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Ukrainische Offensive: „Meter für Meter, Mine für Mine“

Ukrainische Offensive: „Meter für Meter, Mine für Mine“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

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Seit Juni läuft die ukrainische Gegenoffensive. Ein erster Einbruch in die russischen Verteidigungslinien ist gelungen. Doch der Raumgewinn scheint gering. Generalmajor Dr. Christian Freuding, Leiter des Sonderstabes Ukraine, erklärt die aktuelle Lage, was deutsche Waffensysteme bewirken und wie sich der Krieg nach Sommerende entwickeln wird.

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Generalmajor Christian Freuding, u. a. Leiter des Sonderstabes Ukraine im Verteidigungsministerium, diskutiert mit „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Hauptmann Beate Schöne, die aktuellen Entwicklung im Kampf der Ukraine gegen die russischen Invasoren.

Man kann sie fast mit den Händen greifen. Eine ungeheure Entschlossenheit, diesen Krieg zu gewinnen“. So schildert Freuding, Leiter des Planungs- und Führungsstabes sowie Leiter des Sonderstabes Ukraine im Verteidigungsministerium, seine Eindrücke seines Besuches in Kiew wenige Tage zuvor. Dass die Leichtigkeit, die er vor einem Jahr in Kiew gespürt habe, so nicht mehr vorherrsche, gehört jedoch auch zu den Eindrücken, die der General mit Moderatorin, Frau Hauptmann Beate Schöne, teilt. Wieso das so ist und warum das jedoch nicht heißt, dass die Ukraine erfolglos kämpft, erläutert Freuding eingehend an der Lagekarte.

„Nur wer dem Gegner seinen Willen aufzwingt, kann auch den Krieg gewinnen“, so der General. Das gelinge der Ukraine derzeit an dem Großteil der Frontabschnitte. Russland befinde sich zwar im nordöstlichen Oblast Luhansk in der Offensive und hoffe, die dortigen Truppen bald im Süden einsetzen zu können. Denn dort sei es der Ukraine gelungen, die Russen in die Verteidigung zu zwingen und unter Druck zu setzen. 

Vor allem bei der Ortschaft Nowotny, über die in den Medien zuletzt oft berichtet wurde, zeige sich der Erfolg der langanhaltenden und ausdauernden ukrainischen Bemühungen. Hier konnten die ukrainischen Streitkräfte in die erste von bis zu drei Verteidigungslinien der Russen eindringen. „Die Spitzen stehen nun ungefähr zehn Kilometer tief in dem ehemals durch Russland eroberten und besetzten Gebiet“, so Freuding.

Angriff in ungünstigem Gelände

Wieso dieser taktische Erfolg trotz der hohen psychologischen Bedeutung aber noch keine strategische Wende in diesem Krieg bedeutet, erklärt Freuding mit den Herausforderungen vor Ort. Russland habe viel Zeit gehabt, um Verteidigungsstellungen vorzubereiten. Das verminte Gelände biete zudem kaum Schutz für eine gedeckte Annäherung. 

Eine Herausforderung ist auch das Räumen der russischen Minen: „Es muss wortwörtlich per Hand passieren. Meter für Meter, Mine für Mine“, beschreibt der General die Lage der ukrainischen Soldatinnen und Soldaten an der Front. Russland habe dabei vielerorts den Vorteil der Feuerüberlegenheit über die angreifenden Ukrainer. Das sei nicht zuletzt auch eine Frage der verfügbaren Waffensysteme, wie Freuding am Beispiel der Lufthoheit erklärt.

„Das Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine wäre das Ende einer freien Ukraine“

Von Deutschland gelieferte Waffensysteme – der Kampfpanzer Leopard, die Panzerhaubitze 2000 oder das Flugabwehrsystem System Iris-T „mit einer Trefferquote von fast 100 Prozent“ – haben sich auf dem Schlachtfeld in der Ukraine bewährt. Dies macht Freuding an mehreren Beispielen deutlich. Doch das ändere nichts an dem Problem der örtlichen Lufthoheit an der Front. 

Russland habe die Möglichkeit, „seine Bodentruppen in einer ganz anderen Art und Weise zu unterstützen, als dass den Ukrainern mit einer kaum vorhandenen Luftwaffe möglich ist“, betont Freuding. Die von den Niederlanden und Dänemark versprochenen F-16-Kampfflugzeuge seien mehr als eine moralische Unterstützung. Sie könnten „ein wesentlicher Zugewinn in der Luftverteidigungs-Architektur der ukrainischen Streitkräfte“ sein, wenngleich sie nicht die Wunderwaffe sein werden, die den Krieg entscheiden könne, so der General.

Mit Hochdruck arbeitet die Ukraine am Wiederaufbau und der Modernisierung der teilweise zerstörten Rüstungsindustrie, um selbst neue Waffensysteme zu produzieren. Dennoch werde die Unterstützung durch den Westen noch lange wichtig bleiben, so Freuding. Und das nicht nur während des nächsten Winters, für den der General eine interessante Prognose wagt, die keineswegs erwarten lässt, dass die Truppen ihre „Winterquartiere beziehen“.

„Ich glaube, wir werden uns in einigen Monaten, spätestens aber in einem Jahr einiges bei den Ukrainern abschauen können“, ist sich Freuding mit Blick auf die Innovationskraft der ukrainischen Rüstungsindustrie sicher. Bis dahin und auch darüber hinaus werde man die Ukraine weiterhin kraftvoll und entschlossen unterstützen: „As long as it takes“.

von David Zeidler

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