1955 bis 1990: Von der Gründung der Bundeswehr mitten im Kalten Krieg

Der Kalte Krieg der 1950er-Jahre wurde zum Wegbereiter, die junge Bundesrepublik wieder zu bewaffnen und somit die Bundeswehr zu gründen. Der Eiserne Vorhang durch Europa, an dem die deutschen Streitkräfte als Teil der NATO standen, bröckelte erst Mitte der 1980er-Jahre.

Panzer in einer Reihe

Bundeswehr zwischen großer Politik und Gesellschaft

Bis es so weit war, mussten sich aber nicht nur die neu aufgestellten Streitkräfte in ihre Rolle in der NATO, sondern auch in ihren Platz in der Gesellschaft einfinden. Ein Prozess – auch für die junge Republik – zwischen Neuerungen, Debatten, Krisen und Hoffnungsschimmern.

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  • Theodor Blank am Rednerpult
    November 1955

    Offizieller Gründungstag: Die ersten Freiwilligen werden vereidigt

    Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Mai 1945 war die Gründung einer Bundeswehr noch in weiter Ferne. Die Alliierten Frankreich, Großbritannien und USA im Westen sowie die UdSSRUnion der Sozialistischen Sowjetrepubliken im Osten leiteten die Entwaffnung ein: Militärische Einheiten wurden aufgelöst, Waffen zerstört oder weggeschafft und Rüstungsbetriebe demontiert. Bis 1947 entstanden 16 Länder, jedoch noch keine zentrale Vertretung Deutschlands. Stattdessen begünstigte der beginnende Kalte Krieg die Staatsgründung der Bundesrepublik Deutschland sowie der DDR und warf auf beiden Seiten die Frage nach der Wiederbewaffnung auf.

    Anlässlich des Koreakrieges wurden mit der Himmeroder Denkschrift erste Grundsätze für einen bundesdeutschen Beitrag zu einer europäischen Sicherheitsarchitektur definiert. Dies beinhaltete unter anderem, militärische Verbände als Teil europäischer Streitkräfte unter einem gemeinsamen Kommando, der EVG (Europäische Verteidigungsgemeinschaft), aufzustellen.

    • Adenauer und Blank gehen gemeinsam die Formation ab.

      Bundeskanzler Konrad Adenauer (M.) schreitet mit Verteidigungsminister Theodor Blank (l.) beim Besuch der neu aufgestellten Bundeswehr in Andernach die Formation ab

      Bundeswehr/Munker
    • General Heusinger und Theodor Blank stehen nebeneinander

      Theodor Blank (r.) war der erste Verteidigungsminister der Bundeswehr. Hier mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Adolf Heusinger.

      Bundeswehr/Baumann
    • Panzer vom Typ M-47 in der Kaserne

      Bei ihrer Gründung wurde die Bundeswehr mit Gerät aus den USA ausgerüstet. So etwa mit dem Panzer vom Typ M-47.

      Bundeswehr/Munker

    Der spätere Verteidigungsminister Theodor Blank verhandelte anschließend im Geheimen mit den Alliierten, die Bundesrepublik mit Streitkräften auszustatten.

    Am 6. Mai 1955 wurden gemeinsam mit Großbritannien, Frankreich und den Benelux-Staaten die Pariser Verträgen verhandelt und es kam zur Gründung der Westeuropäischen Union. Anschließend trat Westdeutschland auch der NATO bei.

    Am 12. November, zum 200. Geburtstag des preußischen Heeresreformers, Generalleutnant Gerhard Johann David von Scharnhorst, kam es dann zur Vereidigung der ersten 101 Soldaten der Bundeswehr – die Gründung der Bundeswehr war besiegelt.

  • Soldaten marschieren in Formation in einer Kaserne
    Juli 1956

    Einführung der Wehrpflicht

    Die Einführung der Wehrpflicht war politisch hochumstritten. Während die CDUChristlich Demokratische Union/CSUChristlich-Soziale Union von der Notwendigkeit einer Heeresstärke von 500.000 überzeugt war, um den Anforderungen der NATO zu genügen, was aber nur in Verbindung einer allgemeinen Wehrpflicht möglich gewesen wäre, hielt die SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands eine so große Zahl für nicht erforderlich. Sie befürchtete eine Zementierung der deutschen Teilung und plädierte daher für eine Freiwilligenarmee. Auch außerparlamentarisch gab es Widerstand gegen eine Wehrpflicht, so von Gewerkschaften und Kirchen.

    Dennoch kam es am 7. Juli 1956 zur Verabschiedung des Wehrpflichtgesetzes durch den Bundestag, mit 269 Stimmen dafür, 166 dagegen und 20 Enthaltungen. Das Grundgesetz umfasste fortan Regelungen rund um die Streitkräfte, den Wehrdienst und Passagen zum gesonderten Rechtsstatus der Soldaten. Vom 21. Juli 1956 an trat die allgemeine Wehrpflicht für Männer im Alter zwischen 18 und 45 Jahren ein.

    Junge Männer tragen ihre Bekleidung

    Die ersten Wehrpflichtigen treten ihren Dienst an

    Bundeswehr


    Am 1. April 1957 wurden in der Bundesrepublik (sowie 1962 in der DDR) die ersten Wehrpflichtigen für die Dauer von zwölf Monaten einberufen. Zwischen 1962 und 1972, in der Hochphase des Kalten Krieges, wuchs diese Verpflichtung zwischenzeitlich auf 18 Monate, die dann bis 2010 schrittweise auf sechs Monate verringert wurde.

  • Helmuth von Grolman an seinem Schreibtisch
    April 1957

    Das Wehrbeauftragten-Gesetz wird verabschiedet

    Der schwedische Militie-Ombudsman diente als Vorbild, um einen Wehrbeauftragten als Hilfsorgan des Bundestages einzuführen, der dabei helfen soll, die parlamentarische Kontrolle über die Bundeswehr zu wahren. Dies wurde am 6. März 1956 in Artikel 45b des Grundgesetzes mit der neuen Wehrverfassung verankert. Die Verfassungsnovelle trat am 19. März 1956 in Kraft. Der erste Wehrbeauftragte, Helmuth von Grolman, wurde am 19. Februar 1959 gewählt.

    Mehr auf den Seiten des Deutschen Bundestags

  • Segelschulschiff Gorch Fock auf dem Wasser
    November 1958

    Indienststellung der „Gorch Fock“

    Die „Gorch Fock“ war von Anfang an als Segelschulschiff für angehende Offiziere und Unteroffiziere der Marine vorgesehen, in der das klassische Seefahrerhandwerk vermittelt wird.

    Segelschulschiff Gorch Fock auf dem Wasser

    Die „Gorch Fock“ bei einer Rückkehr nach Kiel in die Strander Bucht

    Bundeswehr/Daniel Mitrenga


    Dabei geht der Name zurück auf das Pseudonym des Autors von „Seefahrt ist not!“, einem 1913 erschienen Heimatroman, der im Fischermilieu des Hamburger Stadtteils Finkenwerder spielt.

    Als Botschafterin der Bundesrepublik im Ausland und in der Bevölkerung populär, war das Schiff zwischenzeitlich auch auf den alten Zehnmarkscheinen abgebildet.

    Infografik zeigt technische Details zum Segelschulschiff Gorch Fock

    Das Segelschulschiff „Gorch Fock”: Daten und Fakten

    Bundeswehr
  • oldaten und Einheimischen stehen vor ungeöffneten Kisten
    März 1960

    1. Auslandseinsatz: Beginn Erdbebenhilfe Agadir

    Der erste humanitäre Auslandseinsatz der Bundeswehr führte sie in die südmarokkanische Küstenstadt Agadir. In der Nacht zum 1. März 1960 erlebte das erst wenige Jahre in die Unabhängigkeit entlassene Königreich Marokko die schwerste Naturkatastrophe seiner Geschichte. Etwa 15.000 Einwohner und Touristen kamen in den Trümmern des Erdbebens ums Leben, 12.000 Verletzte und tausende Obdachlose waren zu beklagen.

    Soldaten stehen in einem Feldlazarett

    Feierliche Übergabe des HVPlHauptverbandsplatz an Marokko gegen Ende des Einsatzes

    Bundeswehr


    Das verheerende Erdbeben rief auch in Deutschland große Anteilnahme hervor. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß entschied unmittelbar nach Bekanntwerden der Meldung, die damals kaum vier Jahre alte Bundeswehr an den internationalen Hilfsaktionen in Marokko zu beteiligen.

    Aufgrund der damaligen politischen Rahmenbedingungen hielt man es zunächst für ratsam, diesen nach dem Zweiten Weltkrieg ersten Einsatz deutscher Soldaten im Ausland noch offiziell als „Übung“ laufen zu lassen.

    Infografik zeigt den Transportweg und Fakten zu den Hilfsgütern

    Der 1. Auslandseinsatz: Daten und Fakten

    Bundeswehr


    Bereits am Abend des 1. März wurde das Sanitätsbataillon 5 in Koblenz in Alarmbereitschaft versetzt. Vom Flughafen Köln-Wahn startete schon am nächsten Morgen die erste Bundeswehrmaschine vom französischen Typ Noratlas in Richtung Agadir.

    Als Kommandeur und Einsatzleiter fungierte der kriegsgediente Oberfeldarzt Dr. Carl Merkle, der den Auftrag hatte, unweit der Unglücksstelle einen Hauptverbandsplatz zur Versorgung Schwerverletzter einzurichten.

    Gruppenfoto von dem gesamten Personal des Feldlazaretts

    Personal des Feldlazaretts

    Bundeswehr


    Während ihres fünfwöchigen Engagements in Agadir führten die Bundeswehr-Ärzte mit ihrem Sanitätspersonal mehr als 80 Operationen durch und behandelten etwa 100 Personen stationär.

    Obwohl die Hilfsaktion „personell improvisiert“ gewesen sei, konnte sie laut Dr. Merkle „als voller Erfolg“ gewertet werden. Gelobt wurde allseits das „deutsche Organisationstalent“. Auch habe man überall große Dankbarkeit und eine „ausgesprochene Deutschfreundlichkeit“ erlebt. Dies bot der noch jungen Bundesrepublik die Möglichkeit, außenpolitisch im Zusammenspiel mit anderen Nationen aktiv zu werden und sich so auf internationaler Bühne erstmals als humanitäre Macht zu präsentieren.

  • Hubschrauber fliegt über das Hochwassergebiet
    Februar 1962

    Beginn Sturmfluteinsatz Hamburg

    In der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 1962 überschwemmte die schlimmste Sturmflut der Stadtgeschichte Hamburgs nach zahlreichen Deichbrüchen rund ein Sechstel der Hansestadt. 315 Menschen starben in den Fluten, 20.000 mussten die überschwemmten Gebiete für längere Zeit verlassen, einige Hundert verloren ihre Wohnung für immer. Auch die Sachschäden waren enorm. Viele Wohn- und Gewerbegebäude, Schulen, Versorgungsleitungen und Straßen wurden stark beschädigt oder zerstört.

    Junge Männer tragen Schutt zum Anhänger

    Bei der groß angelegten Rettungsaktion arbeiteten Soldaten und Ortsansässige Hand in Hand

    Bundeswehr/Strack


    Am frühen Morgen begann eine groß angelegte Rettungsaktion. Polizei-Senator Helmut Schmidt, der spätere Bundeskanzler, setzte sich dabei über bestehende Kompetenzen und Vorschriften hinweg, um den Wettlauf gegen die Zeit zu gewinnen. Er forderte aus dem In- und Ausland militärische und zivile Hilfe an, koordinierte Hilfsaktionen zu Wasser und Hubschrauber-Einsätze. Rund 20.000 Hilfskräfte waren dabei im Einsatz.

    Soldaten bauen mit Sandsäcken und Holzstämmen einen Damm.

    Die Bundeswehr unterstützte beim Deichbau

    Bundeswehr


    Die Beteiligung der Bundeswehr an der Hilfsaktion war dort nicht nur ein Novum, sondern zum damaligen Zeitpunkt auch verfassungswidrig: Denn laut Grundgesetz durfte das Militär keine Aufgaben im Inneren übernehmen. Um die Rettungsaktionen voranzutreiben, setzte sich Schmidt aber bewusst über die geltende Gesetzeslage hinweg. „Es war ein übergesetzlicher Notstand„, sagte er später.

  • Starfighter auf der Startbahn
    Juni 1962

    Flugunfall Nörvenich, Beginn Starfighter-Krise

    Auf der Suche nach einem geeigneten Kampfflugzeug für die Luftwaffe standen 1957 mehrere Typen zur Auswahl. Obwohl einige Experten vom Kauf abrieten, sprachen sich Generalleutnant Josef Kammhuber und der Jagdflieger Walter Krupinski, der Testflüge durchgeführt hatte, für den Starfighter-Jet der amerikanischen Firma Lockheed aus. Daraufhin bestellte Verteidigungsminister Franz Josef Strauß die Modelle. Die amerikanische Version des Starfighters wurde dabei den bundesdeutschen Anforderungen angepasst, wodurch sich der Flugzeugtyp grundlegend änderte. Die ersten Starfighter stellte die Bundesluftwaffe im Jahr 1960 in Dienst. In den folgenden Jahren traten allerdings immer wieder technische Probleme auf.

    Techniker arbeiten an einem Jagdbomber F-104 Starfighter.

    Techniker arbeiten an einem Jagdbomber F-104 Starfighter

    Bundeswehr/Storz


    Zunächst kam es am 19. Juni 1962 zu einem Zwischenfall, als beim Absturz einer Starfighter-Formation der Luftwaffe östlich des Fliegerhorstes Nörvenich alle vier Luftfahrzeugführer verunglückten. Später stürzten allein im Jahr 1965 26 Flugzeuge ab, wobei 15 Piloten ums Leben kamen. Diese Vorfälle lösten die Starfighter-Affäre aus. Dabei wurde einerseits hinterfragt, warum die Bundeswehr entgegen dem Rat von Experten ein offensichtlich unausgereiftes Flugzeug in großen Stückzahlen bestellt hatte. Zum anderen stellte sich die Frage, ob bei der Beschaffung Korruption im Spiel war.

    Am 12. Januar 1966 berichtete der Inspekteur der Luftwaffe, Werner Panitzki, vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestages von den Abstürzen. Daraufhin wurde eine Untersuchung bezüglich der Sicherheit des Flugzeugtyps eingeleitet. Die Bevölkerung protestierte gegen den weiteren Einsatz des Starfighters. Die Presse nannte das Flugzeug „Witwenmacher“ und „fliegender Sarg“. Schlussendlich konnte Strauß aber keine Vorteilsnahme nachgewiesen werden.

  • Transall fliegt über ein Gebirge
    Februar 1975

    Transall-Absturz Kreta

    Am Nachmittag des 9. Februar 1975 verunglückte im Anflug auf die griechische Mittelmeerinsel Kreta eine Transall C-160 der Bundesluftwaffe. In dichtem Schneetreiben verloren alle 42 Insassen des Transportflugzeugs ihr Leben. Unter den Opfern befanden sich 35 Angehörige der 1. Staffel des Flugabwehrraketenbataillons 39 aus Süderbrarup, die auf der NATO-Missile-Firing-Installation den scharfen Schuss üben sollten. Noch bis an die Südwestspitze der Mittelmeerinsel war der Flug planmäßig verlaufen. Um 14.22 Uhr erreichte ein letzter Funkspruch die Anflugkontrolle des Flughafens. Danach riss der Funkverkehr für immer ab. Die Maschine war in einen vereisten Hang des nordwestlichen Gebirgsmassivs Lefka Ori gestürzt. Auf dem 1967 errichteten Schießgelände für Flugabwehr östlich der Stadt Chania steht heute ein großer Gedenkstein mit den Namen der Opfer. Der Flugunfall auf Kreta ist bis heute das schwerste Unglück in der Geschichte der Bundesluftwaffe.

  • Minister Georg Leber beglückwünscht die ersten weiblichen Sanitätssoldatinnen
    Januar 1976

    Erste Soldatinnen (Ärztinnen) bei der BW

    Das deutsche Grundgesetz untersagte Frauen den Dienst in der Bundeswehr. Erst im Jahr 1975 wurden sie zum Sanitätsdienst zugelassen. 1991 konnten Frauen dann in den Militärmusikdienst eintreten. Die Soldatinnen wurden auch am Dienst an der Waffe ausgebildet, damit sie sich im Ernstfall selbst verteidigen konnten. Der Dienst in der Kampftruppe blieb ihnen aber weiterhin verwehrt.

    Erste Soldatinnen in Uniformen stehen in einer Reihe

    Die ersten Soldatinnen bei der Bundeswehr

    Bundeswehr /Oed


    Das bahnbrechende Urteil, das Frauen alle Laufbahnen und Truppenteile der Bundeswehr zugänglich machte, fällte der Europäische Gerichtshof im Jahr 2000.

    Infografik zeigt ein Säulendiagramm mit den Zahlen der Soldateninnen von 1975 bis 2019

    Frauen bei der Bundeswehr: Entwicklung von 1975 bis 2019

    Bundeswehr


    Frauen bei der Bundeswehr

  • Meenschen mit Plakten auf einer Anti-Atom-Demo
    Dezember 1979

    NATO-Doppelbeschluss

    1976 stationierte die Sowjetunion an 29 vorwiegend westlichen Standorten Mittelstreckenraketen vom Typ RSD-10 Pioner, besser bekannt unter der NATO-Bezeichnung SS-20. Mit einer Reichweite von 600 bis 5.000 Kilometern und drei Atomsprengköpfen pro Rakete stellten sie eine qualitativ neuartige Bedrohung für die NATO-Staaten Westeuropas dar.

    Vor allem Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPDSozialdemokratische Partei Deutschlands) sorgte sich um das strategische Gleichgewicht der Supermächte und warb bei den westlichen Partnern dafür, den SS-20-Raketen etwas entgegenzusetzen. Schmidt ging davon aus, die sowjetischen Mittelstreckenraketen würden im Kriegsfall auch auf deutsche Ziele abgefeuert, wenn ihnen keine gleichwertige Abschreckung von Seiten der NATO entgegengesetzt würde.

    Helmut Schmidt hinter em Mikrofon

    Helmut Schmidt in einer Pressekonferenz

    Bundespresseamt/Wegmann


    Die NATO kündigte am 12. Dezember 1979 die Stationierung eigener atomarer Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper in Europa an, sofern die sowjetischen SS-20-Raketen nicht durch neu aufzunehmende amerikanisch-sowjetische Verhandlungen über Mittelstreckensysteme abgerüstet würden. Dieser sogenannte NATO-Doppelbeschluss, so argumentierten seine Befürworter, beinhaltete eine Nachrüstung als Druckmittel, die durch eine Wiederherstellung des militärischen Gleichgewichts ein Fenster für Diplomatie und die Option zur Abrüstung offenhielt.

    Es dauerte zwei weitere Jahre, bis die USA und die Sowjetunion im November 1981 in Genf über die Reduzierung der Mittelstreckensysteme verhandelten. Die sicherheitspolitischen Debatten jener Zeit wurden begleitet durch die bislang größten Massendemonstrationen in der Geschichte der Bundesrepublik und entwickelten sich zur Friedensbewegung gegen den Rüstungswettlauf, der sich auch kritische Bundeswehr-Soldaten anschlossen. Der Protest gipfelte in zentralen Großveranstaltungen mit Hunderttausenden von Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

    In der Bundesrepublik war der NATO-Doppelbeschluss eine wichtige politische Konfliktlinie. Die sozial-liberale Koalition unter Kanzler Schmidt zerfiel 1982 auch an dieser Frage. Dennoch billigte der Deutsche Bundestag mit der neuen christlich-liberalen Regierungsmehrheit unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDUChristlich Demokratische Union) am 22. November 1983 die Stationierung neuer Pershing II und Cruise Missiles, die in der Folge in der Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Italien und Großbritannien aufgestellt wurden.

    Der Nato-Doppelbeschluss gilt als letzte Phase des Rüstungswettlaufs zwischen den Westmächten unter Führung der USA und dem sogenannten Ostblock unter Führung der Sowjetunion. Am 8. Dezember 1987 unterzeichneten die USA und die UdSSRUnion der Sozialistischen Sowjetrepubliken den INFIntermediate Range Nuclear Forces-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces Treaty). Darin verpflichteten sich beide Seiten, alle atomaren Mittelstreckenwaffen zu vernichten und auf den Bau neuer Raketen zu verzichten.

  • Viele Menschen auf und vor der Mauer
    November 1989

    Mauerfall

    28 Jahre lang trennt die Berliner Mauer eine Stadt, ihre Bürgerinnen und Bürger und zwei deutsche Staaten mit ihren Armeen. Am 9. November 1989 gelingt es den Demonstrierenden, ohne Gewalt scheinbar unumstößliches Unrecht zu überwinden. Der Fall des Eisernen Vorhangs besiegelt das Ende der DDR, ermöglicht die Wiedervereinigung Deutschlands und das Ende des Kalten Krieges. Für die Bundeswehr bedeutet dieses Ereignis, dass sie sich nicht länger für einen zuvor befürchteten Überfall der Sowjetunion wappnen muss.

    eingefärbte Länder auf Europakarte zeigen Verteilung der NATO-Staaten im Jahr 1989

    Europakarte zeigt die Verteilung der NATO-Länder im Jahr 1989

    Bundewehr


    Zum Dossier „Mauerfall”

  • Soldaten stehen nebeneinander beim Gelöbnis
    Oktober 1990

    Auflösung NVANationale Volksarmee, „Armee der Einheit“

    Mit der Wiedervereinigung der BRD und DDR folgte am 3. Oktober 1990 die Auflösung der Nationalen Volksarmee (NVANationale Volksarmee) und aller übrigen bewaffneten Organisationen der DDR. Dies brachte zahlreiche Herausforderungen mit sich, denn ein Teil der NVANationale Volksarmee war nun in die Bundeswehr zu integrieren. Erschwert wurde dies durch den Zwei-plus-vier-Vertrag zur deutschen Einheit von 1990. Er sah die Abrüstung der Bundeswehr auf 370.000, von 1994 an auf 340.000 Soldaten vor. Dennoch übernahm die Bundeswehr als Armee der Einheit zunächst rund 76.000 Zeit- und Berufssoldaten der NVANationale Volksarmee.

    Zwei Soldaten geben sich die Hände

    Besuch einer NVANationale Volksarmee-Delegation im Verteidigungsministerium in Bonn

    Bundeswehr/Zins


    Eine weitere Herausforderung waren Waffen, Fahrzeuge und das Material der NVANationale Volksarmee. Mehr als 15.000 Großwaffensysteme (Kampf- und Schützenpanzer sowie Flugzeuge) und rund 300.000 Tonnen Munition waren zu entsorgen. Teile der Fahrzeuge nutzte die Bundeswehr kurzfristig, aber die Übernahme dieser Systeme blieb die Ausnahme. Einige NATO-Partner sowie Drittstaaten kauften Patrouillenboote, Kampfhubschrauber oder Schützenpanzer aus den ehemaligen Beständen der NVANationale Volksarmee.

    Besonders herausfordernd war der Aufbau von Bundeswehrdienststellen in den neuen Bundesländern. Im Beitrittsgebiet stellte die Bundeswehr am 3. Oktober 1990 im brandenburgischen Strausberg das Bundeswehrkommando Ost sowie eine Außenstelle des Verteidigungsministeriums auf. Bis zum März 1991 hatten beide als Übergangsdienststellen sämtliche Koordinierungs- und Entscheidungsbefugnisse für die neuen Bundesländer inne.

    Abbau des Grenzturms mit einem Kranfahrzeug

    Abbau eines Grenzturms durch die Bundeswehr

    Bundeswehr/Michael Mandt


    Innerhalb weniger Monate wurden 2.300 Dienststellen der NVANationale Volksarmee aufgelöst und 35 Standorte vollständig geschlossen. Zeitgleich entstand in den neuen Ländern unter anderem die 5. Luftwaffendivision. Sie umfasste alle dort aufzustellenden Verbände dieser Teilstreitkraft. Das Heer stationierte sechs neu aufzustellende Heimatschutzbrigaden sowie zwei Divisionen und Wehrbereichskommandos, außerdem das Korps- und Territorialkommando Ost in Geltow als höchste Dienststelle des Heeres für diese Region. Die Marine übernahm die Standorte Rostock-Warnemünde und Parow. Aus dem Führungspersonal der alten Bundeswehr und den neuen Kameraden aus der NVANationale Volksarmee entstanden neue Dienststellen und Verbände.

    Infografik zeigt Fakten zur NVA

    Die Auflösung der NVANationale Volksarmee war eine Herausforderung.

    Bundeswehr


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