„Die Welt des Militärs war für mich Neuland”
„Die Welt des Militärs war für mich Neuland”
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 4 MIN
Der Elektrotechniker Oliver Müller wollte sich ein Bild von der Bundeswehr machen. Seit dem 1. Oktober absolviert er seine Grundausbildung in der Jägertruppe. Warum trat er in die Bundeswehr ein? Wie erlebt er die Grundausbildung? Und was erhofft er sich für die Zukunft?
Warum leisten Sie freiwilligen Wehrdienst?
Ich habe Elektrotechnik studiert und bis zum Start meines Mastergangs habe ich noch ein paar freie Monate. Bisher kannte ich die Bundeswehr ausschließlich aus den Medien und immer nur negativ, zum Beispiel durch die Berichte über die nicht funktionierende Technik oder die Extremismus-Vorwürfe. Man hört natürlich immer nur das in den Medien, was sich verkaufen lässt, was die Menschen hören möchten. Darum dachte ich, ich nutze meine freie Zeit und schaue mir an, wie es wirklich ist, um mir eine eigene Meinung dazu zu bilden. In den nächsten Monaten entscheide ich mich, ob ich bei der Bundeswehr bleibe oder meinen Master zivil mache.
Sie kannten die Bundeswehr nur aus den Medien? Haben Sie niemanden im Umfeld, der dient? Oder haben Sie mal mit jemandem aus erster Hand gesprochen?
Nein, niemanden. Ich habe mir vorher nur „Die Rekruten“ und so etwas und die Medienauftritte der Bundeswehr angesehen. Zum Militär habe ich gar keine Verbindung gehabt vorher. Das ist alles Neuland für mich.
Wie ist denn dann jetzt dieser erste Eindruck?
Positiv. Also aufgrund meines Bildungsstandes ist es jetzt mental nicht besonders herausfordernd. Aber das habe ich bei einer Grundausbildung im Mannschaftsdienstgrad auch nicht erwartet. Gerade körperlich aber ist es sehr anspruchsvoll, besonders, weil ich vorher nicht so viel Sport gemacht habe. Positiv überrascht war ich von dem Auftreten der Ausbilder. Da habe ich absolut noch keine negativen Erfahrungen gemacht.
Also keine Grundausbildung wie im Film, mit Anschreien und so?
Nein, das ist es nicht. Wenn man etwas wiederholt falsch gemacht hat, dann wird es schon mal lauter. Während des Sports wird gebrüllt, um einen anzutreiben. Aber ein Niedermachen, wie man das aus Filmen kennt, gibt es gar nicht.
Aber Stuben- und Revierreinigung, so etwas gibt es schon noch, oder?
Stuben- und Revierreinigung besteht aus Bodenfegen und Wischen. Die Toiletten werden von externen Reinigungskräften geputzt. Das kommt uns schon entgegen. Ich wohne schon lange nicht mehr zu Hause und bin die Arbeit im Haushalt mit allem, was dazugehört, gewohnt. Für die jüngeren Kameraden, die gerade aus der Schule kommen, ist das schon schwerer. Da gibt es einige, die das, ich sage mal, selbstständige Leben außerhalb des Elternhauses noch nicht so gewohnt sind. Die finden sich erst rein.
Lernt man also in der Grundausbildung etwas fürs Leben? Oder wird man beim Bund erwachsen?
Naja, ob für manche drei Monate reichen, erwachsen zu werden, weiß ich nicht. Aber es schadet sicherlich nicht. Man entwickelt sich hier weiter. Man lernt viel. Angefangen mit technischem Handwerkszeug, um Karte und Kompass richtig zu lesen. Das ist gut, wenn man das mal gehört hat. Aber auch die Selbstständigkeit. Erwachsen werden - das kommt wirklich auf die Person an und was man im Leben machen möchte. Wenn man die Zeit und die Möglichkeit hat, zum Bund zu gehen, und wenn man mit dem Ton klarkommt, würde ich sagen, ist es keine verschwendete Zeit.
Man entwickelt sich hier weiter. Man lernt viel.
Und was ist mit der Kameradschaft? Es wird gesagt, die gibt es nur beim Militär. Gibt es Unterschiede zwischen Schulkameraden oder Kommilitonen und Kameraden bei der Bundeswehr?
Ja, definitiv. Weil man in der Grundausbildung stressige Situationen immer zusammen bewältigt. Das schweißt dann irgendwie zusammen. In der Schule ist immer deine eigene Leistung, dein Zeugnis das Ausschlaggebende. In der Grundausbildung kommt es immer auf die Gruppenleistung an. Wenn man etwas gut gemacht hat, wird die Gruppe gelobt. Hat man Mist gebaut, heißt es, die Gruppe hat Mist gebaut. Die Gruppe ist immer so stark wie das schwächste Glied. Ob wir dann aber noch in zehn Jahren Kontakt haben werden, ist eine andere Sache. Für jetzt halten wir zusammen. Wer weiß, was die Zukunft bringt.
Wenn Sie von der Zukunft in der Bundeswehr sprechen, dann wissen Sie, dass Sie als Soldat auch in den Einsatz geschickt werden können. Macht Ihnen so etwas keine Angst?
Angst würde ich nicht sagen, aber man beschäftigt sich damit. Die Mehrheit der Kameraden meines Durchgangs möchte später in den Einsatz gehen, obwohl wir größtenteils freiwillig Wehrdienstleistende sind. Wir verstehen es halt als Berufsrisiko. Das kommt mit dem Soldatsein. Wenn man nicht damit klarkommt, sollte man sich einen anderen Lebensweg aussuchen. Wir werden ausgebildet und gedrillt dafür, Soldaten zu sein. Am Ende läuft es auf den Einsatz raus. Er ist es, in dem die Ausbildung zählt und in dem man beweist, was man hier gelernt hat.