Auslandseinsätze: Vom Supporter zum Global Player
Auslandseinsätze: Vom Supporter zum Global Player
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Als die Bundeswehr 1955 gegründet wurde, war ihr Auftrag klar umrissen: Sie sollte dazu beitragen, den Warschauer Pakt von einem Angriff abzuschrecken oder aber Deutschland und seine Verbündeten in der NATONorth Atlantic Treaty Organization gegen einen solchen Angriff zu verteidigen. Bewaffnete Auslandseinsätze standen nicht zur Debatte.
Die Einsätze der Bundeswehr außerhalb des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Territoriums erfolgten lediglich im Zuge von Hilfeleistungen bei Naturkatastrophen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Charakteristik der Einsätze jedoch geändert.
Über das Bündnisgebiet hinaus
Um Deutschlands Verpflichtungen aus internationalen Verträgen aktiver nachkommen zu können, sollte sich die Bundeswehr nach der Wiedervereinigung als Armee im Einsatz bewähren. Bundeskanzler Helmut Kohl erklärte dazu bereits bei seiner Regierungserklärung im ersten gesamtdeutschen Bundestag am 4. Oktober 1990, dass das vereinte Deutschland seiner internationalen Verantwortung gerecht werden müsse. Dazu würden auch die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Doch die Einsätze sollten nicht ausschließlich auf das Bündnisgebiet der NATONorth Atlantic Treaty Organization beschränkt bleiben. Einer der ersten Einsätze der Bundeswehr out of area war in Kambodscha: In der Hauptstadt Phnom Penh sollten deutsche Sanitäterinnen und Sanitäter im Jahr 1992 mit einem Lazarett für die medizinische Versorgung der UNUnited Nations-Blauhelme sorgen.
Die Vereinten Nationen mandatierten den Einsatz in Kambodscha als peacekeeping mission, als friedenserhaltende Mission. So genügten das UNUnited Nations-Mandat sowie der Beschluss des Bundeskabinetts als rechtliche Grundlagen des Einsatzes. Doch die Diskussion über Auslandseinsätze ging weiter, bis am 12. Juni 1994 das Bundesverfassungsgericht ein Grundsatzurteil fällte: Demnach sind Out-of-area-Einsätze verfassungskonform, wenn der Bundestag zuvor zugestimmt hat. Das Urteil markierte die Geburtsstunde des sogenannten Parlamentsvorbehaltes. Daraus resultierten weitere Einsätze wie KFORKosovo Force, EUFOREuropean Union Force oder OSZEOrganisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa-Missionen.
9/11 und seine Folgen
Am 11. September 2001 griffen islamistische Terroristen mit entführten Passagierflugzeugen das World Trade Center in New York sowie das USUnited States-Verteidigungsministerium in Washington an. Tausende Tote waren zu beklagen. Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte wenige Tage danach im Deutschen Bundestag die „uneingeschränkte Solidarität“ Deutschlands mit den USA. Die NATONorth Atlantic Treaty Organization rief erstmals in ihrer Geschichte den Bündnisfall nach Artikel 5 der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Charta aus. Afghanistan, der zentrale Rückzugsort von Al Kaida, war nicht in der Lage, die Drahtzieher der Anschläge auszuliefern. Der UNUnited Nations-Sicherheitsrat beschloss daher die Entsendung einer International Security Assistance Force (ISAFInternational Security Assistance Force). Sie sollte den Aufbau staatlicher Strukturen in Afghanistan absichern.
Das Land befand sich damals zu großen Teilen unter der Herrschaft der Taliban. Tatsächlich gelang es zunächst, deren Einfluss zurückzudrängen und eine neu eingesetzte Zentralregierung und das Parlament zu unterstützen. Die Bundeswehr war seit Februar 2002 Teil des ISAFInternational Security Assistance Force-Einsatzes, stellte Teile der Multinational Brigade in Kabul und betrieb den Kabul International Airport. Später wurde sie in den Norden verlegt und übernahm die Verantwortung für das Regionalkommando Nord und die dortige Stabilisierungsoperation. Und wieder gab es Veränderungen im Aufgabenbereich der Bundeswehr – bis hin zum Kampfeinsatz.
Ab wann spricht man von Krieg?
Anfänglich waren die Einsätze in Afghanistan – wie zuvor auf dem Balkan – Stabilisierungseinsätze. Es galt, Friedensprozesse abzusichern, staatliche Strukturen aufzubauen und den Aufbau der lebensnotwendigen Infrastruktur zu fördern. In Afghanistan stand dieser Stabilisierungseinsatz aber von Anfang an unter Druck: Die anfangs scheinbar vertriebenen bewaffneten Gruppierungen der Taliban kämpften immer härter gegen die als Eindringling empfundene ISAFInternational Security Assistance Force. Anschläge auf Soldatinnen und Soldaten der ISAFInternational Security Assistance Force häuften sich. Ab 2008 folgten auch im deutschen Verantwortungsbereich Angriffe und Kampfhandlungen mit den ersten gefallenen Soldaten der Bundeswehr. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sprach Ende 2009 als erster von „kriegsähnlichen Zuständen“ in Afghanistan und bezeichnete den Einsatz nach den Gefechten 2010 als „Krieg“. Schwere Waffen wie Panzerhaubitzen und Schützenpanzer wurden nach Afghanistan verlegt.
Die Bundeswehr in einer komplexen Welt
Aktuell beteiligt sich die Bundeswehr unter anderem an den beiden Einsätzen in Mali. Sie hat den Auftrag – gemeinsam mit Soldatinnen und Soldaten aus anderen Staaten –, bei der Stabilisierung der Region vor allem durch die Ausbildung malischer Streitkräfte zu unterstützen.
Doch das ist nicht alles: Deutsche Soldaten und Soldatinnen leisten in verschiedenen Einsätzen Dienst von der Westsahara über das Horn von Afrika bis nach Zentralasien. Die Armee im Einsatz ist heute Realität. Die Weltordnung ist seit dem Ende des Ost-West-Konflikts komplexer geworden. International agierende Terrorgruppen, regionale Warlords, aber auch der internationale Waffen- und Rauschgifthandel gefährden die Sicherheit und Stabilität vieler Regionen der Welt. Im Gegensatz zu regionalen Konflikten wie auf dem Balkan sind Konflikte heute aber oftmals grenzüberschreitend und beziehen viele Akteure ein. Dies wird von der Bundeswehr auch in Zukunft ein hohes Maß an Flexibilität und Einsatzbereitschaft fordern.