Kommando Spezialkräfte

Rettungsspezialisten – Retten aus vorderster Linie

Kommandokräfte operieren häufig in unzugänglichen Gebieten. Der Sanitätsspezialzug stellt sicher, dass die Rettungskette im Fall einer Verwundung dennoch funktioniert. Dafür sind die Rettungsspezialisten als besonders befähigte Unterstützungskräfte hervorragend ausgebildet. Das betrifft ihre soldatische und medizinische Expertise gleichermaßen.

Ein KSK-Soldat kniet neben einem verletzten Soldaten vor einem zerstörten Auto. Dahinter Soldaten und ein Hubschrauber am Boden.

Aufklärungskräfte des Kommandos Spezialkräfte (KSKKommando Spezialkräfte) wurden angesprengt. Es gibt einen Toten und zwei Schwerstverwundete. Der Bewegliche Arzttrupp (BATBeweglicher Arzttrupp) des Sanitätsspezialzuges wird mit dem Hubschrauber nachgeführt und versorgt die Kameraden. Aber die Zeit drängt, denn der massive Blutverlust bedeutet für die Verwundeten eine akute Lebensbedrohung.

Beinamputation unter freiem Himmel – Feldmedizin unter verschärften Bedingungen

Der Anschlagsort bietet ein verheerendes Bild. Bei der Explosion einer versteckten Ladung ist ein Fahrzeug des Spezialaufklärungszuges angesprengt worden. Aus dem zerstörten Auto dringen gedämpfte Schmerzensschreie. Der Fahrer liegt hilflos in der deformierten Fahrgastzelle, sein linkes Bein ist eingeklemmt und beinahe abgerissen. Ein weiterer Soldat hängt leblos aus einem Autofenster. Etliche Meter vom Wrack entfernt sitzt stöhnend ein Schwerverwundeter. Die Explosion hat ihm beide Beine abgetrennt. Der Mann steht offenkundig unter Schock.

Die einzig gute Nachricht bei alledem: Es handelt sich um eine Übung am Standortübungsplatz des Kommandos Spezialkräfte (KSKKommando Spezialkräfte) in Calw. Oberfeldarzt Jörg R.* steht mit verschränkten Armen neben dem Albtraumszenario. Als Kommandoarzt ist er unter anderem medizinischer Berater des Kommandeurs. Aber auch die Weiterentwicklung der fachlichen Fähigkeiten der Sanitätskräfte des KSKKommando Spezialkräfte fallen in seinen Aufgabenbereich.

Eine Besonderheit stellt der Sanitätsspezialzug dar. Ein gar nicht mal so kleines Element aus taktisch und medizinisch besonders sorgfältig ausgebildeten Soldatinnen und Soldaten, die den Kommandosoldaten bei Einsätzen bis dicht in die Gefahrenzone folgen. Dort übernehmen sie etwaige Verwundete und machen so die Hauptkräfte wieder frei.

Diese Rettungsspezialistinnen und -spezialisten sowie Einsatzärztinnen und -ärzte stellen das erste Glied einer langen Rettungskette dar, die in der Heimat im Bundeswehrkrankenhaus endet. Ihre Funktion ist so wichtig, dass Operationen der Kommandokräfte ohne sie praktisch nicht stattfinden.

  • Anschlag

    Das Fahrzeug des Spähtrupps wurde durch einen versteckten Sprengsatz zerstört. Ein Mann ist tot, zwei Soldaten schwer verwundet. Ein Hubschrauber bringt Kommandosoldaten.

    Bewaffnete KSK-Soldaten laufen auf ein zerstörtes Auto zu. Ein verletzter Soldat liegt im Gras. Hinten steht ein Hubschrauber.
  • Erstversorgung

    Die Kommandosoldaten kümmern sich als Ersthelfer um ihre verwundeten Kameraden. Die Blutung stoppen lautet das Gebot der Stunde. Danach übernehmen die besser ausgestatteten Rettungsspezialisten.

    KSK-Soldaten versorgen einen verletzten Soldaten vor einem zerstörten Auto. Ein Hubschrauber in der Luft.
  • Spezialisten im Einsatz

    Reanimation mit vereinten Kräften: Zwei Rettungsspezialisten des KSKKommando Spezialkräfte simulieren eine Wiederbelebung an einem Darsteller. Dank modernster Technik sind die Bedingungen bei der Übung äußerst realistisch.

    Zwei KSK-Soldaten reanimieren einen Verwundeten im Gelände.
  • Verwundetenversorgung

    Dank ihrer gründlichen Ausbildung und der exzellenten Ausstattung können die Rettungsspezialisten auch unter primitiven Feldbedingungen anspruchsvolle Eingriffe vornehmen.

    KSK-Soldaten versorgen einen verletzten Soldaten im Gelände. Ein Soldat im Vordergrund bereitet eine Infusion vor.
  • MedEvacMedical Evacuation (Luftevakuierung)

    Jede Minute zählt! Angehörige des Beweglichen Arzttrupps bringen den Verwundeten mit vereinten Kräften zum MedEvacMedical Evacuation-Hubschrauber.

    KSK-Soldaten tragen einen Verwundeten in einem Tragetuch zu einem Hubschrauber.

„Wir brauchen Allrounder.“

„Um den hohen Anforderungen beim Zusammenwirken mit den Kommandokräften gerecht zu werden, sind die Angehörigen des Sanitätsspezialzuges von uns handverlesen“, sagt R. Sie müssten sich einem Potenzialfeststellungsverfahren stellen, das in Teilen dem der Kommandosoldaten gleiche, erklärt der Arzt weiter. Körperliche Fitness, fachliche Exzellenz und das richtige Mindset seien bei den Kandidaten unabdingbar. „Spezialkräfte sind oft besonderen Risiken ausgesetzt und das trifft auch auf die Soldaten des Sanitätsspezialzuges zu.“ Hier reiche es nicht, ein guter Sanitäter zu sein. „Wir brauchen Allrounder.“ 

Was der Kommandoarzt damit meint, wird klar, als ein LUHLight Utility Helicopter H145M der Luftwaffe über den nahen Waldsaum fliegt. Diese leichten und vielseitigen Transporthubschrauber werden von der 4. Staffel des HSGHubschraubergeschwader 64 geflogen und sind speziell an die Bedürfnisse der Spezialkräfte angepasst. Eine Konfiguration erlaubt auch den Einsatz als MedEvacMedical Evacuation-Hubschrauber. Am Boden haben sich in der Übungslage bislang Kommandosoldaten als Ersthelfer um die Verwundeten gekümmert. Außerdem hatte der Truppführer den Luftbeweglichen Arzttrupp (LBAT) angefordert. Und der wird nun mit dem Helikopter nachgeführt. Kaum am Boden, springen vier vollbepackte Soldaten aus der Maschine und eilen zum Anschlagsort. 

Dynamische Szenarien für hohen Grad an Realismus

Auch zivile Beobachter sind vor Ort, allesamt Spezialistinnen und Spezialisten mit medizinischem Hintergrund. Ihre Firma gehört zum Klinikum Ludwigsburg, das schon länger mit der Bundeswehr kooperiert. Das Fachpersonal hat unter anderem tragbare Monitore mitgebracht, mit denen sich die Vitalfunktionen von Patienten simulieren lassen. Blutdruck, Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz, all das lässt sich darstellen. Und bei Bedarf auch manipulieren. „Wir spielen die pathologischen Werte ein und die Reaktion muss sofort erfolgen“, erklärt einer der Beobachter. „So können wir der Übung jederzeit eine neue Wendung geben. Ganz dynamisch, wie es die Situation erfordert.“

KSK-Soldaten versorgen in einem Gebäude einen am Boden liegenden Soldaten mit einer schweren Beinverletzung.

Die Stabilisierung des Verwundeten ist der Hauptauftrag der Rettungsspezialisten. Nur so hat er eine Chance, rechtzeitig in eine Behandlungseinrichtung gebracht zu werden. Bei Schwerstverwundeten müssen vor allem die Blutungen gestillt werden.

Bundeswehr
Zwei KSK-Soldaten verbinden den Beinstumpf eines verwundeten Soldaten.

Rettungsspezialisten des KSKKommando Spezialkräfte versorgen den Beinstumpf eines Verwundeten. Auch die Gabe von Schmerzmitteln gehört zu ihren Aufgaben. Wärmeverlust beim Patienten muss vermieden werden.

Bundeswehr

Beinamputation am Anschlagsort

Für das Personal des Sanitätsspezialzuges bedeutet das natürlich auch mehr Stress. „Aber genau das wollen wir abbilden“, sagt R., ohne den Blick von den Soldaten zu wenden. „Im Einsatz kann alles Mögliche passieren. Nur mit viel Fachwissen, Praxis und Routine lässt sich dort bestehen.“ Zwei Rettungsspezialisten kauern neben dem Fahrer des Wagens, dessen Bein offensichtlich nicht zu retten sein wird. Es muss gleich hier vor Ort amputiert werden.

Das zweite Team kümmert sich um den Verwundeten, dessen Beine beim Anschlag abgerissen wurden. Sein Name ist Ian. Der 30-Jährige arbeitet als Rollenspieler für eine britische Firma, die überwiegend teilamputierte Schauspieler beschäftigt und eng mit verschiedenen europäischen Spezialkräften zusammenarbeitet. „Diese Jungs wissen genau, wie Schwerstverletzte reagieren“, sagt R. „Und mit den fehlenden Gliedmaßen ist das auch für hartgesottene Sanitäter kein alltäglicher Auftrag.“ Zusätzlich werden die Darsteller noch mit künstlichem Gewebe präpariert, an dem sich sogar eine reale Wundversorgung durchführen lässt.

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Medizinisch versiert, körperlich topfit und sehr fokussiert. Wer als Rettungsspezialist zum Kommando Spezialkräfte will, muss einen harten Auswahltest bestehen und die richtige innere Einstellung mitbringen.  

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  • Zwei bewaffnete KSK-Soldaten stehen vor einem Hubschauber.
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    Der Auftrag

    Wenn die Angehörigen des Kommandos Spezialkräfte (KSKKommando Spezialkräfte) in den Einsatz gehen, muss eine funktionierende Rettungskette gewährleistet sein. Das erste Glied dieser Kette bilden beim KSKKommando Spezialkräfte sogenannte Besonders Befähigte Unterstützungskräfte (BBUBesonders Befähigte Unterstützungskräfte) aus den Reihen des Sanitätsspezialzuges. Die Angehörigen des Sanitätsspezialzuges sind bestens ausgebildete, einsatzerfahrene Ärztinnen und Ärzte sowie Notfallsanitäterinnen und -sanitäter. Ohne sie finden Operationen des KSKKommando Spezialkräfte in der Regel nicht statt.

    Der Sanitätsspezialzug folgt den Kommandosoldaten auf Abruf bis nahe an die unmittelbare Kampfzone und, wenn es sein muss, auch weiter. Verwundete werden also im Ernstfall unter erheblicher Eigengefährdung der BBUBesonders Befähigte Unterstützungskräfte übernommen. Nur so können sie die Kommandosoldaten möglichst schnell wieder für ihren eigentlichen Auftrag freimachen.

    Die Angehörigen des Sanitätsspezialzuges operieren entweder zu viert im Beweglichen Arzttrupp (BATBeweglicher Arzttrupp) mit Einsatzärztin und -arzt oder zu dritt als Rettungstrupp. Dank ihrer Ausbildung sind sie in der Lage, weltweit in allen Klimazonen zu operieren. Nach der ersten Versorgung im Felde gilt es, die Verwundeten möglichst schnell an das nächste Glied der Rettungskette zu übergeben – das Einsatzchirurgenteam SOSTSpecial Operations Surgical Team (Special Operations Surgical Team).

  • Ein KSK-Soldaten seilt sich aus einem Hubschauber auf das Dach eines Gebäudes ab.
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    Folgefähigkeit

    Um den Kommandosoldaten in ihre Einsätze folgen zu können, wird von den Angehörigen des Sanitätsspezialzuges Flexibilität und Vielseitigkeit gefordert. Neben fachlicher Exzellenz und körperlicher Fitness ist die mentale Einstellung zum Beruf von großer Bedeutung. Kandidatinnen und Kandidaten müssen sich darüber im Klaren sein, dass der Job physisch und psychisch deutlich fordernder als eine durchschnittliche Verwendung im Sanitätsdienst ist.

    Abgesetzt operierende Spezialeinheiten können nicht ohne Weiteres Nachschub oder Verstärkung erhalten. Das limitiert die Möglichkeiten im Einsatz und fordert besonderen Einfallsreichtum und Routine bei medizinischen Maßnahmen. Außerdem werden die Rettungsspezialisten des KSKKommando Spezialkräfte in den verschiedensten Verbringungsarten geschult. Schnelles Anlanden mit oder Abseilen vom Hubschrauber gehören dazu. Perspektivisch soll das Personal auch befähigt werden, der Truppe im Freifallverfahren am Lenkschirm zu folgen.

    Um geeigneten Nachwuchs auszuwählen, müssen sich Interessierte einem Potenzialfeststellungsverfahren stellen, das in Teilen dem für Kommandosoldaten entspricht. Das Verfahren dauert eine Woche und schließt unter anderem eine Durchschlageübung im Schwarzwald mit ein. Dabei werden die Kandidaten auf Herz und Nieren geprüft.

  • Mehrere KSK-Soldaten versorgen einen am Boden liegenden verwundeten Soldaten im Gelände.
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    Rettungsspezialisten mit NATO-Zertifikat

    Die Fähigkeiten des Sanitätsspezialzuges orientieren sich an den NATO-Vorgaben für das Sanitätspersonal bei Spezialkräften. Das Akronym NSOMTNATO Special Operations Medical Technician steht für NATO Special Operations Medical Technician und codiert eine umfangreiche standardisierte Ausbildung mit anschließender Zertifizierung nach den Vorschriften der Allianz.

    Die NSOMTNATO Special Operations Medical Technician beim KSKKommando Spezialkräfte werden in der Regel als Rettungsspezialisten bezeichnet, wobei ihre Ausbildung die Zertifizierungsvorgaben der NATO sogar noch übertrifft. Die Rettungsspezialisten sind Portepee-Unteroffizierinnen und -offiziere, die bereits bis Notfallsanitäter ausgebildet sind, wenn sie in die weiterführende Ausbildung beim KSKKommando Spezialkräfte einsteigen.

    Ihre Basisausbildung umfasst einerseits einen militärfachlichen Anteil mit taktischen Elementen. Hier lernen die angehenden NSOMTNATO Special Operations Medical Technician zum Beispiel, wie Verwundete aus schwer zugänglichen Orten zu retten sind oder wie sich Sanitätspersonal unter Feuer des Gegners bewegt. Der medizinfachliche Teil gliedert sich in Praktika und theoretischen Unterricht. Dabei steht unter anderem der erweiterte Einsatz von Medikamenten im Fokus. Insgesamt dauert die Ausbildung rund ein Jahr.

  • Zwei KSK-Soldaten versorgen in einem Gebäude einen am Boden liegenden Soldaten mit einer schweren Beinverletzung.
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    Realitätsnahe Ausbildung

    Train as you fight. Dieser Grundgedanke zieht sich durch die gesamte Ausbildung beim KSKKommando Spezialkräfte. Für die Sanitätskräfte gilt da nichts anderes. Übungsszenare des Sanitätsspezialzuges werden daher nicht vom bestmöglichen Szenario her entwickelt, sondern eher vom GAU. Herausforderung geht vor Bequemlichkeit.

    Bei seinen Übungen kooperiert das KSKKommando Spezialkräfte – wie viele andere europäische Spezialkräfte auch – seit Jahren mit einer britischen Firma, die überwiegend körperlich versehrte Schauspieler beschäftigt. Diese Personen haben Gliedmaßen meist durch Unfälle und mitunter auch als Truppe im Einsatz verloren. Der Einsatz dieser sehr erfahrenen Darsteller bringt auch hartgesottenes Sanitätspersonal an seine Grenzen. Denn die erlittenen Verletzungen lassen sich in der Übung viel realistischer darstellen, was den Stresspegel für die Truppe anhebt.

    Die Schauspieler werden vor der Übung mitunter auch mit speziellem Kunstgewebe präpariert, an dem sich sogar Schnitte mit dem Skalpell durchführen lassen. Oft unterstützen zivile Beobachter die Übungen mit tragbaren Monitoren, mit denen sich die Vitalfunktionen eines Patienten darstellen und manipulieren lassen. Die fachliche Auswertung kann so unmittelbar vor Ort erfolgen.

  • Ein KSK-Soldat bedient ein mobiles Gerät während der Versorgung eines verwundeten Soldaten.
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    Prolonged Field Care

    Ziel der taktischen Verwundetenversorgung ist stets eine schnelle Übergabe an adäquat ausgestattete Behandlungseinrichtungen. Wenn aber Spezialkräfte in unzugänglichen Gebieten operieren oder die taktische Situation es erfordert, müssen Verwundete auch unter schwierigen Bedingungen einige Zeit versorgt werden können.

    Die sogenannte Prolonged Field Care bedeutet im Grunde Intensivmedizin unter widrigen Umständen und stellt höchste Anforderungen an die fachliche Kompetenz der NSOMTNATO Special Operations Medical Technician. Tatsächlich werden die Angehörigen des Sanitätsspezialzuges dazu ausgebildet, Verwundete unter primitiven Feldbedingungen bis zu 72 Stunden am Leben zu halten. Neben der Pflege durch die NSOMTNATO Special Operations Medical Technician im Schichtsystem wird auch der schonende Transport des Verwundeten geübt.

    Zur technischen Ausstattung für die Prolonged Field Care gehören neben Ultraschallgeräten unter anderem mobile Überwachungsmonitore sowie tragbare Beatmungsgeräte und Sauerstoffkonzentratoren. Außerdem sind die Rettungsspezialisten befähigt, als Ultima Ratio direkt Bluttransfusionen von Mensch zu Mensch vorzunehmen.

    von Markus Tiedke