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Tödliche Saat: Die Bedeutung von Panzerabwehrminen

Tödliche Saat: Die Bedeutung von Panzerabwehrminen

Datum:
Ort:
Rotenburg (Wümme)
Lesedauer:
6 MIN

Seit die Landes- und Bündnisverteidigung wieder in den Vordergrund gerückt ist, steigt auch die Bedeutung von Panzerabwehrminen. Sie helfen, das Vorrücken des Gegners zu verzögern.

Soldaten verlegen Minen im Gelände hinter einem Fahrzeug

Die Verlegung der Minen erfolgt von Hand – alle fünf Meter eine

Bundeswehr/Sebastian Wilke

Der Standortübungsplatz der Seedorfer Fallschirmjäger im niedersächsischen Westertimke: Gut 30 Soldaten der Luftlandepionierkompanie 270 sind mit ihren Fahrzeugen an einer Waldkante untergezogen. Nach Osten hin öffnet sich eine Heidelandschaft, die im Norden und Süden von Waldstücken gesäumt wird. Das Gelände ist von tief eingeschnittenen Sandpisten durchzogen. Es ist schwül, die Luft über der Heide flirrt vor Hitze. Keiner mag hier länger als nötig in der Sonne bleiben. Der Führer des zweiten Zuges, Oberleutnant Sebastian Heimann*, schwitzt mächtig unter seiner Ausrüstung. Knapp umreißt er seinem Zug die Lage: Von Osten rückt der Gegner mit gepanzerten Fahrzeugen heran. Er muss aufgehalten werden. Eigene Infanterie sichert die bewaldeten Flanken. Auftrag der Pioniere ist die Verlegung einer Minensperre in der Heide. Doch dafür müssen zuerst die Bedingungen vor Ort geprüft werden. Ein Auftrag für den Pioniererkunder.

Geländeerkundung geht vor

Hauptfeldwebel Thomas Gerber hat nach der Lageeinweisung die Karte studiert und instruiert nun seine Besatzung. Als Pioniererkunder betrachtet er das Gelände unter pionierspezifischen Gesichtspunkten, häufig auch gemeinsam mit spezialisierten Kräften wie den Fernspähern. Die Aufträge drehen sich primär ums Fördern oder Hemmen von Bewegung. Es geht also nicht immer um eine Minensperre. „Morgen kann die Tragfähigkeit einer Brücke oder die Tiefe einer Furt das Erkundungsziel sein“, sagt Gerber. „Den Bereich für die Minensperre hat unsere Führung festgelegt. Ich prüfe mit meiner Besatzung, ob sich dieser Raum dafür wirklich eignet.“ Im Klartext: Stellt sich das Gelände dar wie erwartet? Ist es sinnvoll, dort Minen zu verlegen? Welche Ausweichmöglichkeiten gibt es gegebenenfalls? Wie können eigene Kräfte die Minensperren sicher passieren?

Soldaten bei einer Besprechung im Gelände

Lageeinweisung: Bevor der Verlegetrupp an die Arbeit geht, werden alle Details sorgfältig besprochen

Bundeswehr/Sebastian Wilke

Tauchen Probleme auf, erkundet Gerbers Team selbstständig Alternativen. „Wir nehmen den Kameraden Arbeit ab und stellen den reibungslosen Aufbau der Sperre sicher“, erläutert er. Zum Auftrag gehört auch, mögliche Anmarschwege für den Verlegetrupp und geeignete Bereiche für ein Munitionsversteck zu empfehlen. Das Ergebnis der Erkundung wird in der Erkundungsmeldung festgehalten. „Auf dieser Basis plant der Führer vor Ort die Minensperre“, erklärt Gerber.

Der Wiesel 2 ist mit seiner dreiköpfigen Besatzung für solche Erkundungsaufträge bestens geeignet, versichert Gerber und gerät direkt ins Schwärmen. „Das Fahrzeug ist leise, agil im Gelände und schwer aufzuklären. Und luftverlastbar, ganz wichtig für uns Luftlandepioniere.“ In der Regel fahren zwei der leicht gepanzerten Kettenfahrzeuge zur Erkundung und sichern sich gegenseitig. Gerber gleitet auf den Kommandantenplatz und schnappt sich die Kopfhörer: „Panzer marsch!“ Geschickt kurvt der Fahrer am Waldsaum entlang, nutzt den Schatten und meidet besonnte Flächen. Offenes Gelände überwindet der Wiesel in schneller Fahrt, bevor er wieder in Deckung springt. An einer dichten Baumgruppe rollt der Pioniererkunder in eine Senke. Einer von Gerbers Soldaten sitzt ab und montiert mit geübten Griffen das Panzerabwehrsystem MELLSMehrrollenfähiges Leichtes Lenkflugkörpersystem. Das Waffensystem verfügt über eine leistungsfähige Optik, seine Lenkflugkörper lassen sich nach dem Abschuss vom Bediener durch Lichtwellenleiter steuern und können jedes Panzerziel zerstören. So gesichert setzt der Pioniererkunder seinen Auftrag fort. Zügig markiert er die Minenreihen sowie die anzulegende Minengasse mit farbigen Stangen. Dann kehrt Gerber zum Zug zurück.

„Als Luftlandepioniere unterstützen wir die Kampftruppe, in der Regel unsere Fallschirmjäger. Dazu müssen wir auch das Anlegen von Minensperren beherrschen“, erklärt Heimann. Bis vor Kurzem fehlte es dafür an luftverlastbaren Transportfahrzeugen. „Für uns hieße das sonst: Jeder im Verlegetrupp empfängt drei Minen zu je neun Kilogramm. Die müssten im Rucksack zur Sperre getragen und verlegt werden. Anschließend ginge es zurück, Nachschub holen und so weiter. Das schlaucht und bindet uns ewig. Taktisch wertlos“, sagt Heimann. „Jetzt steht mit dem Mungo 2 Mehrzweck ein spezialisiertes Fahrzeug zur Verfügung.“

Ein Soldat auf der Transportplattform eines Fahrzeuges übergibt seinem Kameraden eine Mine

Ein Luftlandepionier reicht seinem Kameraden die neun Kilogramm schwere Panzerabwehrmine. 90 Minen passen in einen Transportkorb, 180 auf den Mungo 2 Mehrzweck. Dann muss Nachschub geholt werden.

Bundeswehr/Sebastian Wilke
Mehrere Minen liegen gestapelt in einer Gitterbox

Die Bundeswehr setzt Verlegeminen vom Typ DM-31 AT für taktische Sperren ein. Schützenminen sind hingegen aufgrund der Ottawa-Konvention seit März 1999 verboten.

Bundeswehr/Sebastian Wilke

Minen zu verlegen ist Handarbeit

Die Mehrzweckausführung des Einsatzfahrzeugs Spezialisierte Kräfte (ESK) Mungo 2 ist als Wechsellader konzipiert. Somit kann das Fahrzeug auf seiner Transportplattform zwei Gitterboxen mit je 90 Verlegeminen transportieren. Mit der Wechselladefunktion kann bei Bedarf am gedeckt gelegenen Munitionsversteck schnell Nachschub herangeholt werden. „Die Verlegung erfolgt zwar noch immer von Hand, aber die Schlepperei entfällt“, so Heimann. Im Idealfall arbeiten zwei Mungos überschlagend – ein Fahrzeug verlegt, das andere munitioniert auf.

Oberfeldwebel Daniel Königs Verlegetrupp besteht heute aus zehn Mann. König ist ein schlaksiger Läufertyp, an seiner Feldmütze prangt das Edelweiß – eine Erinnerung an seine Zeit bei den Gebirgsjägern. Konzentriert vergleicht er die Erkundungsmeldung und seine Notizen zur Befehlsausgabe. Drei Minenreihen sollen es werden. Die erste Reihe feindwärts heißt Alpha, gefolgt von Bravo und Charlie. Die Minendichte ist ebenfalls festgelegt. „Sperrbreite 420 Meter, Tiefe circa 300 Meter“, murmelt König. Sein Funkgerät krächzt, es geht los: Zunächst lässt er die Leute gedeckt an der Waldkante vorrücken. An der vordersten vom Erkunder gesetzten Markierungsstange schwenkt der Trupp aufs freie Feld. Im Schritttempo rumpelt der Mungo über die Heide. Rund 20 Meter voraus läuft ein Soldat mit Funkgerät. „Das ist der Vorläufer“, erklärt König. „Er zeigt dem Fahrer die geplante Route an und gibt die Wegpunkte durch. Die beiden kommunizieren ständig über Funk.“ Die Herausforderung für den Truppführer ist die Koordination. „Wir müssen das Verlegen drillmäßig beherrschen“, sagt er und wischt sich mit dem Ärmel übers schweißnasse Gesicht. „Im Ernstfall würden wir das bei Dunkelheit und Funkstille machen. Das ist keine Kleinigkeit.“ Wieder krächzt es aus dem Funkgerät. König hastet zum Vorläufer, Absprachen treffen.

Gefreiter Roman Kutowski stapft derweil hinter dem Fahrzeug her. Ein Kamerad reicht ihm Minen vom Mungo herab, was bei dem Geschaukel leichter aussieht, als es ist. Der Mungo zieht ein Seil nach, an dem in bestimmten Abständen farbige Markierungen angebracht sind. „Je nach befohlenem Abstand wird die Mine dann abgelegt“, erklärt König.

Soldaten verlegen Minen im Gelände hinter einem Fahrzeug an einer Schnur

Die Luftlandepioniere verlegen die Minensperre mit der Mehrzweckausführung des Mungo 2

Bundeswehr/Sebastian Wilke

Alle fünf Meter eine Mine

Bei 15 Metern Abstand in der Minenreihe Alpha ist der Job noch entspannt. Bei nur mehr fünf Metern in der Charlie-Reihe wird es hektisch. „Aber man gewöhnt sich dran“, versichert Kutowski. Den Schluss bildet der Schärftrupp gut 30 Meter hinter dem Mungo. Auch hier ist Handarbeit angesagt. Sicherungsstift reindrücken und mit einem Ruck abziehen, Hebel eine Viertelumdrehung nach rechts, den Sicherungsstift in einen Leinensack werfen, fertig. Heute wird nur Exerziermunition verlegt. Gleich groß und schwer, aber ungefährlich. Gefechtsminen bleiben dagegen bis zum Ablauf der Wirkzeit liegen. Danach entschärfen sie sich selbst, was durch einen herausschnellenden roten Signalkörper angezeigt wird. Vorher dürfen sie nicht bewegt werden. Die Dummy-Minen dagegen werden nach Übungsende wieder eingesammelt.

Weiter vorn geht plötzlich der Arm von Oberfeldwebel König nach unten. Er deutet auf ein Gebüsch. Zwei Soldaten sprinten mit einer länglichen Transportbox zu ihm. „Hier wird die Minengasse angelegt“, erklärt König vor Ort. „Und wir sichern sie durch eine Panzerabwehrrichtmine DM-22.“ Die Richtmine wird montiert, im Grunde ein Dreibein mit aufmontierter Panzerfaust. „Sobald sie ausgelöst wird, fliegt das Hohlladungsgeschoss los.“ Die Mine im Busch tut nix. Eine blaue Farbmarkierung kennzeichnet sie als Exerziermunition.

Nach gut einer Stunde ist die Verlegeminensperre fertig. Der Mungo ist wieder am Waldsaum untergezogen und König sitzt über dem Minensperrnachweis. Stören verboten. „Der muss ganz präzise ausgefüllt werden“, erklärt Zugführer Heimann. „Der Kamerad notiert alle Details zur Verlegung, Anzahl der eingebrachten Minen und zur Anlage der Minengasse. Auch die Sicherung durch Richtminen wird inklusive einer Skizze mit Koordinaten dokumentiert.“ Und zwar auf Durchschlagpapier in fünffacher Ausfertigung. Erst danach ist Dienstschluss“, sagt Heimann grinsend.

*Alle Namen zum Schutz der Soldaten geändert.

von Markus Tiedke