Gefechtsverband marschiert nach Litauen
Landes- und Bündnisverteidigung mit Mittleren Kräften: Soldatinnen und Soldaten des Heeres üben den Landmarsch bis nach Pabrade.
1.600 Kilometer trennen die Rotenburger Jäger von ihrem Einsatzort. „Unser Jägerbataillon 91 wird durch Polen hindurch nach Litauen marschieren und dabei zum Gefechtsverband Jägerbataillon 91 aufwachsen. Das litauische Pabrade ist unser Marschziel“, so der Kommandeur, Oberstleutnant Gero Hahn. Marschstrecke und Logistik haben gewaltige Dimensionen und sind in dieser Form anspruchsvoll.
Die Jäger und weitere Soldatinnen und Soldaten, die mit ihren Fähigkeiten aus dem reinen Jägerbataillon erst einen Gefechtsverband machen, nutzen bis nach Litauen nicht die Transportwege Schiene oder Luft. Die Herausforderung der Übung: Die Truppe verlegt zu 100 Prozent per Landmarsch an ihren Einsatzort, also mit ihren Waffensystemen, ihren Fahrzeugen und ohne weitere logistische Unterstützungen.
Ein Hauptmann des Führungsstabes erklärt: „Wir sind Teil der Mittleren Kräfte, das Gepanzerte Transport-Kraftfahrzeug (GTKGepanzertes Transport-Kraftfahrzeug) Boxer ist unser zentrales Waffensystem. Ein schneller Anmarsch und die Führung des Gefechtes direkt aus der Bewegung heraus sind unsere wesentlichen Merkmale.“ Die radbeweglichen und hochmobilen Verbände sind schnell und ohne lange Vorbereitungszeit im gesamten europäischen Operationsraum der NATONorth Atlantic Treaty Organization verlegbar. Sie fahren und kämpfen auf Rädern.
Convoi Support Center – die Sammelpunkte
„Die Jäger alleine bilden noch keinen Gefechtsverband. Erst mit weiteren Fähigkeiten von den Pionieren, Aufklärern, Versorgern, Sanitätern und vielen weiteren Spezialisten entsteht ein einsatzbereiter Verband, der mit all diesen Fähigkeiten in der Lage ist, ein Gefecht zu führen“, erklärt ein Offizier aus dem Planungsstab.
Mit dem Zusammenführen dieser Kräfte beginnt der Aufbau des Gefechtsverbandes. Aus den Standorten Rotenburg, Augustdorf, Ahlen, Stadtallendorf und Holzminden setzen sich fast zeitgleich Soldatinnen und Soldaten mit ihren Fahrzeugen in Marsch, um über sogenannte Convoi Support Center, also Knotenpunkte, zusammengeführt zu werden und zu einem immer größer werdenden Gefechtsverband aufzuwachsen: Burg in Brandenburg und Gera in Thüringen sind bei dieser Übung die Stationen, an denen die Frauen und Männer das erste Mal schlafen, ihre Fahrzeuge auftanken, sich organisieren, um am nächsten Morgen weiter in Richtung NATONorth Atlantic Treaty Organization-Ostflanke zu marschieren.
„Ein wichtiger Aspekt dieser Übung ist auch die Transparenz für die Bevölkerung. Wir marschieren im öffentlichen Straßenverkehr mit unseren großen Marschbändern, bei denen eines immerhin bis zu 20 Fahrzeugen umfasst. Für viele Autofahrer sind diese großen Gefechtsfahrzeuge inzwischen nichts Unbekanntes mehr“, erklärt einer der Marschgruppenführer. Aus den Convoi Support Centern heraus geht es für die schweren Boxer weiter in Richtung Grenze, das polnische Świętoszów ist eine wichtige Station für die Jäger. Dort kommen alle Kräfte des Gefechtsverbandes erstmalig zusammen.
Host Nation Support – macht vieles einfacher
Stunde um Stunde vergeht mit dem sonoren Brummen der Motoren. Die Tachonadeln der Gefechtsfahrzeuge verharren bei einer Geschwindigkeit von 60 Kilometern pro Stunde. Die militärischen Kraftfahrer halten die Abstände von 100 Metern exakt ein, um ein Einscheren von zivilen Autos zu ermöglichen. Sich bei dieser Monotonie zu konzentrieren, fällt schwer, ist aber absolut notwendig. Feldjäger begleiten die Marschbänder und mit Erreichen der Grenze kommen polnische Feldjäger dazu. Sie führen die Marschbänder in den Bereich der 10. Panzer-Kavallerie-Brigade in Świętoszów. „Wir nehmen Kraftstoff auf, die Soldaten werden verpflegt und schlafen zweimal hier“, so ein Planungsoffizier.
Die gewaltige Abstellfläche, so groß wie vier Fußballfelder, füllt sich im Stundentakt. Mehr und mehr Marschbänder treffen bei der polnischen Brigade ein. Erst weit nach Anbruch der Dunkelheit stehen über 200 Fahrzeuge in Świętoszów: Es ist der Gefechtsverband Jägerbataillon 91. „Die polnische Unterstützung macht dieses Zusammenführen der Kräfte überhaupt erst möglich“, erklärt ein Offizier aus dem Bataillonsgefechtsstand.
Der sogenannte Host Nation Support, also die Verpflichtung eines Gastlandes, ausländische Streitkräfte zu unterstützen, sei sogar Teil der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Truppenstatuten. Mit diesem Stopp haben die Soldaten erst ein knappes Viertel ihrer gesamten Strecke absolviert, die nächste Etappe mit über 500 Kilometern Tagesleistung wird wiederum eine Herausforderung für sich.
In zehn Marschbändern durch Polen
Zehn Marschbänder mit einem zeitlichen Abstand von je 45 Minuten bedeuten, dass es allein fast einen Vormittag dauert, bis der Gefechtsverband wieder komplett auf der Straße ist und rollt. Die Kraftfahrer mit ihren Besatzungen und die deutschen wie polnischen Militärpolizisten sind aufeinander eingespielt. „Die Mobilität des Gefechtsverbandes hat oberste Priorität. Nichts darf ins Stocken kommen oder gar durch Unfälle verzögert werden“, beschreibt einer der Feldjäger. Geschwindigkeiten, Durchlaufzeiten und Abstände seien minutiös festgelegt und abgestimmt. Und nun ist ein Militärflugplatz auf polnischem Gebiet ein Zwischenziel des Gefechtsverbandes. Das Marschziel liegt noch in weiter Ferne.
Seit Świętoszów ist der deutsche Gefechtsverband nicht nur komplett, er ist auch gemeinsam mit französischen und polnischen Einheiten der polnischen 10. Panzer-Kavallerie-Brigade unterstellt – das nicht ohne Grund. Denn die Weichsel, der größte Fluss Polens, stoppt den Straßenmarsch, daher wird eine gemeinsame Operation unter einem Kommando notwendig. Mit einem multinationalen Gewässerübergang werden die Streitkräfte nun ihren Weg über den fast 400 Meter breiten Fluss fortsetzen. Deutsche, britische französische und polnische Pioniere sind bereits im Sammelraum nach der Weichsel untergezogen.