Waldumbau: „Wir müssen Dinge ausprobieren, um zu wissen, wie sie funktionieren.“
Waldumbau: „Wir müssen Dinge ausprobieren, um zu wissen, wie sie funktionieren.“
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- Ort:
- Klietz
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Auch die Wälder auf den Truppenübungsplätzen der Bundeswehr haben unter den Wetterkapriolen der vergangenen Jahre gelitten. Sie müssen klimafest gemacht werden. Der laufende Waldumbau unter dem Eindruck des Klimawandels stellt bei der Bewirtschaftung dieser Areale hohe Anforderungen an Bundeswehr und Bundesforst.
Der Truppenübungsplatz Altengrabow blickt auf eine lange Geschichte zurück. Noch zu Kaisers Zeiten angelegt und bis zum Zweiten Weltkrieg kontinuierlich erweitert, umfasst das Areal heute etwa 9.000 Hektar in Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Jeweils etwa zur Hälfte Heide- und Waldflächen. Bis Anfang der Neunzigerjahre übten hier sowjetische Truppen. Im Anschluss übernahm die Bundeswehr den Platz, auf dem besonders für die Rohrartillerie günstige Übungsvoraussetzungen herrschen. Wenn es um die fachgerechte Bewirtschaftung der Waldflächen in Altengrabow geht, ist der Bundesforstbetrieb Nördliches Sachsen-Anhalt zuständig. Dessen Bereichsleiter Lutz Freytag verfügt nicht nur über forstwissenschaftliches Fachwissen, er ist ebenso mit den spezifischen Anforderungen der Bundeswehr in Wäldern des Truppenübungsplatzes vertraut.
„Wir kümmern uns um optimale Beübbarkeit“
„Wir pflegen diese Kulturlandschaft so, dass sie durch die Bundeswehr auch in Zukunft ohne Beeinträchtigungen genutzt werden kann. Wir kümmern uns um die optimale Beübbarkeit“, sagt Freytag. Aber was ist eigentlich die Rolle der Wälder auf Truppenübungsplätzen? „Ganz wichtig ist der Wald für den Emissionsschutz und zwar besonders, was Lärm angeht.“ Gerade bei Schießübungen mit schweren Waffen reduziere eine gut strukturierte Bewaldung die Lärmemissionen entscheidend, so Freytag. „Anderenfalls dürfte die Truppe nach geltender Rechtslage in vielen Gegenden Deutschlands gar keine Schießübungen durchführen.“ Aber die Wälder dienten auch als Sicht- und Staubschutz sowie als Geschossfang und das sei im Alltag alles andere als trivial.
Für die taktischen Übungsszenare der Bundeswehr sind Wälder zudem Kulisse und schließlich auch als potenzieller Kampfraum bedeutsam. Denn der Waldkampf lässt sich nun einmal nicht auf der grünen Wiese trainieren. Ebenso zieht die Truppe regelmäßig zum
Artenschutz im Flora-Fauna-Habitat-Gebiet
Die Zusammensetzung der Baumarten auf dem Übungsplatz ist nicht einheitlich. Vielerorts dominieren Kiefernforste, die häufig zu DDR-Zeiten für die Holzproduktion angelegt wurden. Aber hier am Südrand des Platzes existiert ein alter, ungefähr 200 Hektar großer Eichenwald. Scheinbar in Gedanken schlendert Freytag ein Stück zwischen den über hundertjährigen Eichen. Dabei entdeckt er einen kniehohen Baumschössling und reißt ihn mit einem Ruck aus dem Waldboden. „Amerikanische Traubenkirsche“, sagt der Forstfachmann. „Ein Neophyt, der sich seit Jahrzehnten bei uns ausbreitet und schwer zu bekämpfen ist.“ Dann weist Freytag auf die Eichen. „Zusammen bildet dieser Bestand seit Anfang der Neunziger ein Flora-Fauna-Habitat-Gebiet. Vor Jahrzehnten nach dem Abzug der Russen gemeldet, registriert und gemäß der europäischen Richtlinie durch ein Verschlechterungsverbot geschützt. Die Bundeswehr sieht sich in der Pflicht.“ Der Altbaumbestand bietet schützenswerten Vogelarten Unterschlupf und Lebensraum. Auch seltene Käfer wie Eremit, Hirschkäfer oder Heldbock sind hier nachgewiesen. Diese streng geschützten Arten brauchen das Totholz der Eichen, das vor Ort nicht entfernt wird. Der Mittfünfziger rupft noch einen Traubenkirschen-Jährling aus dem Boden. „Der Eichenwald macht uns Sorgen.“
Wie vielerorts in Deutschland schwächte die Dürre von 2018 bis 2022 die Bäume auch hier. Schadinsekten rücken zudem nicht nur Fichten zu Leibe, sondern ebenso dem deutschen Nationalbaum. Und das hat Folgen. „Dieser Eichenbestand wurde einst von Menschenhand angelegt. Vielleicht als Hutewald, also eine Art Waldweide für Nutztiere.“ Natürlicherweise würden in der Region – wie in weiten Teilen Mitteleuropas – eigentlich Buchenwälder wachsen, erklärt Freytag. Doch echte Urwälder gibt es in Mitteldeutschland nach über tausend Jahren intensiver Besiedlung kaum noch. Und der Klimawandel stellt die Fachleute von Bundesforst nun vor immer neue Probleme.
Waldumbau steht vor schwierigen Herausforderungen
„Noch vor einigen Jahren schien klar zu sein, mit welchen Baumarten wir in dieser Region den Herausforderungen des Klimawandels begegnen können“, so Freytag. Eiche, Kiefer und Birke im Mix mit Eberesche, Linde und Ahorn. Dazu einige weitere Arten, die gut mit Wärme und Trockenheit klarkommen. „Doch inzwischen wissen wir vor allem eines: Es ist komplizierter.“ Fast alle heimischen Arten tun sich mit langen Trockenphasen schwer. Konsequent wärmeliebende Pflanzen anzusiedeln, sei aber auch kein Allheilmittel, sagt Freytag. „Denn Bäume, die eher trockenes Klima bevorzugen, haben zum Beispiel oft Schwierigkeiten mit Kälte.“ Spätfröste müssten die Pflanzen in Mitteleuropa ebenso wegstecken können wie lange Frostperioden. Resilienzen gegen endemische Pilze und Baumkrankheiten sind ebenfalls erforderlich.
Selbst wenn es irgendwo den optimal ans neue Klima angepassten Wunderbaum gäbe, blieben gewisse Restrisiken, so Freytag. Denn bei der Einführung neuer Arten sei nicht klar, wie diese über Jahrzehnte das heimische Ökosystem beeinflussen würden. Deshalb werde bei Bundesforst nicht einfach in Monokultur angebaut. Die Experten setzen auf Diversifikation, im Klartext: „Wir mischen die Bestände kräftig durch. Und ja, wir müssen Dinge ausprobieren, um zu wissen, wie sie funktionieren.“ Roteichen, Robinien und Douglasien, die eigentlich in Nordamerika beheimatet sind, wurden in Europa schon vor langer Zeit etabliert und bewährten sich als Mischbaumarten. Nun kann eine angemessene Beimischung dazu beitragen, die Waldgesellschaften resilienter gegen den Klimawandel zu machen. Auch die amerikanische Große Küstentanne haben Freytag und seine Kolleginnen und Kollegen in Altengrabow gepflanzt. „Die wächst schnell und bietet dichtes Grün“, erklärt der Bereichsleiter. So werden die Altbestände nach und nach diverser. Trotz enormer Anstrengungen läuft der oft zitierte Waldumbau allerdings langsamer ab, als viele glauben. Selbst die seit 150 Jahren in Deutschland angebaute Douglasie erreichte unter den Baumarten bis heute einen Anteil von zwei Prozent.
Vielseitiges Ökosystem – resilient gegen Schädlinge
Einerseits machen Mischwälder es Schädlingen wie dem Fichtenborkenkäfer schwerer, sich durch die Bestände zu fressen. „Versuche haben gezeigt, dass schon 25 Prozent Laubbäume in einem Kiefernbestand die Gefahr einer Massenvermehrung von Schädlingen deutlich reduzieren“, so Freytag. Andererseits schaffe das Mischen und Durchstufen der Wälder ein vielseitigeres Ökosystem, das in sich resilienter gegen Witterung und sonstige Einflüsse sei, erklärt der Forstfachmann. Ein Schlüsselelement für das Wachstum im Wald ist Licht. Und dort kann der Mensch wirksam mitgestalten. „Altbäume verschatten den Waldboden und lassen kaum junge Bäume hochkommen. Also lichten wir auf, wo es sich anbietet.“
Besonders gut gewachsene Exemplare, sogenannte Zukunftsbäume, werden vorher mit einem grünen Ring markiert und nicht gefällt. Aber um sie herum wird Holz eingeschlagen. Die Lücken in den Baumkronen bieten jungen Bäumchen das nötige Licht, um zu wachsen. Dabei setzen die Forstexperten auf Baumarten, die die lokal dominierenden Bäume gut ergänzen. Die unterschiedlichen Wuchshöhen verbessern übrigens auch den Lärmschutz auf dem Truppenübungsplatz. „Wir haben festgestellt, dass bei einer stärkeren Strukturierung des Waldes mehr Schall geschluckt wird als bei einer gleichmäßigen Wipfelhöhe.“ Die wirtschaftliche Nutzung der Wälder sei bei Bundesforst ein großes Thema, ergänzt Freytag.
Der bloße Verzicht auf Holzeinschlag sei nicht gleichbedeutend mit perfektem Naturschutz. „Als Förster betrachte ich immer den Gesamtbestand eines Waldes, nicht den Einzelbaum. Wir arbeiten jetzt für die kommenden Generationen. Unsere Kinder und Enkel werden mit den Wäldern leben, die wir heute gestalten.“ Dabei versuche er mit seinen Kolleginnen und Kollegen so gut wie möglich zu antizipieren, wie sich die Einflussfaktoren bis dahin entwickeln werden. Auch das Klima.