Truppenpsychologen der Bundeswehr: „Wir werden ganz einfach gebraucht“

Truppenpsychologen der Bundeswehr: „Wir werden ganz einfach gebraucht“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

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Susanne Bruns leitet den Psychologischen Dienst der Bundeswehr. Im Interview erklärt sie, wie sich die Arbeit der Truppenpsychologen unter dem Eindruck des Gefechtsjahres 2010 verändert hat.

Eine Frau sitzt einer Person gegenüber und spricht

Nach dem Karfreitagsgefecht hat sich Susanne Bruns um die Angehörigen der Soldatinnen und Soldaten aus der Einheit gekümmert, die noch in Afghanistan waren.

Bundeswehr/Jane Hannemann

Frau Bruns, beim Karfreitagsgefecht starben am 2. April 2010 drei Soldaten der Bundeswehr, acht weitere wurden verletzt. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit diesem Tag vor zehn Jahren?

Es war eine Zeit der Trauer. Für die Familien, die Soldaten in Afghanistan und in Deutschland, aber auch für mich ganz persönlich. Ich war ja selbst bis 2006 Truppenpsychologin bei der Luftlandebrigade 31, zu der das betroffene Fallschirmjägerbataillon 373 aus Seedorf gehörte. Ich fühlte mich den Soldaten sehr verbunden.

Haben Sie betroffene Menschen betreut?

Kurz nach dem Gefecht bin ich nach Seedorf gereist, um eine Betreuungsveranstaltung für Familien zu unterstützen. Ich habe mich um die Angehörigen der Soldatinnen und Soldaten aus der Einheit gekümmert, die noch in Afghanistan waren. Auch wenn ich die Opfer des Gefechts nicht persönlich kannte: Das Leid der betroffenen Menschen ist mir sehr nahegegangen.

Sie sind 1992 zur Bundeswehr gekommen. Welche Rolle spielte die Truppenpsychologie damals?

Als die Bundeswehr in ihren ersten Blauhelmeinsatz nach Somalia ging – das war 1993 –, waren bereits Psychologen im Soldatenstatus mit dabei. Allerdings gab es das heutige Berufsbild des Truppenpsychologen so noch nicht. Die Bundeswehr führte aber schon kurz danach Einsatznachbereitungsseminare ein, die anfangs noch Reintegrationsseminare hießen. Ziel war es damals wie heute, den Soldatinnen und Soldaten unter fachlicher Betreuung zu ermöglichen, Einsatzerlebnisse abschließend zu verarbeiten. Es war bereits erkennbar, dass belastende Erlebnisse sich auch nach den Einsätzen psychisch auf die Soldaten auswirken können. Von Posttraumatischer Belastungsstörung oder PTBSPosttraumatische Belastungsstörung war damals in Deutschland aber noch nicht die Rede.

Sie waren 2002 im Bosnieneinsatz. Wenn Sie heute mit damals vergleichen – was hat sich geändert?

Die Truppenpsychologie steckte noch in den Kinderschuhen, war noch nicht so etabliert wie heute. Den ersten hauptamtlichen Truppenpsychologen gab es erst 1999. Als ich damals in Bosnien war, wussten viele Soldaten erst gar nicht, was meine Aufgabe war. Das änderte sich aber schnell – ganz einfach darum, weil wir gebraucht wurden.

Wie hat sich das Karfreitagsgefecht von 2010 auf die Bundeswehr insgesamt ausgewirkt?

Noch im gleichen Jahr wurde der Posten des PTBSPosttraumatische Belastungsstörung-Beauftragten im Verteidigungsministerium geschaffen und in Berlin das Psychotraumazentrum der Bundeswehr eröffnet. Auch der Umgang mit den Hinterbliebenen änderte sich: im Ministerium wurde eine zentrale Ansprechstelle für die Hinterbliebenen getöteter und verstorbener Bundeswehrangehöriger eingerichtet. Das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz von 2007 wurde ergänzt, um die Sicherheit für Einsatzgeschädigte und ihre Familien zu verbessern.

Der Psychologische Dienst der Bundeswehr umfasst derzeit insgesamt circa 280 Psychologinnen und Psychologen. Sind das alles Truppenpsychologen?

Der Psychologische Dienst der Bundeswehr bildet ein breites Handlungsfeld ab. Die Truppenpsychologie ist nur eines davon, wenn auch ein wichtiges. Derzeit haben wir rund 90 Truppenpsychologen, die in beratender Funktion in den Einheiten und in den Einsätzen tätig sind. Sie begleiten auch die Einsatzvor- und Einsatznachbereitungen. Zum Psychologischen Dienst zählen darüber hinaus unter anderem die klinische Psychologie und die Betriebs- und Personalpsychologie, in begrenztem Umfang wird auch Forschung betrieben. Ich zum Beispiel habe früher Wehrpflichtige auf ihre Eignung geprüft.

Wie bereiten Sie Soldaten auf die Einsätze vor?

Wir bereiten die Soldatinnen und Soldaten auf Einsatzszenarien vor, in dem wir versuchen, ihnen eine möglichst realistische Vorstellung davon zu vermitteln. Sie sollen auch wissen, wie der Einsatz sie verändern kann. Es geht darum, ihnen Methoden an die Hand zu geben, um Stresssituationen zu bewältigen und im Nachhinein den Stress abzubauen. Wir informieren auch darüber, wo man im Krisenfall Hilfe findet.

Behandeln Sie auch traumatisierte Soldatinnen und Soldaten?

Ich selbst bin keine Therapeutin, die Truppenpsychologie hat auch keinen therapeutischen Auftrag. Für die Psychotherapie haben wir klinische Psychologinnen und Psychologen an den Bundeswehrkrankenhäusern und einigen Fachsanitätszentren. Der Schwerpunkt der Truppenpsychologie liegt auf der Führungsberatung. Wir erstellen für die Offiziere ein psychologisches Lagebild, weisen auf besondere Belastungen hin und geben Empfehlungen zum Umgang mit diesen Belastungen. Wir stehen aber natürlich auch allen anderen Soldatinnen und Soldaten beratend zur Seite.

Wie sehen diese Empfehlungen aus?

Gute Kameradschaft hilft. Mit Menschen zu reden, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben: Das hilft bei der Verarbeitung, das gibt Kraft und Halt. Eine wichtige Empfehlung ist es daher, über das Erlebte zu reden: mit guten Freunden, mit der Familie und, wenn es erforderlich ist, eben auch mit einem Therapeuten.

Wenn Sie als Psychologin noch einmal Bilanz ziehen: Was hat sich nach dem Karfreitagsgefecht für den Psychologischen Dienst verändert?

Der Stellenwert unserer psychologischen Arbeit hat sich deutlich erhöht: Was wir leisten, ist heute anerkannt und geschätzt. Das schlägt sich auch in Zahlen nieder: Die Zahl der Truppenpsychologen hat sich seit dem Karfreitagsgefecht mehr als verdoppelt. Ich sehe das als Zeichen des Bedarfs einer Armee im Einsatz, aber auch als Zeichen der Anerkennung unserer Arbeit.

Die Fragen stellte Timo Kather.

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