dass Sie diesen Tag verarbeitet haben?

Kurz und bündig – Ja! Vergessen werde ich ihn aber niemals!
Wie ist es nach so langer Zeit nochmal hier in Afghanistan zu sein – auch wenn es in einer anderen Funktion ist?

So lange ist es gar nicht her. 2018 war ich schon mal als Truppenpsychologiefeldwebel hier im Camp Marmal. Es fühlt sich an, als wäre ich gerade mal einen Monat weg gewesen. Das erste Mal in der Funktion mit einem ganz anderen Auftrag als 2010 war schon recht seltsam. Der Bezug zur kämpfenden Truppe war und ist natürlich immer noch voll und ganz da. In meiner Funktion in der Sportschule habe ich aber auch nochmal deutlicher gesehen, dass die vielen Unterstützer eines Einsatzverbands wie zum Beispiel Logistik oder Medizin einen großen Beitrag für den Erfolg einer Mission leisten. Diese Kameraden können bei ihren Aufträgen genauso oder ähnlich belastet werden.
Haben Sie eine Botschaft an Kameradinnen und Kameraden, die sich auf einen Auslandseinsatz vorbereiten?

Soldatinnen und Soldaten die sich auf einen Einsatz vorbereiten, sollten meines Erachtens besonders auf vier Dinge achten: 1. Keine Probleme mit in den Einsatz nehmen. Streitigkeiten lassen sich sehr schlecht über tausende Kilometer Entfernung lösen. 2. Sich vorher mit einsatzerfahrenen Soldaten unterhalten und austauschen. 3. Sich mit dem jeweiligen Einsatzland über die Vorausbildung hinaus auseinandersetzen. 4. Für den Fall der Fälle mit dem eigenen Tod oder der Verwundung beschäftigen. Versicherung, Patientenverfügung und Testament sind wichtig und geben den betroffenen Angehörigen Sicherheit im Umgang mit der jeweiligen Situation. Hier ist der Sozialdienst der Bundeswehr der perfekte Ansprechpartner.
…und für Soldatinnen und Soldaten die einen Auslandseinsatz verarbeiten?

Sollten Sie bei Ihnen oder Kameraden feststellen, dass sie auch etwa sechs Wochen nach dem Einsatz noch unruhig sind, Probleme mit dem Schlaf haben, unkontrollierte wiederkehrende Bilder auftreten, Stimmungsschwankungen haben oder sich sozial zurückziehen, dann gehen Sie oder schicken Sie sie zum Truppenarzt oder zum zuständigen Truppenpsychologen. Diese können die Situation richtig einordnen und Hilfe anbieten. Rechtlich sind keine Nachteile bei der Laufbahnperspektive oder Ähnlichem zu erwarten.
Was sind Ihre persönlichen Pläne und Ziele bei der Bundeswehr?

Seitdem ich Berufssoldat bin habe ich mir fest vorgenommen, dass meine Dienstzufriedenheit das Wichtigste im beruflichen Kontext ist und sein soll. Ich erwarte von der Bundeswehr, dass sie sich im Ganzen noch mehr um den Einzelnen kümmert. Das Thema Fürsorge kann bei den Disziplinarvorgesetzten aufgrund von immer höher aufkommender Beurteilungsdichte gar nicht mehr vollumfänglich beachtet werden. Dies ist in den meisten Fällen ein strukturelles Problem.
Möchten Sie den Leserinnen und Lesern darüber hinaus noch etwas mit auf den Weg geben?

Der Dienst bei der Bundeswehr ist ein sehr interessanter, aber auch fordernder Beruf. Die Möglichkeiten sind mannigfaltig, von der Ausbildung bis zum Studium bietet die Bundeswehr für jede Person einen individuellen Weg und auch Aufstiegsmöglichkeiten. Der Auslandseinsatz sollte hierbei für jede Soldatin und jeden Soldaten das Maß aller Dinge sein.