Zeitenwende

Bereit zur Verteidigung

Bereit zur Verteidigung

Datum:
Ort:
Weißkeißel
Lesedauer:
6 MIN

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Die Zeitenwende hat Reservistinnen und Reservisten noch wichtiger gemacht. Wie unterstützen sie die Truppe und zivile Stellen beim Heimatschutz? Y hat sich bei einer Übung in Sachsen umgeschaut.

Ein Soldat kniet mit Maschinengewehr im Anschlag im Gelände

Gut zwei Monate pro Jahr übt Oberstabs­gefreiter Paul Alexander D. bei der sächsischen Heimatschutzkompanie. Seinen freiwilligen Wehrdienst leistete er bei der Marine.

Bundeswehr/Haiko Hertes

Der Truppenübungsplatz Oberlausitz Ende April. Unweit einiger Unterkunftsgebäude haben Soldaten der Heimatschutzkompanie Sachsen einen Parcours aufgebaut und mit Stacheldraht und Maschinengewehrstellungen gesichert. Den Eingang schützt ein Checkpoint. Zentrales Element in diesem Compound ist das Convoy Support Centre (CSCConvoy Support Centre), eine Art Rastplatz für durchmarschierende NATONorth Atlantic Treaty Organization-Truppen. Niederländische Militärfahrzeuge sind hier abgestellt und signalisieren: Die Übungsserie Qua­driga findet auch in Ostsachsen statt. 

Während der Verlege­phasen des Manövers unterstützen die Heimatschützer am CSCConvoy Support Centre die durch­ziehenden Verbündeten logistisch und sichern das Areal. Allerdings haben die meisten niederländischen Kameradinnen und Kameraden wegen des „Königstags“ gerade Heimaturlaub, ihre Fahrzeuge sind verwaist. Dafür sind die Bereiche der Blaulichtorganisationen gut gefüllt: Betriebsamkeit herrscht an einem Rettungswagen des Deutschen Roten Kreuzes (DRKDeutsches Rotes Kreuz) und in einer mobilen Werkstatt des Technischen Hilfswerks (THWTechnisches Hilfswerk). Auch ein Streifenwagen der sächsischen Polizei ist vor Ort. Den Rahmen für all das bildet National Guardian, eine zu diesem Zeitpunkt deutschlandweit laufende Übung, bei der die Kernaufträge der Heimatschützer im Fokus stehen.

Oberstleutnant Robin S.* ist Chef der Heimatschutzkompanie Sachsen. Der 43-Jährige hat über zwölf Jahre in der Panzertruppe gedient, war Kommandant auf dem Leopard 2 A6, Zugführer und Kompanieeinsatzoffizier. Mit seinem Bataillon diente er in Kosovo und Afghanistan. Nach dem Ende seiner Dienstzeit wechselte S. zum DRKDeutsches Rotes Kreuz. „Ein klassischer Schreibtischjob“, sagt der mittlerweile vierfache Familienvater und lächelt. Auf die Bundeswehr wollte S. nicht völlig verzichten. „Ich bin mit 17 Jahren zum Bund. Ich habe da quasi meine ganze Jugend zugebracht und das waren gute Zeiten“, berichtet er. „Der Dienst als Reservist ist für mich wie geschaffen, um eng dranzubleiben an der Truppe.“ 

Von Anfang an engagierte sich S. in der Heimatschutzkompanie Sachsen. Dort war er zunächst stellvertretender Kompaniechef und übernahm schließlich im Dezember 2018 die Führung selbst. Übungen und Amtshilfe sind nur der sichtbare Teil des Dienstes. Viele Dinge wie Vorbereitungen und Dienstpläne werden nebenher erledigt – nach der Arbeit oder vor der Familienfeier am Wochenende.

Auftrag: Infrastruktur schützen

Im Zuge der russischen Aggression in der Ukraine und der Zeitenwende wurde die Rolle der Heimatschützer deutlich aufgewertet. Daraus resultiert auch ein größeres öffentliches Interesse an ihrer Funktion. Deshalb übt S. heute mit seinen Leuten für den anstehenden Pressetag des Landeskommandos Sachsen. Neben zahlreichen Journalistinnen und Journalisten wird Prominenz aus Politik und Militär erwartet, Pannen sollten da besser ausbleiben. 

Die Heimatschützer zeigen in einer Art Lehrvorführung, welche Aufgaben sie im Verteidigungsfall übernehmen würden. Während seine Reservistendienstleistenden also nacheinander ihre Fähigkeiten demonstrieren, kommentiert S. ihr Vorgehen am Mikro­fon schnörkellos und militärisch knapp. Das Publikum setzt sich heute noch aus Angehörigen der Offizierschule und Unteroffizierschule des Heeres zusammen, die auf einer überdachten Tribüne Platz genommen haben.

Zwei Soldaten besprechen sich an einer Karte
Oberstleutnant Robin S., Kompaniechef Bundeswehr/Thilo Pulpanek
„Unser Auftrag lautet im Kern, Infrastruktur zu schützen, die für die Verteidigung relevant ist.”

Die Reservisten haben es weniger bequem. Hier in der Oberlausitz brennt die Sonne seit Tagen vom Himmel. Es ist heiß, trocken und mit Sicherheit nicht vergnügungs­steuerpflichtig, dreimal hintereinander die gleiche Lehrvorführung darzubieten. „Unser Auftrag lautet im Kern, Infrastruktur zu schützen, die für die Verteidigung relevant ist“, erklärt S. „Und wir müssen in der Lage sein, im Verteidigungsfall mit zivilen Behörden und Organisationen zusammenzuarbeiten.“ 

Und deshalb zeigen seine Reservisten in der prallen Sonne, wie Fahrzeuge auf versteckte Sprengsätze abgesucht werden und wie man seine Kameradinnen und Kameraden dabei am Checkpoint richtig sichert. Mit Vollgas verfolgen sie einen verdächtigen Drohnenpiloten, zwingen dessen Quadro­kopter zur Landung und übergeben den Verdächtigen der Polizei. Oder die Heimatschützer demonstrieren die Zusammenarbeit mit dem DRKDeutsches Rotes Kreuz bei der Übergabe eines verwundeten Soldaten. Ihr Chef beobachtet und kommentiert derweil fürs Publikum.

Ein Soldat und zwei Sanitäter schieben einen verwundeten Soldaten in ein Krankentransportfahrzeug

Die Zivil-Militärische Zusammenarbeit wird geübt. Ein verletzter Heimatschützer wird Sanitätskräften des DRKDeutsches Rotes Kreuz übergeben.

Bundeswehr/Thilo Pulpanek
Zwei Polizisten stellen eine männliche Person an ein Auto

Sächsische Polizei​beamte trainieren die Festnahme eines Drohnenpiloten. Die Heimatschützer hatten seine Drohne beim Überfliegen militärischer Liegenschaften zur Landung gezwungen, ihn festgesetzt und der Polizei übergeben.

Bundeswehr/Thilo Pulpanek

Mehr klassisches Soldatenhandwerk

Russlands Angriff auf die Ukraine hat 2022 die Sicherheitsarchitektur Europas durcheinandergeworfen. Die Folgen spüren auch die sächsischen Heimatschützer genauso wie ihre Kameradinnen und Kameraden in ganz Deutschland. „Seither liegt der Fokus deutlich stärker auf dem militärischen Heimatschutz“, sagt S. Dies beinhalte auch mehr klassisches Soldatenhandwerk. Nur konsequent also, dass die meisten Kompanieangehörigen gerade eine Sicherungsausbildung auf Zug­ebene durchlaufen oder mit dem MG3 und MG5 das Schießen üben. „Nur ein kleiner Teil von uns nimmt hier an der Präsentation teil“, ergänzt S. Die veränderte politische Lage habe unter seinen Leuten nicht zu Unsicherheit geführt. „Das sind alles hoch motivierte Freiwillige, die besser werden wollen.“ 

Die Vorstellung, dass ihre Heimat in Gefahr sein könnte, vertiefe die Bereitschaft, sich zu engagieren. „Um hier dabei zu sein, müssen sich unsere Reservisten vom Arbeitgeber entbinden lassen und auch in der Familie alles sauber vorab klären. So jemand will dann hier nicht um 15 Uhr in den Dienstschluss gehen.“ Rund 165 Männer und Frauen sei sein Personal­pool stark, sagt S. Auf den harten Kern der Heimatschutzkompanie könne er sich zu 100 Prozent verlassen. Die würden alle Hebel in Bewegung setzen, um Übungen mit der Truppe zu ermöglichen.

Stabsfeldwebel Robert H.* steht wahrscheinlich prototypisch für den harten Kern der Kompanie. Während der Lehrvorführung sitzt er im Kompanie­gefechtsstand und bedient dort das Funkgerät. H. hat einen langen militärischen Hintergrund. Der 43-Jährige wohnt in der Nähe von Dresden und war 15 Jahre lang Zeitsoldat. „Den größten Teil dieser Zeit habe ich beim damaligen Jägerregiment 1 in Schwarzenborn gedient“, sagt H. Nach dem Ende seiner Dienstzeit begann er, als Reservistendienstleistender bei der Heimatschutz­kompanie zu üben. „Ich wollte nicht Berufssoldat werden, aber ganz mochte ich mit dem Kapitel Bundeswehr auch nicht abschließen“, erzählt er. 

Inzwischen sind zehn Jahre in der Heimatschutzkompanie zusammen­gekommen. Vom Gruppenführer ist er zum Kompanietruppführer aufgestiegen. Er muss keinen Arbeitgeber um Freistellung bitten, denn als KfzKraftfahrzeug-Meister ist er sein eigener Boss. Aber der Sachse hat auch drei Kinder und dient seiner Gemeinde als stellvertretender Gemeindewehrleiter. Warum also noch Reservistendienst? H. zuckt mit den Schultern: „Ich war von Jugend auf Soldat, mein Vater und mein Onkel auch. Das hat mich geprägt. Der Dienst an der Waffe ist besonders, auch die Kameradschaft. Früher im aktiven Dienst und jetzt bei uns in der Heimatschutz­kompanie ist die Kameradschaft das A und O.“ Hier habe er die Gelegenheit, sich einzubringen und etwas für die Heimat zu tun.

Ein Mann arbeitet an einem Schreibtisch
Oberstabsgefreiter Paul Alexander D., Angehöriger Heimatschutzkompanie Sachsen Bundeswehr/Tom Twardy
„Der Dienst bei den Heimat­schützern ist für mich ein Ausgleich zum Studium.”

Grabenkampf in der Lausitz

Einer derjenigen, die sich in der Oberlausitz unsichtbar für die Öffentlichkeit mit Waffendrill befassten, ist Oberstabsgefreiter Paul Alexander D.* Der 24-Jährige hat freiwillig seinen Wehrdienst geleistet und war ein Jahr bei der Marine in Parow. Seit drei Jahren studiert er Informatik, fast ebenso lange gehört er auch der Heimatschutzkompanie an. Warum hat D. überhaupt gedient? Der junge Dresdner sagt: „Ich will meinem Land dienen.“ Das klinge für manche wie eine Floskel, ihm sei es aber ernst damit, sagt der Student. 

Diese Haltung habe zu Konflikten geführt, nicht zuletzt mit den Eltern. „Mein ­Vater hatte mir vom Wehrdienst abgeraten. Er selbst hat in der NVANationale Volksarmee gedient und keine guten Erinnerungen daran.“ Am Ende ­akzeptierten sie seine Entscheidung aber und unterstützten ihn auch. „Der Dienst bei den Heimatschützern ist für mich ein Ausgleich zum Studium“, sagt D. „Wir sind immer viel draußen unterwegs und erleben Sachen, die es im Zivilleben einfach nicht gibt. In der Oberlausitz haben wir unter anderem den Grabenkampf geübt.“ 

Auch die Kameradschaft sei für ihn wichtig, die Kontakte mit den Jungs seien nicht auf den Dienst beschränkt. Im Schnitt lasse er sich zwei Monate pro Jahr beordern. Zudem stimme das Geld, sagt ­D. „Für mich nicht das ausschlaggebende Argument, aber ein schöner Nebeneffekt.“ Das nächste Highlight steht bereits an: Für eine intensive Schießausbildung fahren die Sachsen für zwei Wochen an die Infanterieschule nach Hammelburg.

*Namen zum Schutz der Soldaten abgekürzt.

von Markus Tiedke

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