Inklusion fördern: Barrierefreiheit in der Bundeswehr
Menschen mit Behinderung haben im Alltag oftmals mit Barrieren zu kämpfen und stoßen an ihre Grenzen. Unter dem Leitgedanken der Inklusion gilt es, diese Hindernisse zu schleifen. Auch für die Bundeswehr ist Barrierefreiheit wichtig. Sie setzt sich ausdrücklich für die Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen ein.
Bundeswehr unterstützt: Ein Sanitätsfeldwebel ist schwerbehindert
Martin Kliewe wurde zum Sanitätsfeldwebel bei der Marine ausgebildet. Seiner Tätigkeit bei der Bundeswehr ging er immer gern nach – bis er eines Morgens gelähmt aufwachte. Die Bundeswehr ließ den nun Schwerbehinderten aber nicht im Stich.
„Für einen Norddeutschen kommt einfach nur die Marine infrage“, lacht Martin Kliewe. Doch nicht nur das: Die Bundeswehr stationierte ihn als jungen Wehrdienstleistenden gleich auch noch auf der Insel Sylt, die nicht nur für Küstengewächse ein traumhafter Dienstort ist.
Auf Sylt wurde Kliewe zum Marinesanitäter ausgebildet und unterrichtete später auch selbst. „Die Arbeit als Ausbilder hat mir großen Spaß gemacht“, sagt er. „Wir bekamen Maurer oder Maler und nach drei Monaten konnten sie Menschenleben retten – das sind schon tolle Erfolge.“
„Die Vielseitigkeit bei der Bundeswehr ist einfach unglaublich”
Für Kliewe war schnell klar, dass er bei der Bundeswehr bleiben wollte, zunächst auf Zeit, doch 2005 verpflichtete er sich als Berufssoldat. „Einen sicheren Job zu haben, spielte bei der Entscheidung natürlich eine Rolle, aber vor allem gefiel mir, dass jeder Dienstposten etwas Neues bietet“, erzählt der heute 42-Jährige. „Die Vielseitigkeit bei der Bundeswehr ist einfach unglaublich.“ Vom Kompaniefeldwebel bis zum Personalführer sei er schon alles gewesen.
Diagnose: Bandscheibenvorfall
Martin Kliewe ging immer gern zur Arbeit. Bis er eines Morgens aufwachte und sich nicht mehr bewegen konnte. „Nicht einmal krabbeln“, erinnert sich der Sanitätsfeldwebel aus Bremerhaven. Die Diagnose: Bandscheibenvorfall.
Die Lähmungserscheinungen stellten sich als so gravierend heraus, dass sein Truppenarzt ihn in ein nahes Krankenhaus überwies, wo er operiert wurde. Doch der Eingriff verlief nicht gut, es gab Komplikationen, der Rückenmarkskanal wurde verletzt und Nervenwasser trat aus. Seitdem ist er sein Rückenleiden nie wieder losgeworden. Von Chirotherapie bis Akkupunktur probierte er alles aus, doch die Schädigung ist Fachärzten zufolge dauerhaft.
„Ja, ich bin schwerbehindert“
Nachts konnte er kaum schlafen, tagsüber ging er entsprechend müde und mit chronischen Schmerzen in die Kaserne. Doch bis er tatsächlich sagen konnte: „Ja, ich bin schwerbehindert“, vergingen sechs Jahre. „Ein Soldat mit Behinderung schien mir einfach nicht ins Bild zu passen“, so Kliewe. „Schließlich soll ein Soldat doch fit, sportlich und leistungsfähig sein.“ Hinzu kam die – unberechtigte – Sorge, dass er womöglich mit einem Dienstunfähigkeitsverfahren seinen Job verlieren und nicht länger Berufssoldat sein könnte.
„Ich habe mich versteckt, wollte bloß nicht auffallen“, so Kliewe. Er setzte seine letzten Kraftreserven ein, um in seiner Leistung nicht nachzulassen. Für ein aktives soziales Leben außerhalb des Jobs blieb keine Energie übrig – auch für die Familie eine große Belastung.
„Erst als ich nicht mehr konnte, habe ich diese Haltung aufgegeben.“ Er stellte beim Versorgungsamt einen Antrag, bekam einen Grad der Behinderung von 50 Prozent zuerkannt und klärte seinen Chef über seinen Zustand auf.
Verständnis und Fürsorge
Allein die psychische Erleichterung war riesig. Wenn Kliewe jetzt krankheitsbedingt fehlt oder seine Arbeitszeit reduzieren muss, stößt er auf Verständnis und Fürsorge, denn „jeder weiß, was los ist“. Er hat sich außerdem heimatnah versetzen lassen, weil er seine gesundheitliche Situation mit Hilfe seiner Familie besser bewältigen kann. Im Büro erleichtern ihm jetzt ein orthopädischer Stuhl und ein höhenverstellbarer Schreibtisch den Arbeitsalltag. Am meisten freut ihn jedoch, dass er nun auch andere Soldaten unterstützen kann: er ist in den Personalrat und zum Schwerbehindertenvertreter gewählt geworden.
„Menschen zu helfen war schon immer mein Ding“, sagt Kliewe. „Mich ihrer Sorgen und Nöte anzunehmen, Eskalationen verhindern, auf das Betriebsklima Einfluss zu nehmen – all das mache ich sehr gerne.“
Als Mitglied des Personalrats werde er mit seiner Meinung sehr ernst genommen. Und besonders beim Thema Behinderung und Inklusion sei viel in Bewegung geraten bei der Bundeswehr. „Es gibt immer mehr Vorgesetzte, die eine Behinderung als Normalität ansehen – und das ist es ja gerade, was man sich als schwerbehinderter Mensch wünscht.“