Zwischenstand: Die Bundeswehr im Hochwasser-Katastropheneinsatz 2021
Zwischenstand: Die Bundeswehr im Hochwasser-Katastropheneinsatz 2021
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 4 MIN
Zeit für eine Zwischenbilanz: Sintflutartige Regenfälle verwandelten vor rund einem Monat in vielen Bundesländern sonst ruhig dahinfließende Flüsse und Bäche in reißende Ströme. Ganze Ortschaften wurden überflutet, selbst Häuser einfach weggerissen. Seit Juli ist die Bundeswehr im Dauereinsatz in den Krisengebieten – am Boden und in der Luft.
Bilder der Zerstörung dominieren seit der verheerenden Unwetterperiode im Juli in den Medien. Auf Luftaufnahmen war zu sehen, wie ganze Gemeinden versanken und Häuser sogar über mehrere Stockwerke von einem braunen Gemisch aus Schlamm und Wasser getroffen wurden. Autos, Bäume und ganze Häuser schwammen wie Spielzeug auf den Wassermassen. Mancherorts machten sie Brücken, Straßen, Bahngleise und ganze Ortsteile dem Erdboden gleich.
Mit ihrer Intensivität haben sich die Bilder der jüngsten Hochwasserkatastrophe in das kollektive Gedächtnis der deutschen Bevölkerung eingebrannt.
Neben unzähligen, vergleichsweise jedoch geringen Schäden in den Bundesländern Baden-Württemberg, Hessen, Saarland, Sachsen und Thüringen traf es viele Ortschaften in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz besonders schwer.
Gemessen an der Zahl der Opfer ist dieses Sommer-Hochwasser bisher die größte Naturkatastrophe, die Deutschland seit der Sturmflut 1962 heimgesucht hat. Allein in Rheinland-Pfalz starben mehr als 140 Menschen (Stand: 6. August 2021), etwa zehn werden noch vermisst. Die Chancen, sie lebend zu finden, gehen mittlerweile gegen null. In Nordrhein-Westfalen forderte das Unwetter wohl insgesamt 47 Menschenleben. Vermisst wird derzeit niemand mehr.
Bundeswehr: Tausende helfende Hände im Fluteinsatz
Schnell war abzusehen, dass die Kapazitäten der Kommunen und Länder unter diesen besonders schweren Rahmenbedingungen nicht ausreichen würden, um den vielfältigen Herausforderungen begegnen zu können. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer rief daher schnell den militärischen Krisenalarm aus. Noch bevor die Wasserfluten wieder sanken, begann für die ersten Einheiten der Bundeswehr der Amtshilfe-Einsatz in den Krisenregionen.
Bundeswehr-Helikopter starteten von mehreren Standorten aus, um Familien von den Dächern ihrer überfluteten Häuser zu evakuieren. Überrascht von den Ausmaßen der Flut, konnten diese in den meisten Fällen nur ihr Leben und die Kleidung, die sie am Körper trugen, retten. Wo es der Pegelstand ermöglichte, fuhren Bundeswehrfahrzeuge in die betroffenen Ortschaften und unterstützten die Evakuierung der Bevölkerung auch am Boden.
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Mit dem schrittweisen Rückgang des Wassers zeichnete sich vielerorts erst der ganze Umfang der Katastrophe ab: das Hab und Gut der Menschen weggeschwemmt oder zertrümmert, durchnässt und mit einer dicken Schlammschicht überzogen. Manchmal waren Häuser auch komplett verschwunden.
Um die Orte wieder bewohnbar zu machen, müssen die überfluteten Gebäude zum Trocknen komplett geräumt werden. Da große Maschinen hierfür nicht eingesetzt werden können, unterstützt der Großteil der bis zu 2.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in den Gemeinden bei dieser schweißtreibenden Arbeit. Allein mit Muskelkraft und mit Eimer, Schaufel und Besen bewaffnet, türmen sie vor den Häusern große Schutt-, Schlamm- und Sperrmüllberge auf.
Anschließend werden diese auch von Baumaschinen und Pionierpanzern der Bundeswehr von den Straßen geräumt und, auf Kipplastern der Streitkräfte verladen, zu den riesigen Trümmerhalden transportiert.
Infrastruktur: Bundeswehr ermöglicht Wiederaufbau
Was für einzelne Gebäude im Kleinen gilt, trifft auch im Großen auf die Infrastruktur der betroffenen Ortschaften zu. Gebäude- und Möbeltrümmer, entwurzelte Bäume, defekte Autos und Schlamm blockierten lange die Straßen. Nicht wenige Dörfer waren anfangs von der Außenwelt komplett abgeschnitten, da Brücken und Zufahrtstraßen nicht mehr existierten oder versperrt waren.
Kräne, Pionier- und Bergepanzer der Bundeswehr räumten die Straßen und Flussbette frei, um zum einen die Versorgung der betroffenen Gebiete wieder zu ermöglichen und zum anderen, um weitere Schäden an der stark angeschlagenen Infrastruktur zu verhindern. Pioniere schlossen mit Brückenlegepanzern und Spezialgerät zum schnellen Brückenbau die vormals abgeschnittenen Gemeinden wieder an die überlebenswichtigen Versorgungswege an.
Zuvor mussten die von den Einwohnenden dringend benötigten Versorgungsgüter – wie Wasser, Lebensmittel, Kleidung und Benzin – unter anderem mit zehn Transporthubschraubern der Bundeswehr eingeflogen werden. Aus der Luft konnten Helikopter auch einen Damm errichten, der einen Fluss wieder zurück in sein altes Flussbett lenkte.
Aufklärungsflugzeuge der Luftwaffe versorgten die Lagezentren am Boden mit dringend benötigten Luftaufnahmen. So war es möglich, einen Vergleich zum Ursprungszustand zu ziehen und die verfügbaren Kräfte zielgerichtet einzusetzen. Mit der Überschwemmung brachen in den meisten Gemeinden die Energie-, Wasser- und Kommunikationsnetze sowie das medizinische Versorgungsnetzwerk zusammen.
Um zumindest eine gewisse Grundversorgung in diesen Bereichen zu schaffen, setzte die Bundeswehr spezialisierte Einheiten und das benötigte Equipment ein – wie Krankenkraftwagen, Stromerzeugeraggregate, eine Trinkwasseraufbereitungsanlage und vier Feldküchen.
Auch wenn in den meisten Einsatzräumen mittlerweile eine gewisse Routine eingetreten ist und auch viele Bundeswehr-Einheiten aus den Hochwassergebieten abgezogen wurden, ist ein Ende des Hochwassereinsatzes noch nicht in Sicht.
Wann beispielsweise die Aufräum- und Bergearbeiten im nordrhein-westfälische Erftstadt beginnen können, ist aufgrund des instabilen Bodens fraglich. Dort war ein Wohnviertel in eine Kiesgrube abgerutscht. Sollte sie ein entsprechendes Gesuch erreichen, wird die Bundeswehr sicherlich wieder vor Ort sein. Denn sie hilft dort, wo sie gebraucht wird. So lange wie es nötig ist.