Verpflichtung und Vermächtnis: Der 15. April 2010
Die afghanische Provinz Baghlan am 15. April 2010. Als eine deutsche Patrouille in einen Hinterhalt gerät, kommen vier Soldaten der Bundeswehr ums Leben. Zwei von ihnen sind Angehörige des Gebirgspionierbataillons 8 – und die ersten Gefallenen der Gebirgstruppe der Bundeswehr.
„Vigilia pretium libertatis – Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit“
Der Wald der Erinnerung auf dem Gelände des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam: Hier haben die Ehrenhaine aus inzwischen aufgelösten Feldlagern der Bundeswehr ihren dauerhaften Platz gefunden.
„Vigilia pretium libertatis – Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit“ steht auf einem der Gedenksteine eingraviert. An der Mauer dahinter sind an einer Steinwand kleine Tafeln angebracht. Auf diesen Tafeln des Ehrenhains von Faisabad finden sich die Namen jener Männer, die zwei Wochen nach den Karfreitagsgefechten gefallen sind. Major Jörn Radloff, Oberstabsarzt Thomas Broer, Hauptfeldwebel Marius Dubnicki und Stabsunteroffizier Josef Kronawitter haben am 15. April 2010 ihr Leben gelassen.
Tödlicher Hinterhalt
Radloff, Dubnicki und Kronawitter geraten etwa 100 Kilometer vom Feldlager Kundus entfernt auf einer Patrouille, die sie während der Operation Taohid in der Provinz Baghlan durchführen, in einen Hinterhalt. Als sie zur Kontrolle einer Brücke ihr Gefechtsfahrzeug des Typs Eagle IV verlassen müssen, werden sie durch eine Sprengfalle tödlich verwundet. Broer fällt kurze Zeit später bei dem Versuch, den Verwundeten medizinisch zu helfen. Sein Sanitätsfahrzeug Yak wird von einem Panzerabwehrgeschoss der Aufständischen getroffen.
Die Nachricht ihres Todes verursacht fassungsloses Leid bei den Angehörigen. Sie versetzt die Kameraden, die sich im Einsatz oder in der Heimat befinden, in tiefe Trauer. Und sie schockt erneut die Bundesrepublik Deutschland, die nur wenige Tage zuvor die Ereignisse des Karfreitagsgefechts zu verkraften hatte.
Große Anteilnahme
Zur zentralen Trauerfeier im Ingolstädter Münster erscheinen am 24. April 2010 weit über tausend Menschen, die Anteil nehmen und Trost spenden wollen. Neben der Bundeskanzlerin, dem Außenminister und den Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg nimmt auch der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg an der Trauerfeier teil. Zu Guttenberg bittet die Hinterbliebenen um Verzeihung, betont jedoch auch, die Gefallenen seien in der Gewissheit gestorben, „unserer Gesellschaft einen Schutz zu geben, dessen Bedarf wir erst zögerlich wahrzunehmen beginnen“.
Erinnern als Tradition
Dubnicki und Kronawitter waren die ersten Gefallenen der Gebirgstruppe der Bundeswehr – und sie gehören bis heute zur Erinnerungskultur im Gebirgspionierbataillon 8.
Die zehnte Gedenkveranstaltung für Dubnicki und Kronawitter fand am 12. November 2020 statt: Am Volkstrauertag, dem Tag des Gedenkens an alle Kriegstoten, erinnerten sich die Gebirgspioniere gemeinsam mit dem Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23 ihrer beiden Gefallenen. Auch Dr. Peter Tauber, ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung, war zur Veranstaltung eingeladen.
Unter den Anwesenden der Gedenkveranstaltung am 12. November 2020 waren viele Soldatinnen und Soldaten, die als Veteranen der ISAFInternational Security Assistance Force (International Security Assistance Force) selbst in den Feldlagern von Faisabad und Kundus oder am Beobachtungspunkt OP North (Observation Post North) stationiert waren. Sie standen in einer Reihe mit jenen Kameraden, deren bislang letzter Einsatz entweder gerade zu Ende ging oder deren nächster unmittelbar bevorstand. Schließlich hat die Gebirgsjägerbrigade 23 und mit ihr auch das Gebirgspionierbataillon 8 bis 2024 die Einsatzverpflichtung für die beiden Missionen in Mali inne. Auch hier leisten die Männer und Frauen der Bundeswehr ihr Bestes, um in einem von Krisen geschüttelten Land ein Mindestmaß an Stabilität zu schaffen.
Das Gedenken an Hauptfeldwebel Marius Dubnicki und Stabsunteroffizier Josef Kronawitter gehört im Gebirgspionierbataillon 8 zur Tradition. Jeder Soldat und jede Soldatin, der oder die in der Pionierkaserne auf der Schanz Dienst leistet, weiß um die Bedeutung des dort zentral aufgestellten Gedenksteines, auf dem – ähnlich dem Stein im Wald der Erinnerung – die Namen jener zwei Kameraden angebracht sind, die in Afghanistan ihr Leben ließen.