Mit dem KSKKommando Spezialkräfte-Hubschrauber ins zivile Klinikum
Mit dem KSKKommando Spezialkräfte-Hubschrauber ins zivile Klinikum
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Sanitätskräfte des KSKKommando Spezialkräfte haben einen Schwerstverwundeten stabilisiert. Mit dem Helikopter wird er zur weiteren chirurgischen Behandlung ausgeflogen – in ein ziviles Klinikum. Die Kooperation mit Krankenhäusern ist für die Bundeswehr wichtig, um Berührungsängste abzubauen und eine gemeinsame Sprache zu finden. In Ludwigsburg funktioniert das bereits.
Es wirkt wie eine Szene aus einem Actionfilm. Um 10:24 Uhr setzt ein Hubschrauber des Typs LUHLight Utility Helicopter H145M auf dem Landeplatz des Klinikums Ludwigsburg auf. Sekunden später wird die Seitentür hinter dem Co-Piloten geöffnet. Zwei Soldaten in voller Ausrüstung springen heraus und bugsieren vorsichtig eine Trage mit einem Verwundeten aus der Maschine. Kaum hat der Helikopter wieder abgehoben, laufen ihnen Krankenpfleger des Klinikums mit einem Rollbett entgegen. Hier oben in der prallen Sonne ist es kaum auszuhalten. Der Patient muss vom Dach, jeder Handgriff muss sitzen.
„Mischung von fachlichen und soldatischen Elementen“
Hauptfeldwebel Ralf B.* ist Anfang vierzig und durchtrainiert, ein blonder Bart umrahmt sein Gesicht. Seit 2014 dient der Mann mit dem schwäbischen Zungenschlag beim KSKKommando Spezialkräfte. Mittlerweile ist er Rettungsspezialist im Sanitätsspezialzug. Schon vor seiner Zeit bei der Bundeswehr hatte er als Rettungsdienstler Erfahrung gesammelt und unter anderem als Einsatzsanitäter für die Vereinten Nationen gearbeitet.
Beim Sanitätsspezialzug des KSKKommando Spezialkräfte ist der Portepeeunteroffizier mittlerweile zusätzlich für die Weiterentwicklung der sanitätsdienstlichen Versorgung des KSKKommando Spezialkräfte zuständig. Für B. war die Mischung von fachlichen und soldatischen Elementen bei den Spezialkräften ausschlaggebend. „Für mich kommt beim KSKKommando Spezialkräfte alles perfekt zusammen“, sagt er. „Hoher medizinischer Anspruch, körperliche Herausforderungen und viel Abwechslung im Dienst.“ Heute wird deutlich, was er damit meint.
Bedingungslos dem Leben der Patienten verpflichtet
B. und sein Kamerad sind hoch konzentriert. Während die beiden ihren Patienten zum Fahrstuhl bringen, baumeln auf Brusttaschenhöhe etliche Kunststoffbeutel mit verschiedenen Konzentraten von B.s Kampfweste. Die Schläuche enden im Patienten. Erythrozyten, Blutplasma, Schmerzmittel – das volle Programm. An B.s linker Seite sind sein Sturmgewehr G95K und eine Vielzahl an griffbereiten Spritzen einträchtig nebeneinander verzurrt. Wohl kaum etwas könnte seine Funktion besser symbolisieren: bedingungslos dem Leben seiner Patienten verpflichtet und zugleich wehrhaft. Die beiden Soldaten tauschen sich kurz mit ihren zivilen Kollegen aus. Dann verschwindet das Team im Fahrstuhl. Kaum mehr als eine Minute hat die Aufnahme gedauert.
10:27 Uhr: Im Schockraum der Klinik drei Stockwerke tiefer ist das gesamte Team versammelt. Ein Unfallchirurg und eine Neurologin, der Anästhesist und Schwestern. Mehr als ein halbes Dutzend Beschäftigte, allesamt Profis auf ihrem Gebiet. Der Schockraum dient der Erstversorgung schwerstverletzter Patienten. Von hier werden sie zur weiteren Behandlung in den OP oder auf die Intensivstation gebracht. Bei der Übergabe von Patientinnen und Patienten ist es wichtig, dass keine Informationen verloren gehen. Das übernehmende Team muss eine möglichst genaue Vorstellung davon haben, wie es um den Patienten steht und welche Maßnahmen bereits eingeleitet wurden.
„30 Jahre alter Patient. Hochgradiger Verdacht auf ein Beckentrauma. Beidseitiger Beinabriss. Blutung mit konventionellen Mitteln nicht zu stoppen. Patient in ausgeprägtem hämorrhagischem Schock und reanimationspflichtig.“ Knapp und sachlich referiert B. zu den wesentlichen Punkten der Behandlung. Etwas umfangreicher beschreibt er die besonders aufwendigen Maßnahmen zur Blutungsstillung. Im Ernstfall wäre dies das Erste, worum sich die Chirurgen im Klinikum zu kümmern hätten. Das zivile Schockraumteam hört aufmerksam zu, macht Notizen. Es folgt eine Auflistung der verabfolgten Medikamente. Die Liste ist lang. Die Soldaten des Sanitätsspezialzuges fassen eine Stunde intensiver medizinischer Betreuung in nur zwei Minuten zusammen.
Unterschiedliche Prozedere bei Militär und Zivil
Im Schockraum hat die angehende Fachärztin für Allgemeinchirurgie Jule Dünkel das Sagen. Als sogenannte Traumaleaderin nimmt sie den Bericht der übergebenden Kollegen entgegen. Anschließend koordiniert sie die Versorgung des Patienten. An normalen Tagen würde hier anstelle des Hauptfeldwebels wahrscheinlich ein Notarzt stehen, der ein Unfallopfer von der Autobahn bringt. Heute ist manches anders. Und das nicht nur, weil der Patient nach Übungsende mit einem breiten Grinsen und unter vielen Dankeschöns aus dem Raum gefahren wird. Es geht auch um unterschiedliche Prozedere im zivilen und militärischen Bereich. Deren Harmonisierung dient der zivil-militärische Anteil der Übung.
„Wir haben eine knapp gehaltene Voranmeldung bekommen, als der Hubschrauber bereits zu uns unterwegs war“, sagt Dünkel. Kurz darauf sei der Patient dann in den Schockraum geschoben worden. Zur medizinischen Professionalität der Soldaten findet die Medizinerin anerkennende Worte. „Das war eine wahnsinnig komplexe Versorgung, keine Routine. So etwas sieht man sonst kaum mal, das ist höchstes Niveau. Es ist beeindruckend, was die Jungs können.“ Zugleich habe die gemeinsame Übung auch Raum für Verbesserungen offengelegt, sagt Dünkel. „Wir meinen zwar dasselbe, aber wir sprechen nicht immer die dieselbe Sprache.“ Für sie und ihr Team sei es anfangs mitunter schwierig gewesen, die militärischen Begriffe einzuordnen. „Aber das haben wir im Laufe der Übung geklärt.“
„Wir müssen vorbereitet sein.“
So sieht das auch Dr. Stefan Weiß. Der ärztliche Direktor des Simulationszentrums vom Klinikum Ludwigsburg ist ein Anästhesist mit viel Schockraumerfahrung. Die Zusammenarbeit mit dem KSKKommando Spezialkräfte funktioniere schon länger, auch mit anderen Sicherheitskräften seien in der Vergangenheit Großschadenslagen mit vielen Verwundeten geübt worden. „Als großes überregionales Traumazentrum müssen wir auf spezielle Situationen vorbereitet sein“, sagt Weiß. „Etwa für den Fall eines terroristischen Anschlages.“ Insofern ziehe auch das Klinikum aus der Zusammenarbeit mit den Spezialkräften großen Nutzen. „Solche Szenarien sind fachlich sehr lohnend. Die kann man nicht am grünen Tisch erfahren. Und die Leute vom Sanitätsspezialzug sind eine Klasse für sich.“
Nach Übungsende geleitet Hauptfeldwebel B. den Verwundetendarsteller an einem Nebentrakt der Klinik fürsorglich zu einem Bundeswehrtransporter und hilft ihm beim Einsteigen. Er ist zufrieden. „Die Zusammenarbeit mit dem Personal des Krankenhauses war super und sehr kollegial.“ Den Profis hier entgehe nichts, insbesondere kein Fehler. Das trage zusätzlich zur Motivation bei. Aber Fehler seien vermieden worden. „Wir haben unsere Zeitlinien gehalten und den Patienten korrekt übergeben. Auftrag erfüllt.“
*Name zum Schutz des Soldaten abgekürzt.