Rettung per Speedboot

Übers Meer in Sicherheit: Schnelle See-Evakuierung beim Schnellen Adler

Übers Meer in Sicherheit: Schnelle See-Evakuierung beim Schnellen Adler

Datum:
Ort:
Sassnitz
Lesedauer:
4 MIN

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Die schnelle See-Evakuierung ist eine komplexe Operation, bei der Schutzbefohlene nach der Registrierung an Land über See in Sicherheit gebracht werden. Im Sassnitzer Hafen haben deutsche und niederländische Soldaten dieses Szenario mit Erfolg geübt.

Ein Festrumpfschlauchboot besetzt mit mehreren Menschen die orangene Westen tragen fährt übers Wasser

Ein Festrumpfschlauchboot der Marine evakuiert Schutzbefohlene zum niederländischen Docklandungsschiff „Rotterdam“, das vor Sassnitz liegt. Sechs zu Evakuierende passen in ein Boot. Die Überfahrt dauert keine zehn Minuten

Bundeswehr/Jana Neumann

Rund um den Stadthafen von Sassnitz ist es seit dem frühen Morgen lebhaft geworden. Während das Krisenunterstützungsteam in der Fischhalle einen Sammelpunkt für Evakuierungswillige eingerichtet hat, ist die Zahl der Soldaten vor Ort immer weiter gestiegen. Deutsche und niederländische Marineinfanteristen sind mit Booten und Helikoptern gelandet und haben den Hafen weiträumig gesichert. Checkpoints und Absperrungen wurden errichtet. Ein Team der Elektronischen Kampfführung hat an erhöhter Position direkt am Wasser Stellung bezogen, Scharfschützen überwachen das Terrain und immer wieder knattern Hubschrauber in niedriger Höhe über das Areal. 

NHNATO-Helicopter 90-Transporthubschrauber bringen Verstärkung

Eben haben vier Transporthubschrauber NHNATO-Helicopter-90 deutsche Fallschirmjäger zur Verstärkung der Sicherungen eingeflogen. Die Kommandos der Gruppenführer sind weithin vernehmbar. Brigadegeneral Maurice Timmermans beobachtet das Geschehen. Der Niederländer war bis vor kurzem einer der stellvertretenden Kommandeure der Division Schnelle Kräfte (DSKDivision Schnelle Kräfte), die für die Übung Schneller Adler verantwortlich zeichnet. Timmermans ist die binationale Zusammenarbeit bei der Übung besonders wichtig. 

Die Kader kennen sich, das Mindset ist gleich“

„Wir trainieren hier für eine Evakuierungsmission“, sagt er. „Das ist immer noch eine nationale Aufgabe, aber wir wissen, dass wir im Einsatz zusammenarbeiten müssen.“ Noch besser sei es aber, Risiken frühzeitig zu erkennen und dann gemeinsam zu planen. Heute gebe es in der DSKDivision Schnelle Kräfte kaum noch Barrieren. Die 11. Luchtmobiele Brigade sei seit 2014 in die DSKDivision Schnelle Kräfte integriert. „Die Kader kennen sich, das Mindset ist gleich, oft sogar das Material.“ Alles in allem sei so schon heute eine sehr tiefgreifende Integration erreicht. Der Grad dieser Integration sei bei seinem Dienstantritt vor rund 40 Jahren nicht ansatzweise zu erahnen gewesen.

Das Handzeichen des Oberstabsgefreiten am Checkpoint ist unmissverständlich. Halt! Motor aus! Schaukelnd hält der Bus. Zischend öffnet sich die Tür und ein Mann mit der roten Weste des Krisenunterstützungsteams springt heraus. Seine kurzgeschorenen Haare und die knappe militärische Sprache lassen den Soldaten erahnen. „Wir brauchen Sanitätsunterstützung. Ein nicht gehfähiger Verletzter. Ist ein Arzt vor Ort?“ Der Oberstabsgefreite greift zum Funkgerät. Kurz darauf schleppen Helfer den Verletzten auf einer improvisierten Trage zur Hafenmole. Dort kümmern sich Sanitäter um den Mann.

Orangefarbenes Armband als Ticket zur Rettung

Währenddessen lassen die Soldaten des Seebataillons nach und nach immer mehr zu evakuierende Menschen aus dem Bus aussteigen und geleiten sie zum Evakuierungspunkt. „Echos“ heißen die zu evakuierenden Personen im militärischen Sprachgebrauch. Und jeder Echo trägt ein orangefarbenes Armband. Die Angehörigen des Krisenunterstützungsteams hatten am Sammelpunkt die Berechtigung der Schutzsuchenden geprüft. Das Armband bekam, wer zur Gruppe der Schutzbefohlenen zählt. Nun fungiert es als „Eintrittskarte“. Während ihre niederländischen Kameraden an Checkpoints die Zufahrt zum sensiblen Bereich sichern, kümmern sich die deutschen Marineinfanteristen darum, die Menschen über See aus dem Gefahrenbereich zu schaffen.

Zwei Hubschrauber landen auf dem niederländische Docklandungsschiff „Rotterdam“ auf offener See

Das niederländische Docklandungsschiff „Rotterdam“ nimmt 2022 an der Übung schneller Adler teil. Das rund 170 Meter lange Schiff bietet bei Bedarf bis zu 600 Menschen Platz, die etwa zehn Tage lang mit Bordmitteln verpflegt werden können

Bundeswehr/Jana Neumann
Viele Menschen sitzen nebeneinander im Rumpf des Docklandungsschiffs Rotterdam

Im gewaltigen Rumpf der „Rotterdam“ werden die geretteten Schutzbefohlenen versorgt. Beim Schnellen Adler 22 nahmen rund 200 Rollenspieler an der schnellen See-Evakuierung teil. Fast dreimal so viele Menschen hätten im Ernstfall temporär Platz

Bundeswehr/Jana Neumann

In Sechsergruppen mit Speedbooten zur „Rotterdam“

In Sechsergruppen werden die Echos an die Mole gebracht und mit einer Rettungsweste ausgestattet. Speedboote der Marine – korrekt Festrumpfschlauchboote – nähern sich in schneller Fahrt. Kurz vor der Hafenmauer verlieren die wendigen Gefährte abrupt an Geschwindigkeit und dann liegen sie wie an einer Perlenkette vor der Mole. Jetzt muss es schnell gehen. Mit Unterstützung der Marinesoldaten gehen die Schutzbefohlenen gruppenweise an Bord des ersten Bootes. Kaum haben alle Platz genommen, strebt es zur offenen See und das nächste rückt nach. In einer weit auseinandergezogenen Kette ziehen die Boote dann zur „Rotterdam“, die den Schutzsuchenden Sicherheit verheißt. Es ist ein richtiger Pendelverkehr.

Sieben oder acht Minuten dauert die Überfahrt im Mittel, schätzt ein Bootsführer. Der kantige, graue Rumpf der „Rotterdam“ kommt also schnell näher. Etwa 170 Meter lang und 26 Meter breit liegt das Docklandungsschiff rund zweieinhalb Seemeilen vor Sassnitz. Eine Seemeile weiter nördlich liegt die deutsche Korvette „Braunschweig“ in der Dünung und sichert die Operation ab. Die Speedboote nähern sich über die Steuerbordseite des Docklandungsschiffes. Mit stark verminderter Fahrt laufen sie ans Heck und schließlich in den Rumpf der „Rotterdam“ ein. Auf dem Welldeck, einer Art Schwimmdock im Schiff, endet die Reise der Schutzsuchenden vorläufig. Auf einer ansteigenden Rampe stoppen die Boote und die Echos können aussteigen.

Diese Variante des Anbordholens sei fünfmal schneller, als die Menschen über Strickleitern an Deck zu bringen, erklärt ein deutscher Kapitänleutnant. Auch auf der „Rotterdam“ werden die Ankömmlinge erneut registriert und durchsucht. Alles ist gut organisiert, Angehörige der niederländischen Marine stehen den Menschen zur Seite. Sind die Formalitäten erledigt, gibt es zu essen und zu trinken. Auch die sanitären Bedürfnisse werden erfüllt. Für bis zu 600 Menschen reiche die Kapazität des Schiffes, sagt ein Niederländer. Mit den kaum 200 evakuierten Personen heute kratzt das Schiff also noch nicht einmal an seinen Limits. 

Stressig bleibt es für die Besatzung allemal. Denn nach der Verpflegung an Bord müssen die Menschen wieder zurück in den Hafen gebracht werden. Eine kleine Übungskünstlichkeit, die es der „Rotterdam“ erlaubt, nach erfolgreichem Abschluss ihres Übungsbeitrages beim Schnellen Adler den Rückmarsch anzutreten.

von Markus Tiedke

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