Erste Risse im Eisernen Vorhang

Der Fall der Mauer war ein Ereignis einer Nacht, doch schon Jahre zuvor führten politische, soziale und wirtschaftliche Verhältnisse dazu, dass sich Menschen in der DDR gegen ihren Staat stellten. Durch Mut, Glück und Entschlossenheit vieler Bürger wurde die friedliche Revolution ein Erfolg und führte zur Deutschen Einheit.

Menschen demonstrieren mit Transparenten vor dem Palast der Republik.

Demonstrationen für Freiheit und gegen Repressalien

Die Vorgeschichte und Hintergründe des Mauerfalls zeigen, dass nicht nur Bürger in Berlin die Mauer zu Fall brachten, sondern auch die Menschen und Politiker anderer Städte und Länder Europas. Welche außen- und innenpolitischen Entwicklungen führten zum Fall des Eisernen Vorhangs?

Seit Mitte der 1970er Jahre wollten immer mehr DDR-Bürger ihre Heimat verlassen. Zunehmend mehr Menschen stellten Anträge zur dauerhaften Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland. Mit Antrag war eine Ausreise ab 1975 möglich, denn mit Unterzeichnung der KSZE-Akte musste die DDR ihren Bürgern Freizügigkeit zusichern – diese „Freizügigkeit“ war jedoch mit persönlichen, familiären und beruflichen Repressalien verbunden.

Die wachsende Oppositionsbewegung wandte sich gegen diese Verhältnisse, die für viele nicht länger ertragbar waren. Neben politischen Ursachen bildeten ökonomischer Stillstand, der Zerfall von Bausubstanz oder gravierende Umweltprobleme die Grundlage für viele Bürger, sich gegen ihren Staat zu stellen

Bewegung im Ostblock

Michael Gorbatschow sitzend vor einem Mikrofon und lächelt

imago/Sepp Spiegl

Im Jahr 1980 erkannte die politische Führung Polens die Protest- und Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc an: für die DDR-Opposition eine Signalwirkung. Zudem hatte der Präsident der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, ab 1986 mit Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umbau) politische Veränderungen angestoßen, die sich auf den gesamten Wahrschauerpakt auswirkten – seine Mitgliedstaaten sollten von nun an ihre Innenpolitik zunehmend selbst bestimmen können.

Auch die USA standen demokratischen Veränderungen im Osten sehr positiv gegenüber. USUnited States-Präsident Ronald Reagon forderte Gorbatschow in Westberlin 1987 selbst zu Veränderungen auf: „Mr. Gorbachev, tear down this wall!”

Erste Risse im Eisernen Vorhang

Am 9 Oktober 1989, einen Monat vor dem Mauerfall, versammelten sich in Leipzig circa 70.000 Menschen. Mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ demonstrierten sie unüberhörbar gegen die DDR-Führung. Auf ihren Transparenten standen Sätze wie „Wir fordern Reisefreiheit“ und „Die Mauer muss weg“.

Am 18. Oktober 1989 trat der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker zurück, doch der Protest ebbte nicht ab.

Anfang November 1989 demonstrierten rund eine halbe Million Menschen gegen ihre Regierung und für demokratische Reformen.

Am 4. November 1989 versammelten sich laut Angaben der Veranstalter rund eine Millionen Menschen auf dem Berliner Alexanderplatz. Es war die erste offiziell genehmigte Demonstration, die nicht vom Staat ausging. Die Bürger forderten Gewaltverzicht sowie Rechte, die ihnen laut DDR-Verfassung zustanden: Presse-, Meinungs-, Reise-, und Versammlungsrecht.

Die Mauer fällt

Mehrere Personen klettern über einen Zaun.

Am 29. September klettern DDR-Bürger mit ihren Kindern über den Zaun der bundesdeutschen Botschaft in Prag. (Quelle: dpa)

dpa

Die politische Führung der DDR unterstützte den Reformkurs der Sowjetunion nicht, doch Ende der 1980er Jahre war die Protest- und Fluchtbewegung so stark gewachsen, dass sie sich ihr nicht mehr verschließen konnte.

Ungarn hatte im Sommer 1989 beim „Paneuropäischen Picknick” seinen Grenzzaun für circa 600 DDR-Flüchtlinge geöffnet.

Im September 1989 flüchteten rund 4.000 DDR-Flüchtlinge in die Prager Botschaft der BRD. Der westdeutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher stimmte am 30. September 1989 ihrer Ausreise nach Westdeutschland zu.

Der Jubelruf der Flüchtlinge wurde zum Weckruf für die DDR-Führung: Sie sah sich gezwungen, schnell eine neue Reiseverordnung zu erlassen, um unkontrollierte Fluchten aus der DDR zu vermeiden.

Die neue Ausreiseregelung sollte die ständige Ausreise aus der DDR klären und gleichzeitig Besuchsreisen erleichtern. Ihre Verkündung durch Günther Schabowski am 9. November 1989 führte noch in derselben Nacht zum Fall der Mauer.

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