Homosexualität in den Streitkräften

Rehabilitierung diskriminierter Soldaten: Traut euch!

Rehabilitierung diskriminierter Soldaten: Traut euch!

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

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Mit der Bundeswehr hatte er längst abgeschlossen. Wolfgang Wala wurde Ende der 1970er-Jahre als Wehrdienstleistender von Vorgesetzten und Kameraden gemobbt, weil er aus seiner Homosexualität keinen Hehl gemacht hatte. Anfang des Jahres stellte der 67-Jährige seinen Rehabilitierungsantrag beim Verteidigungsministerium – und wurde positiv überrascht.

Ein Mann im Porträt

Prinzipientreu: Wolfgang Wala wurde als Wehrdienstleistender gemobbt, weil er mit seiner Homosexualität offen umging. Bis in das Jahr 2000 hinein wurden homosexuelle Soldaten in der Bundeswehr systematisch diskriminiert.

Bundeswehr/Sebastian Wilke

„Ich war erstaunt, wie schnell das ging“, sagt Wala, der inzwischen seinen Ruhestand genießt. „Ich habe den Antrag am 13. Januar über das Onlineportal des Verteidigungsministeriums gestellt, meine Geschichte geschildert und gleich am nächsten Tag einen Rückruf bekommen.“ Eine Woche später war klar: Wolfgang Wala wird für die während seiner Zeit bei der Bundeswehr erlittenen Benachteiligungen rehabilitiert. Zudem erhält er eine Entschädigung für die diskriminierenden Erfahrungen in einer Truppe, die Homosexualität viel zu lange als Gefahr für ihren inneren Zusammenhalt angesehen hatte.

Wolfgang Wala wurde im Jahr 1977 zum Grundwehrdienst eingezogen. Er hatte seine Homosexualität zuvor schon einige Jahre offen gelebt und war nicht bereit, diese zu verleugnen. Dass es deswegen Schwierigkeiten geben würde, war ihm klar: Die Streitkräfte akzeptierten damals keine Homosexuellen in ihren Reihen. Ganz im Gegensatz zur heutigen Bundeswehr, die für Vielfalt und Toleranz eintritt. Eine Kriegsdienstverweigerung kam für Wala aus persönlicher Überzeugung nicht in Frage: „Ich habe offen und ehrlich gesagt: Ich bin schwul. Das musste gemacht werden, damit sich etwas änderte. Es waren andere Zeiten damals. Homosexualität wurde von vielen als unnatürlich wahrgenommen.“

Wehrdienstzeit wurde zum Spießrutenlauf

Erst bei der dritten Musterung wurde Wala als wehrdienstfähig eingestuft. Zuvor war er aus vermeintlich „medizinischen Gründen“ zurückgestellt worden. Die Bundeswehr werde einen „richtigen Mann“ aus ihm machen, gab ihm der Musterungsarzt mit auf den Weg.

Walas 15-monatige Wehrdienstzeit bei einer Flugabwehreinheit geriet zum Spießrutenlauf. Schon vor seinem Dienstantritt wusste die ganze Kaserne, dass sich der neue Rekrut zu Männern hingezogen fühlte. „Es ging schon in der Grundausbildung los“, erinnert sich Wala. Er musste systematisches Mobbing erleiden: Beim Antreten sei er von Vorgesetzten als „Fräulein Wala“ angesprochen worden. Einmal hätten ihn seine Stubenkameraden im Schlaf mit einem Eimer eiskaltem Wasser übergossen. „Den Warmen abkühlen, haben sie das genannt.“

Fortwährende Schikane von Vorgesetzten und Kameraden

Beschwerden bei den Vorgesetzten, von denen er sich Unterstützung erhoffte, halfen nichts. Das Gegenteil war der Fall. Wala musste weitere Beleidigungen – auch von seinem Kompaniechef – über sich ergehen lassen. Ihm wurden die Heimfahrten am Wochenende gestrichen. Stattdessen musste er stundenlang die Dielen der Mannschaftsunterkunft bohnern. „Das war eigentlich Arbeit für drei Mann, ich musste sie aber alleine erledigen.“ Kameraden wechselten die Straßenseite, wenn Wala ihnen auf dem Kasernengelände entgegenkam.

Wala wurde schließlich eine Einzelstube zugewiesen. Dennoch gingen die Schikanen seiner Kameraden weiter. Er wurde aus dem Bad geworfen, weil sie nicht mit einem Homosexuellen duschen wollten. Abends, bei der Rückkehr auf die Stube, war mal der Spind verwüstet, mal das Bett in sämtliche Einzelteile zerlegt worden. „Irgendetwas ist ihnen immer eingefallen“, sagt Wala.

Entschuldigung der Bundeswehr war ihm das Wichtigste

Seinen Wehrdienst leistete er trotzdem bis zum letzten Tag ab. „Ich wollte nur noch raus. Ich hatte nicht erwartet, in ein derart homophobes Umfeld zu geraten. Alle haben die gleiche Trommel geschlagen.“ Wala verließ die Bundeswehr als Obergefreiter und machte Karriere in der Werbeindustrie. „Eigentlich hatte ich die ganze Sache abgehakt. Doch dann habe ich aus dem Fernsehen erfahren, dass sich die Bundeswehr für die Diskriminierung Homosexueller entschuldigt hat und die Betroffenen rehabilitieren möchte.“

Sein erster Gedanke sei gewesen: „Nein, das machst du nicht.“ Dann aber kam Wala ins Grübeln. „Ich habe mir gesagt: Was soll schon passieren?“ Eine Internetrecherche führte ihn zum Rehabilitierungsportal des Verteidigungsministeriums. Er füllte das digitale Antragsformular aus. Wenige Tage später hatte er seinen Bescheid, seine Rehabilitierungsurkunde und ein Entschuldigungsschreiben im Briefkasten.

Die symbolische finanzielle Entschädigung sei nur Nebensache, so Wala. „Viel wichtiger ist das Eingeständnis der Bundeswehr, dass mir damals Unrecht angetan wurde. Das habe ich nun Schwarz auf Weiß.“ Heute hat er seinen Frieden mit seiner Wehrdienstzeit gemacht. Anderen ehemaligen Soldaten, die dienstliche Nachteile wegen ihrer homosexuellen Orientierung erleiden mussten, empfiehlt Wolfang Wala, es ihm gleichzutun: „Es ist ein gutes Gefühl, die ganze Sache loszuwerden. Traut euch!“

von Timo Kather

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