Präzise Feuerkraft – so schießt und trifft die Artillerie
Präzise Feuerkraft – so schießt und trifft die Artillerie
- Datum:
- Ort:
- Munster
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Die Kampftruppe benötigt Unterstützung. Die Artillerie kommt zu Hilfe. Doch bis die Geschosse aus der Panzerhaubitze einschlagen, müssen erst einmal Daten und Fakten gesammelt werden. Erst dann kommt die Zielmeldung für die Geschütze. Mit einem speziellen Verfahren wird zudem die eigene Truppenstärke verschleiert.
Die Kampftruppe ist im Gefecht, die Panzerhaubitzen sind kilometerweit entfernt. Um einen Überblick über das Geschehen zu haben, gibt es das Joint Fire Support Team. Es begleitet und berät die Kampftruppe, welches Ziel wie bekämpft werden sollte und wann der Einsatz der von bodengebundenem und luftgebundenem Steilfeuer nötig ist. Steht die Entscheidung, ist das Joint Fire Support Coordination Team dran. „Es erhält die Daten der Beobachter und kommt mit diesen zu mir in den Gefechtsstand. Die Daten werden bewertet. Dann wird entschieden, wie ein Ziel bekämpft werden soll und wie lange„, erklärt Oberstleutnant Alfred Grethe, Kommandeur des Artillerielehrbataillons 325, den Ablauf im Zuge der Übung.
Das Wetter ist entscheidend
Der Feuerauftrag geht zunächst an den jeweiligen Gefechtsstand, beispielsweise zu dem von Hauptmann Martin S*., Batteriechef der 4. Kompanie des Artillerielehrbataillons 325, das im kommenden Jahr nach Litauen gehen wird. Die Bundeswehr stellt dort das Gros eines Kampfverbandes der Enhanced Forward Presence der NATONorth Atlantic Treaty Organization. Mit insgesamt vier solcher Verbände im Baltikum und in Polen zeigt das Bündnis Flagge an seinen Ostgrenzen. Jede Battlegroup ist etwa 1.000 Soldaten und Soldatinnen stark.
Eine Batterie der Artillerie umfasst zwei Geschützzüge mit je vier Panzerhaubitzen und einen Zug Joint Fire mit den Teams Coordination und Support. „Als Batteriegefechtsstand sind wir das Bindeglied zwischen Artillerie und Kampftruppengefechtsverband, dem wir unterstellt sind”, erklärt Hauptmann S. Bei ihm laufen alle nötigen Informationen für die Zielbekämpfung zusammen. So wird es auch beim Manöver in Litauen sein. Von großer Bedeutung sind hierbei insbesondere die Wetterwerte. ,,Das Wetter brauchen wir stets und ständig, um sauber schießen zu können„, betont der Offizier.
Die Haubitze ist eine Flächenwaffe. Wir bekämpfen zum Großteil Ziele, die sich nicht bewegen.
Wind, Luftdruck und Co. haben direkten Einfluss auf die Reichweite und Flugbahn des Steilfeuers. Stündlich steigt ein Wetterballon auf, um aktuelle Daten zu sammeln. „Bis zu 16.000 Meter hoch, je nach Anforderungen der Haubitzen“, berichtet der stellvertretende Gruppenführer, Oberstabsgefreiter Kurt Nieft. „An dem Ballon befestigen wir eine Sonde, die uns die verschiedenen Werte wie Luftdruck, Luftfeuchtigkeit und Windrichtung übermittelt”, erklärt Nieft. Die Sonde wird am Computer überwacht. „Aus den Werten formulieren wir eine Wettermeldung.” Diese wird an die Gefechtsstände übermittelt und gilt ungefähr eine Stunde lang.
Ein Ziel, mehrere Schüsse
Liegen im Gefechtsstand alle nötigen Daten vor, geht eine Meldung raus an die Feuerleitstelle. Sie steht in direktem Kontakt mit den Geschützzügen. Mit allen Infos zu Ziel und Wetter versorgt, errechnet das System der Haubitze Winkel und Stellung des Rohrs, damit das Ziel genau getroffen wird.
„Die Haubitze ist eine Flächenwaffe. Wir bekämpfen zum Großteil Ziele, die sich nicht bewegen”, erklärt der Kommandeur. Um ein möglichst gutes Ergebnis zu erreichen, werden mehrere Geschosse aus einer Haubitze oder verschiedenen abgefeuert. Jedes Geschütz bekämpft dasselbe Ziel, erhält aber leicht voneinander abweichende Daten. So wird das Ziel großflächiger getroffen – und mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich bekämpft.
Ziele in bis zu 30 Kilometer Entfernung können bekämpft werden. Bis zu 80 Sekunden sind die Geschosse in der Luft. „Diese Art des Feuerns nennt sich Steilfeuer, wir schießen indirekt. Das bedeutet, dass wir den Feind nicht sehen. Wir können aber auch direkt schießen, in dem wir das Rohr direkt auf den Feind richten, den wir sehen”, führt Hauptmann Martin S., Batteriechef der 4./Artillerielehrbataillon 325, aus.
Verschleiern der Truppengröße
Die Artillerie der Bundeswehr hat noch einen weiteren Trick auf Lager: MRSI. Das steht für Multiple Round Simultaneous Impact. „Wir haben dadurch die Möglichkeit, mit wenigen Geschützen enorme Wirkungen im Ziel zu erreichen. Dabei können wir noch die eigene Truppengröße verschleiern”, erklärt Hauptmann Martin S. Ein Geschütz kann dank MRSI ein Ziel auf bis zu fünf verschiedenen Geschossflugbahnen bekämpfen. „Der Feuerleitrechner errechnet die Flugbahnen so, dass die Geschosse trotz unterschiedlicher Abschusszeit gleichzeitig im Ziel ankommen”, so der Batteriechef. Er erläutert weiter: „Das erste Geschoss wird mit einer hohen Rohrerhöhung abgeschossen. Diese wird dann schrittweise abgesenkt, um die Flugzeit der weiteren Geschosse zu verkürzen.” So schlagen fünf unterschiedlich abgefeuerte Geschosse gleichzeitig ein.
Je nach Ziel und Zweck unterscheiden sich Geschosse und Zünder. Zum Bekämpfen eines Ziels wird meist Sprengmunition eingesetzt. Abhängig vom Bekämpfungsziel und dem gewünschten Effekt, werden per Computer Zeitzünder programmiert. Mit einem Annäherungszünder, der den Sprengkörper bereits in der Luft explodieren lässt, könne so eine breitere Fläche angegriffen werden. In einem Radius von rund 200 Metern sei die Auswirkung tödlich.
Licht in der Nacht, Nebel bei Tag
Die Artillerie kann der eigenen Truppe aber auch Deckung für Bewegungen geben. Mit Nebelgeschossen wird dem Feind die Sicht genommen. Durch mehrere Schüsse entstehen dichte Nebelwände.
Verbirgt sich der Feind in der Dunkelheit, erhellen Leuchtgeschosse die Nacht. Die Leuchtmittel werden schon weit vor dem Aufschlag freigesetzt, damit sie den Gegner so lange wie möglich in ein grelles Licht tauchen.
*Name zum Schutz des Soldaten abgekürzt.