Umweltschutz in der Bundeswehr: Fast so alt wie die Truppe selbst
Umweltschutz in der Bundeswehr: Fast so alt wie die Truppe selbst
- Datum:
- Ort:
- Bonn
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Umweltschutz geht alle an. Auch die Bundeswehr. Aber wie passen Bundeswehr und Umweltschutz überhaupt zusammen? In ihrer 65-jährigen Geschichte hat sich die Bundeswehr frühzeitig diesem Thema gestellt und immer mehr umweltbewusste Verantwortung übernommen.
45 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes beschloss der Deutsche Bundestag 1994 die Aufnahme des Umweltschutzes als Staatsziel in die Verfassung. Die Bundeswehr hat aber bereits vor 50 Jahren den Umweltschutz in ihr Aufgaben-Portfolio aufgenommen.
Auftrag sichern – Umwelt schützen
Die Auftragserfüllung und der Umweltschutz als ausgewiesenes Staatsziel sind gleichermaßen integraler Bestandteil aller Planungen und Handlungen der Bundeswehr. Diese sieht sich als staatliche Organisation in der besonderen Pflicht, das Umweltrecht und die umweltpolitischen Vorgaben der Bundesregierung zu erfüllen.
Umweltschutz dient dabei nicht nur dem Erhalt und Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, sondern auch dem Schutz der Soldatinnen und Soldaten und dem Erhalt der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte. Die Erfüllung des Verteidigungsauftrags der Bundeswehr unter gleichzeitiger Berücksichtigung und Einhaltung der umweltschutzspezifischen gesetzlichen Vorgaben in Deutschland ist eine besondere Herausforderung.
Umweltschutz seit 1970
Erneuerbare Energien, lärmschützende Schießhallen, Fauna-Flora-Habitat (FFH)- und Vogelschutzgebiete oder Insektenhotels – daran dachte die Bundeswehr 1970 noch gar nicht: Aber es war das Geburtsjahr des Umweltschutzes in der Bundeswehr. Mit dem ersten Umweltschutzbeauftragten der Bundeswehr begann der Aufbau einer Umweltschutzorganisation innerhalb der Bundeswehrverwaltung. In den damaligen Standortverwaltungen (StOV) begannen Umweltschutzsachbearbeiter bundesweit mit ihrer neuen Tätigkeit.
Mit den 1978 aufgestellten „Richtlinien zur Durchführung des Bundesnaturschutzgesetzes in den Liegenschaften der Bundeswehr“ wurden wegweisend die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege berücksichtigt. „1985 wurde erstmalig die Ausstellung Bundeswehr und Umweltschutz gezeigt“, recherchierte die Technische Regierungsoberamtsrätin Catrin Losch, Sachbearbeiterin Umweltschutz im Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBwBundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr).
Seit 35 Jahren ist diese Ausstellung inzwischen ein Hingucker auf vielen großen Messen und präsentiert die Leistung der Bundeswehr im Bereich des Umweltschutzes. Die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel besuchte 1997 in Leipzig den Infostand und informierte sich über das Altlastenprogramm der Bundeswehr.
Umweltschutz seit 1990 auch im Osten
Die deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 war auch aus umweltpolitischer Sicht ein entscheidendes Datum. Seit der Übernahme von rund 2.300 Liegenschaften der Nationalen Volksarmee (NVANationale Volksarmee) durch die Bundeswehr wurden jährlich 50 Millionen Euro in Umweltschutzmaßnahmen in Ostdeutschland investiert. Bis Mitte 1996 wurden zudem 1.400 Heizungsanlagen gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz saniert, neu installiert oder auf andere Brennstoffe umgestellt.
Die systematische Befassung mit Kontaminationen auf Liegenschaften der Bundeswehr begann in Deutschland bereits im Jahr 1989. Schon 1991, kurz nach der Wiedervereinigung, wurde auch das Altlastenprogramm Ost der Bundeswehr ins Leben gerufen, sodass bis Ende 1994 auf Liegenschaften der Bundeswehr in den neuen Bundesländern bereits 48.000 Tonnen umweltbelastender Gefahrstoffe fachgerecht entsorgt werden konnten.
Wenngleich zu Beginn die Beseitigung akuter Gefahren für Leib und Leben für die Soldaten durch Sofortmaßnahmen im Fokus stand, entwickelte sich das Programm vor dem Hintergrund neuer gesetzlicher Regelungen zum Schutz von Boden und Gewässer bis heute zu einem umfassenden Kontaminationsbearbeitungsprogram auf allen von der Bundeswehr genutzten Liegenschaften.
30 Jahre Umweltschutzausbildung in Sonthofen
Mit dem Jahr 1990 startete auch eine strukturierte Umweltschutzausbildung in den Streitkräften. Die ABCAtomar, Biologisch, Chemisch- und Selbstschutzschule des Heeres in Sonthofen nahm den Bildungsbetrieb auf.
Seit 30 Jahren bildet die Bundeswehr eigenständig militärisches Umweltschutzfachpersonal aus. Neben heute mehr als 400 zivilen Umweltschutzexperten aus über zehn Fachgebieten gibt es über 600 militärische Bundeswehrangehörige, die als Umweltschutzberater, -bearbeiter oder Umweltschutztechniker ihren Dienst in den Streitkräften versehen. Gemeinsam ermöglichen sie die Durchführung des Auftrages der Bundeswehr unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben im Umweltschutz.
Photovoltaik und Geothermie
Auch das Thema erneuerbare Energien ist bei der Bundeswehr ganz oben gelistet. Zahlreiche Photovoltaik-Anlagen sind in den letzten Jahren errichtet worden, eine der ersten auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz in Sachsen. In der Sachsen-Anhalt-Kaserne in Weißenfels wurde 2010 die erste Geothermie-Anlage der Bundeswehr in Betrieb genommen. Bundesweit war sie die zweite Energie-Erzeugungsanlage (Wärmepumpen-Anlage) der Bundeswehr, die auf die Nutzung von Erdwärme setzt.
Ökologisches Netzwerk
„Der Naturschutzgedanke bei der Bundeswehr wurde im Zusammenhang mit den Truppen- und Standortübungsplätzen geboren“, weiß Oberregierungsrat Hanspeter Mußler vom Referat GSGesetzliche Schutzaufgaben II 4 (Naturschutz, Ökologie) des BAIUDBwBundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr. „Die ersten Biotopkartierungen auf Übungsplätzen wurden in den 1980er-Jahren durchgeführt. Beim damaligen Pilotprojekt auf dem Truppenübungsplatz Schwarzenborn wurde ein Benutzungs- und Bodenbedeckungsplan (BB-Plan) erstellt, gewissermaßen der erste militärische Flächennutzungsplan.“
Militärische Nutzung und Naturschutz
Heute besitzt die Bundeswehr ein umfangreiches Regelwerk, um die Ziele zur nachhaltigen Nutzung von Übungsplätzen zu erreichen, in dem nicht nur dem Schutz von Natura-2000-Gebieten eine besondere Bedeutung zukommt. Auf Grundlage von Ländervereinbarungen werden in den sogenannten Vereinbarungsgebieten Managementpläne erstellt. Damit sollen die Lebensräume und die dort vorkommenden geschützten und teilweise vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten erhalten werden.
Knapp zwei Prozent dieser EUEuropäische Union-Schutzgebietsflächen in Deutschland befinden sich auf Bundeswehr-Liegenschaften. Den Einflüssen der militärischen Nutzung auf relativ kleiner Fläche stehen hier großflächige Rückzugsgebiete gegenüber, in denen die Lebensräume für gefährdete Tier- und Pflanzenarten und das Landschaftsbild erhalten und gefördert werden.
„Heutzutage spielt insbesondere der Artenschutz auch in bebauten militärischen Liegenschaften eine wichtige Rolle, nicht nur auf Übungsplätzen“, sagt Mußler. So dürfen bei Neubauten, Ausbau und Rückbau von Gebäuden keine europarechtlich geschützten Arten geschädigt werden. Hierzu zählen viele an Gebäuden lebende Fledermaus- oder Vogelarten, des Weiteren aber auch Insekten wie zum Beispiel Hornissen oder Libellen.
Um ein Zeichen gegen das massive Insektensterben zu setzen, stellte die Bundeswehr in jüngster Zeit Insektenhotels in Kasernen auf. Darüber hinaus werden in der Nähe der aufgestellten Insektenhotels Zierrasen durch gezieltes Pflegemanagement in blütenreichere, insektenfreundlichere Wiesen verwandelt.
Bundeswehr-Umweltschutz heute
Ob die Sicherung wertvoller Biotope und geschützter Arten, die Förderung erneuerbarer Energien oder eine ressourcenschonende Kreislauf- und Abfallwirtschaft: Der Schutz von Umwelt und Klima ist heute in der Bundeswehr eine Selbstverständlichkeit. Integriert ist dieses verfassungsrechtliche Staatsschutzziel in alle Bereiche der Bundeswehr. Mehr als 1.000 militärische und zivile Bundeswehrangehörige unterstützen und beraten zum Beispiel bei der Planung und Durchführung von Übungen, dem umweltgerechten Betrieb von Liegenschaften und Anlagen, der Unterweisung in Fachthemen wie Technischer Umweltschutz, Kreislauf- und Abfallwirtschaft, Naturschutz, Ökologie und Nachhaltigkeit oder Boden- und Gewässerschutz.
Umweltschutz ist keine Option – Umweltschutz ist eine Verpflichtung auch für die Bundeswehr.