Bundeswehr und Nachhaltigkeit

Kein Widerspruch: Truppenübungsplätze können Fauna-Flora-Habitate sein

Kein Widerspruch: Truppenübungsplätze können Fauna-Flora-Habitate sein

Datum:
Ort:
Klietz
Lesedauer:
5 MIN

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Viele Truppenübungsplätze der Bundeswehr sind gerade wegen der Art ihrer Nutzung einzigartige Lebensräume – wie die Klietzer Heide, die als „Fauna-Flora-Habitat“ und Vogelschutzgebiet geschützt ist. Bundeswehr und Bundesforst arbeiten gemeinsam daran, dass das so bleibt, und schützen so eine Kulturlandschaft mit seltenen Tier- und Pflanzenarten.

Ein Soldat kniet mit zwei weiteren Personen auf einem Waldboden vor einer Landkarte

Zusammen bei der Arbeit: Der Kommandant des Truppenübungsplatzes Klietz (m.) mit dem Bereichsleiter Ost vom Bundesforst (r.) und dem Leiter Geländebetreuung vom BwDLZBundeswehr-Dienstleistungszentrum. Die Flächen müssen den Anforderungen der Truppe und gesetzlichen Vorgaben genügen.

Bundeswehr/Tom Twardy

„Das wird jetzt gleich etwas holperig“, sagt Lutz Freytag und schaltet einen Gang runter. Sein Ford-Pickup ruckt kurz und rumpelt dann weiter über den staubigen Feldweg, immer am Waldsaum entlang. Überall am Boden sind Äste verstreut – Spuren der gerade laufenden Forstarbeiten. Es ist ein heißer Tag Anfang Mai auf dem Truppenübungsplatz Klietz. Freytag – Anfang 50, schlank, grauer Schopf – arbeitet beim Bundesforst. Dieser Geschäftsbereich der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben betreut deutschlandweit die bewaldeten Liegenschaften des Bundes, darunter auch jene Flächen, die von der Bundeswehr genutzt werden.

Bundesforst wirtschaftet im Auftrag der Bundeswehr

Der Bundesforstbetrieb Nördliches Sachsen-Anhalt bewirtschaftet rund 53.000 Hektar Fläche, zu denen die Truppenübungsplätze Altmark, Klietz und Altengrabow gehören. Als Bereichsleiter Ost ist Freytag mit seinen 43 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Bewirtschaftung von Klietz und Altengrabow mit zusammen rund 20.000 Hektar zuständig. „Diese Aufgabe nehmen wir für die Bundeswehr wahr, die auf den Truppenübungsplätzen die Flächennutzungsrechte ausübt“, erklärt er. Wichtig im betrieblichen Alltag: Bundesforst bewirtschaftet überwiegend den Wald. „Die Heideflächen auf den Übungsplätzen obliegen dem Bundeswehrdienstleistungszentrum“, sagt Freytag und kneift bei einem kurzen Halt die Augen zusammen. Er sucht seine Waldarbeitsgruppen, die hier in Klietz in diesen Tagen Schnittarbeiten durchführen, aktuell übrigens gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom Bundeswehrdienstleistungszentrum Burg (BwDLZBundeswehr-Dienstleistungszentrum Burg) und mit Kameradinnen und Kameraden der Bundeswehr-Feuerwehr des Truppenübungsplatzes.

Etwa einen Kilometer entfernt, jenseits der Heidefläche, steigen Staubwolken auf. Freytag lenkt seinen Ford quer über die Heide, vorbei an zerschossenen Panzern, die hier seit Jahrzehnten als Hartziele dienen. Am jenseitigen Waldrand schwitzen etliche Männer bei der Arbeit. Zwischen den Bäumen sind auch zwei Feuerwehrfahrzeuge untergezogen. Freytag begrüßt die Kollegen und Ernst D., den Leiter der Geländebetreuung des BwDLZBundeswehr-Dienstleistungszentrum Burg. Seine Leute sind für gut 23.000 Hektar Freiflächen auf vier Truppenübungsplätzen in Sachsen-Anhalt und Brandenburg verantwortlich.

Gestufte Waldränder als Blühstreifen für Artenvielfalt

Hauptaufgabe im Moment sei die Arbeit an den Waldrändern, eine Daueraufgabe, die Freytag und D., deren Zuständigkeiten am Waldrand aneinandergrenzen, am liebsten im Team angehen: „Die Bestände des Hochwaldes sollen nicht wie abgeschnitten übergangslos an der Heidefläche enden“, erklärt D. „Uns ist an gestuften Waldrändern gelegen“, ergänzt Freytag, also an unterschiedlichen Baumhöhen, einem Mix von Baumarten, Sträuchern und Gräsern. Solche idealtypischen Waldränder könne man sich wie die Blühstreifen in der Landwirtschaft vorstellen. „So entsteht ein Raum, der mehr Platz für Artenvielfalt bietet als ein reiner Kiefernwald“, sagt der Mann vom Bundesforst.

Außerdem verbessere das Zurückschneiden der Bäume den vorbeugenden Brandschutz. Klietz und die beiden anderen Übungsplätze seien vergleichsweise trockene Gebiete. „Durch den Schießbetrieb brennt deshalb die Heide im Sommer regelmäßig“, so D. Für den Lebensraum Heide seien solche Brände ein Stück weit normal und sogar notwendig, um das allmähliche Zuwachsen zu vermeiden. „Aber wir müssen verhindern, dass das Feuer auf den Hochwald übergreift.“ Deshalb sollen die harzreichen, leicht brennbaren Kiefern, die hier den Großteil der Altbäume ausmachen, nicht bis direkt an die Heide wachsen.

Ein Traktor entfernt mit einem Mulcheraufsatz am Waldrand Jungbäume und andere Pflanzen

Um die Waldränder am Übergang zu den geschützten Heideflächen zu stufen, wird Wildwuchs entfernt. Das verbessert den Brandschutz und dient auch dem Artenschutz. Denn in gepflegten Waldrändern ist die Artenvielfalt höher.

Bundeswehr/Tom Twardy
Eine Person steht mit einer elektischen Handsäge vor einem Baum im Wald der gerade umfällt

Baum fällt: Ein Waldarbeiter vom Bundesforst hat gerade eine Kiefer gefällt. Die Auflockerung des Bewuchses schafft mehr Licht und gibt damit nachwachsenden Bäumen eine Chance. So soll auch die Vielfalt an Baumarten gefördert werden.

Bundeswehr/Tom Twardy

Truppe benötigt genug Beobachtungs- und Wirkbereich

Oberstleutnant Dennis C. nickt zustimmend. Er ist Kommandant des Truppenübungsplatzes Klietz und damit gewissermaßen Auftraggeber der Arbeiten. Er betrachtet alle Maßnahmen durch die Brille des militärischen Nutzers: „Für den Schießbetrieb ist generell ein freies Sichtfeld wichtig. Die Panzertruppe braucht bei bestimmten Trainingsszenarien mitunter sogar einen Beobachtungs- und Wirkbereich mit Entfernungen von deutlich über tausend Metern“, sagt C. „Auch vorbeugender Brandschutz ist für uns angesichts der latent hohen Waldbrandgefahr spielentscheidend. Nur so können wir den Übungsbetrieb am Laufen halten.“ Regelmäßige Schnittarbeiten und wirksame Waldbrandschutzstreifen seien deshalb aus Sicht der Nutzerin Bundeswehr die wichtigsten Bausteine. Wenn Bundesforst, BwDLZBundeswehr-Dienstleistungszentrum und Bundeswehrfeuerwehr ihre Kräfte bündelten, sei das besonders effizient. „Das klappt wegen der intensiven militärischen Nutzung der Flächen nicht immer zum idealen Zeitpunkt. Weil aber Biotopschutz sehr wichtig ist, dürfen unsere Kollegen aktuell sogar ausnahmsweise in der Brut- und Setzzeit die Heide von Bäumen befreien“, sagt D.

Hinter ihm nähert sich mit Getöse ein beunruhigend großer Schlepper mit einer Art Walze. „Das ist der Mulcher“, erläutert D. Und der – genau – mulcht vorher bestimmte Bereiche am Waldrand. Junge Bäume und tote Äste, Sträucher und Gestrüpp werden von der Maschine verschlungen und als Späne verstreut. Das sieht erst einmal nicht nach Naturschutz aus, dient diesem aber sehr wohl. Alle Heideflächen seien ein geschütztes Biotop, erklärt D. „Die Klietzer Heide ist den Behörden vor Jahrzehnten als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) gemeldet worden und muss als solches erhalten werden. Dazu sind wir als Bundeswehr gesetzlich verpflichtet.“ Dass die Heide in ihrer jetzigen Form überhaupt nur durch die jahrzehntelange militärische Nutzung entstanden ist, ändere daran nichts, ergänzt Freytag. „Die Böden hier sind nie künstlich gedüngt worden. Das gibt es in Deutschland so fast nur auf Truppenübungsplätzen.“ Magere Böden bieten wiederum die Basis für Pflanzen wie das Heidekraut (Calluna Vulgaris), das richtigerweise eigentlich Besenheide heißt. 

FFH-Schutzgebiet: Heideflächen dürfen nicht verwalden

„Überließe man die Flächen sich selbst, würde die Heide durch Selbstaussaat von Bäumen binnen einiger Jahre wieder verwalden“, sagt Freytag. Dies sei mit dem gesetzlichen Verschlechterungsverbot bei FFH-Schutzgebieten unvereinbar. Die Bundeswehr hat das Ziel, den Erhaltungszustand über den gesetzlich geforderten Zustand hinaus zu verbessern, wenn die militärische Nutzung das zulässt. Dass ausgerechnet Panzerketten und gelegentliche Heidebrände nach Schießübungen der Bundeswehr diesen schützenswerten Lebensraumtyp pflegen, findet auch der gelernte Forstwirt zunächst paradox. 

Aber wie auf anderen Truppenübungsplätzen auch seien in Klietz etliche Arten beheimatet, die anderswo in Deutschland selten geworden seien, sagt Freytag. So biete die offene Landschaft der Klietzer Heide etwa Ziegenmelker und Zauneidechse, aber auch Steinschmätzer und Wiedehopf eine Heimat. „Und das ist der Mühe wert“, meint Freytag.

von Markus Tiedke

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