Dienst an der Kette
Dienst an der Kette
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 6 MIN
Kampfpanzer wie der Leopard 2 der Bundeswehr vereinen Feuerkraft, Dynamik und Robustheit. Sie sind darauf ausgelegt, über Jahrzehnte eingesetzt zu werden. Voraussetzung dafür ist die regelmäßige Pflege und Wartung der Kettenfahrzeuge. Panzerbesatzungen sowie militärische und zivile Instandsetzungskräfte arbeiten dabei eng zusammen.
Jeder Handgriff muss sitzen. Oberleutnant Alexander B.* verfolgt genau, was seine Männer machen. Der Kommandant eines Kampfpanzers Leopard 2 A6MA3 steht mit seiner Checkliste vor der Wartungshalle seines Panzerbataillons, während die Mannschaft an ihrem Kettenfahrzeug arbeitet. B. leitet den technischen Dienst, den die Panzerbesatzung vor und nach jeder Ausfahrt mit ihrem Arbeitsgerät leisten muss. Alle vier Soldaten – neben Kommandant B. sind dies der Richtschütze, der Ladeschütze sowie der Kraftfahrer – haben ihre Panzerkombis vorübergehend gegen ölverschmierte Blaumänner getauscht.
Jedes Besatzungsmitglied hat eigene Aufgaben
Um den 62 Tonnen schweren, elf Meter langen Panzer durchzuchecken, ist die Besatzung einen halben Tag beschäftigt. 89 Arbeitsschritte stehen auf B.s Prüfliste, jeder einzelne wird penibel dokumentiert. „Der technische Dienst ist ein fester Bestandteil unserer Arbeit, fast ein Automatismus“, sagt der Offizier der Panzertruppe. „Jedes Besatzungsmitglied hat dabei seine eigenen Aufgaben.“ Kraftfahrerin oder Kraftfahrer kümmert sich um das Fahrgestell des Panzers, die sogenannte Wanne. Richt- und Ladeschützin oder -schütze sind für Turm und Innenraum zuständig. „Wir prüfen, ob der Panzer in einwandfreiem Zustand ist – oder ob zum Beispiel Verschleißschäden an den Zahnkränzen entstanden sind oder Betriebsflüssigkeiten austreten“, sagt B. Die Ölstände des Triebwerkes werden kontrolliert, die Luftfilter des Kettenfahrzeugs gereinigt. „Wenn etwas nicht stimmt, melden wir das sofort weiter.“
Kampfpanzer wie der Leopard 2 sind der Stolz jeder Landstreitkraft. Sie vereinen Feuerkraft, Dynamik und Robustheit. Im Verbund mit Schützenpanzern und Panzergrenadieren bilden Kampfpanzer die Speerspitze jeder groß angelegten Angriffsoperation am Boden. In den Händen einer eingespielten Besatzung kann ein einzelner Panzer im Gefecht zum entscheidenden Faktor werden. Fällt aber der Antrieb aus oder spielt die Bordelektronik verrückt, kann dies den Verlust des Panzers oder sogar den Tod der Besatzung bedeuten.
Damit es nicht so weit kommt, werden die Kampfpanzer der Bundeswehr in regelmäßigen Abständen inspiziert, gewartet und repariert. Der technische Dienst der Panzerbesatzungen ist nur der erste Schritt eines komplexen Prozesses zur Instandhaltung der Waffensysteme. So sollen Mängel frühzeitig erkannt und abgestellt werden, bevor es zu spät ist.
Bei den Schirrmeistern laufen die Fäden zusammen
Für diese Aufgaben gibt es die sogenannten Schirrmeister. Sie stehen für die Einsatzbereitschaft sämtlicher Fahrzeuge ihres Verbandes gerade. Und das sind eine ganze Menge: Jedes der sechs Panzerbataillone der Bundeswehr verfügt für gewöhnlich über 44 Leopard-2-Kampfpanzer – jeweils 14 Stück in den drei aktiven Kampfkompanien plus zwei Führungspanzer für Bataillonskommandeurin oder -kommandeur und ihren oder seinen Stellvertreter.
Hinzu kommt eine Vielzahl an militärischen und zivilen Unterstützungs- und Transportfahrzeugen. Beim Panzerbataillon 414 sind es sogar 48 Kampfpanzer, die einsatzbereit gehalten werden müssen. Das hat mit dem multinationalen Aufbau des Verbandes zu tun: Die niederländischen Streitkräfte stellen eine der Kampfkompanien, und die besteht eben aus 18 Leopard 2.
„Die Jungs wollen kämpfen – und wir wollen, dass sie dabei bestmöglich geschützt sind.“
Insgesamt müssen der Schirrmeister des Bataillons, Oberstabsfeldwebel Dennis F.*, sowie seine Kameradinnen und Kameraden – jede Kampfkompanie hat eine eigene Schirrmeisterin oder -meister – rund 180 Fahrzeuge in Schuss halten. Sie prüfen Material und Technik, dokumentieren Mängel in einer Datenbank, entscheiden über Reparaturmaßnahmen, bestellen Ersatzteile und behalten die Wartungsintervalle jedes Fahrzeugs im Blick. Schließlich muss neben der militärischen Einsatzbereitschaft auch die Betriebs- und Verkehrssicherheit gewährleistet bleiben.
„Die Jungs wollen kämpfen – und wir wollen, dass sie dabei bestmöglich geschützt sind“, sagt F., der auch den Technischen Zug des Panzerbataillons führt. Bleibt ein Kampfpanzer beim Marsch, in einer Übung oder im Einsatz liegen, schickt F. einen Gefechtsschaden-Instandsetzungstrupp (GSIGefechtsschadeninstandsetzung-Trupp) los. Dieses Team besteht aus drei Instandsetzungssoldatinnen und -soldaten, die mit einem zu einer mobilen Werkstatt umgerüsteten Dingo-Transporter anrücken – fast so wie der ADAC im zivilen Bereich, nur dass der Dingo gepanzert und bewaffnet ist. „Bei der Gefechtsschadeninstandsetzung geht es in erster Linie darum, dass der Panzer fahren, schießen und funken kann“, erklärt F.
Gelingt es dem GSIGefechtsschadeninstandsetzung-Trupp nicht, das Kettenfahrzeug wieder flottzumachen – oder ist der Schaden zu groß, um vor Ort behoben zu werden – spielt F. seinen Trumpf aus: Er schickt den Büffel ins Rennen. „Das ist ein Hochwertgerät, das den Einsatzwert jeder Panzerkompanie erhöht“, sagt er über den Bergepanzer, der ebenfalls auf Basis des Leopard-2-Designs entwickelt wurde. Der Büffel verfügt über genug Leistung, um einen havarierten Kampfpanzer abzuschleppen – und hat einen um 360 Grad schwenkbaren Kran mit einer Traglast von 30 Tonnen. So werden auch aufwendigere Reparaturen im Feld möglich. Beispielsweise wiegt die Motorabdeckung eines Leopard 2 A6MA3 etwa 1.500 Kilogramm. Ohne Unterstützung des Bergepanzers kann sie außerhalb einer Werkstatt nicht vollständig entfernt werden.
Für größere Instandsetzungsarbeiten kann der Schirrmeister auf Hilfe von außerhalb des Bataillons zählen. „Wenn wir alles getan haben, was wir können, geben wir unsere Kampfpanzer in eine weiterführende Einrichtung der Bundeswehr ab“, sagt F. Die Versorgungsbataillone der Bundeswehr besitzen eigene Instandsetzungskapazitäten. Zudem gibt es mit der Heeresinstandsetzungslogistik GmbHGesellschaft mit beschränkter Haftung – kurz HILHeeresinstandsetzungslogistik – einen bundeswehreigenen Dienstleister, der auf die Reparatur militärischer Rad- und Kettenfahrzeuge spezialisiert ist. „In erster Instanz wird geprüft, ob die militärischen Versorgungs- und Logistikbataillone die Arbeiten durchführen können“, sagt F. Wenn dort aber keine Kapazitäten verfügbar seien, könne man sich auf die HILHeeresinstandsetzungslogistik verlassen: „Wir arbeiten quasi Hand in Hand.“
Dienstleister auf dem Kasernengelände
Der Weg zur HILHeeresinstandsetzungslogistik ist für den Schirrmeister des Bataillons nicht weit. Die HILHeeresinstandsetzungslogistik unterhält ein deutschlandweites Netz von Instandsetzungseinrichtungen in den Liegenschaften der Bundeswehr: 63 Stützpunkte und drei große Werke. Rund 2.700 zivile Mitarbeitende kümmern sich im Auftrag der HILHeeresinstandsetzungslogistik um den militärischen Teil des Bundeswehrfuhrparks. Viele von ihnen sind ehemalige Instandsetzungssoldatinnen und -soldaten. Einer der Stützpunkte befindet sich in der Niedersachsen-Kaserne in Lohheide, wo auch das Panzerbataillon 414 stationiert ist. „Wo das Heer ist, ist auch die HILHeeresinstandsetzungslogistik“, sagt Stützpunktleiter Daniel S.*, der selbst zwölf Jahre in der Truppe diente. „Wir sind ein integraler Bestandteil des logistischen Systems der Bundeswehr und kümmern uns auch um die Landsysteme der anderen Teilstreitkräfte.“
"Wir stellen die Verfügbarkeit der uns anvertrauten Waffensysteme sicher."
15 HILHeeresinstandsetzungslogistik-Mechaniker sind in Lohheide tätig, um das Panzerbataillon 414 zu entlasten. Auch Einheiten, die sich auf dem Truppenübungsplatz Bergen befinden, greifen auf die Dienste von S. und seinen Kollegen zurück. Wenn andere Verbände auf dem nahen Truppenübungsplatz Bergen zugange sind, können sie sich ebenfalls auf die HILHeeresinstandsetzungslogistik-Instandsetzer verlassen. „Wir bieten die ganze Bandbreite an Dienstleistungen von der Gewährleistung der Betriebs- und Verkehrssicherheit der Fahrzeuge bis hin zur Hochwertinstandsetzung“, sagt S.
Neben der Beseitigung von Gebrauchs- und Verschleißschäden geht es auch um sogenannte Fristenarbeiten innerhalb bestimmter Wartungsintervalle: Bei Kampfpanzern stehen zum Beispiel alle sechs Monate ein Öltausch sowie eine Überprüfung der Turmtechnik an und einmal im Jahr wird das Triebwerk überholt. „Die Instandsetzung findet je nach Fahrzeug in unseren Werken oder bei externen Dienstleistern statt“, sagt S. Im Schnitt sei jeder Kampfpanzer des Panzerbataillons 414 zweimal im Jahr in seinem Stützpunkt. Auch nach jeder größeren Übung werden alle Leopard 2 bei der HILHeeresinstandsetzungslogistik gewartet.
Auch der Transportpanzer Fuchs, der GTKGepanzertes Transport-Kraftfahrzeug Boxer, der Dingo und das Führungsfahrzeug Eagle werden von S. und seinen Mechanikern gewartet. Nach Maßgabe der Bundeswehr müssen durchschnittlich 70 Prozent ihrer Waffensysteme – also auch der Kampfpanzer – ständig einsatzbereit sein. „Diese Verfügbarkeit stellen wir für die uns anvertrauten Waffensysteme sicher“, sagt der Stützpunktleiter. „Wenn ein Kampfpanzer regelmäßig gewartet und instandgesetzt wird, hat man über Jahrzehnte ein zuverlässiges Waffensystem.“
*Namen zum Schutz der Soldaten abgekürzt.