Pioniertaucher der Bundeswehr

Motor eines USUnited States-Bombers kommt nach 80 Jahren ans Licht

Fast 80 Jahre ruhte ein USUnited States-amerikanischer Flugzeugmotor auf dem Grund der Müritz. Pioniertaucher der Bundeswehr haben den Motor nun mit Ehrenamtlichen des Luftfahrttechnischen Museums Rechlin geborgen. Der Aktion waren lange Vorbereitungen unter Beteiligung ziviler Behörden vorausgegangen. Das Artefakt soll restauriert und ausgestellt werden.

Mehrere Soldaten sitzen in einem Schlauchboot was im Wasser schwimmt, Taucher halten sich daran fest

Pioniertaucher und Ehrenamtliche bergen rostigen Schatz

In Rechlin an der Müritz befand sich einst die Fliegerische Versuchsanstalt. Von 1917 bis 1945 wurden hier Flugzeuge getestet. Nach dem Ende der militärischen Nutzung entstand ein Luftfahrttechnisches Museum. Und das könnte dank einer gemeinsamen Aktion von Pioniertauchern und zivilen Luftfahrtenthusiasten bald um eine Attraktion reicher sein.

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  • Ein Propeller einer US-amerikanischen Boeing B-17 Flying Fortress, ausgestellt in einem Museum.
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    Rechlin – mehr als hundert Jahre Luftfahrtgeschichte

    Das Areal um die Ortschaft Rechlin am Südufer der Müritz ist historisch belastetes Gelände. Ab 1917 entstand hier die Fliegerische Versuchs- und Lehranstalt der Kaiserlichen Luftstreitkräfte. Gemäß den Regeln des Versailler Vertrages lag der Flugbetrieb nach 1919 einige Zeit darnieder. Aber bereits in den Zwanzigerjahren wurden in Rechlin wieder neue Flugmuster erprobt. Mit der Wiederaufrüstung ab 1933 wuchs die Erprobungsstelle der Luftwaffe zum mit 190 Quadratkilometern weltweit größten und modernsten Testzentrum auf. 

    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die durch Bombenangriffe und Sprengungen schwer zerstörten Anlagen von den Sowjets weitgehend demontiert. Einige Bereiche übernahmen die sowjetischen Streitkräfte für ihre Fliegerhorste. Andere Areale wurden zivil genutzt. Nach dem Ende der DDR und dem Abzug der Sowjettruppen haben ehrenamtliche Luftfahrtenthusiasten in den Neunzigerjahren das Luftfahrttechnische Museum Rechlin gegründet. Zahlreiche Großexponate mit Bezug zur Region und zur historischen Stätte werden hier gezeigt. Darunter viele Leihgaben des Militärhistorischen Museums der Bundeswehr Gatow, mit dem eine enge Partnerschaft besteht.

    Seit 2015 zeigt das Museum den Propeller einer USUnited States-amerikanischen Boeing B-17 Flying Fortress, die im August 1944 nach Flaktreffern auf der Müritz notwassern musste. Knapp 80 Jahre später sollte auch der Wright 1820 Cyclone-Motor des USUnited States-Bombers in einer gemeinsamen Aktion des Museums mit Pioniertauchern der Bundeswehr geborgen werden und nach der Restaurierung seinen Platz im Museum finden.

  • Zwei Soldaten bereiten ihre Tauchausrüstung auf einem Tisch vor
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    Ein Sonderauftrag für die Pioniertaucher aus Havelberg

    Die 5. Kompanie des Pionierbrückenbataillons 130 ist anders als das Gros der Einheit nicht im westfälischen Minden, sondern in Havelberg stationiert. Damit sind auch die Angehörigen des Taucherzuges der 5./130 truppendienstlich dem Panzerpionierbataillon 803 unterstellt. Oberfähnrich Martin W.*, scheidender Zugführer der Unterwasserspezialisten, hat seit langer Zeit auf den Tag der Bergung hingearbeitet. „Es war ein langer und steiniger Weg durch die Amtsstuben, bis wir alle erforderlichen Papiere beisammenhatten“, sagt W. „Die Bergung so eines Motors ist für uns auf jeden Fall etwas Besonderes“, fügt er hinzu. Normalerweise würden zu Ausbildungszwecken Betongewichte verwendet. Auch ein Auto sei so schon mal gehoben worden. „Aber einen 80 Jahre alten Flugzeugmotor hatten wir noch nie.“ 

    Das Erkunden und Bergen von Objekten aus dem Wasser gehört zu den Kernkompetenzen der Pioniertaucher. Vor dem Übergang über Gewässer sind sie es, die die Übergangsstellen erkunden und auf Unterwasserhindernisse oder gar versteckte Kampfmittel untersuchen. Letztere müssen sie dann auch beseitigen. Das Aufspüren von Objekten unter Wasser bei häufig eingeschränkter Sicht sei also nur ein Teil des Auftrages, sagt Oberfähnrich W. „Aber definitiv ein ganz wichtiger.“ Die Möglichkeit, den Enthusiasten vom Luftfahrtmuseum mit der Bergung unter die Arme zu greifen, sei ein schöner Nebeneffekt und gut für das Miteinander zwischen Bundeswehr und Zivilgesellschaft.

  • Ein Pioniertaucher entfernt sich im Wasser von einem Schlauchboot, auf dem mehrere Soldaten sitzen
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    Anspruchsvolle Bergung eines „Cyclones“ aus der Müritz

    Neben den Schlauchbooten mit ihren 40-PS-Außenbordern ist der Trockentauchanzug aus Trilaminat eines der Hauptarbeitsmittel der Pioniertaucher. „Diesen Anzug haben wir erst zu Jahresbeginn neu empfangen und im Tauchtopf sowie bei einer Übung in Kanada ausgiebig getestet“, sagt Oberfähnrich W. „Das ist wirklich ein Topanzug, der genau auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten ist.“ Silikonmanschetten an Hals und den Ärmeln verhindern das Eindringen von Wasser. 

    Nach dem Vorbereiten der Ausrüstung brummen morgens zwei S-Boote auf die Müritz. Ein Arbeitsboot mit Einsatzleiter, Leinenführerin und zwei Tauchern. Und ein Sicherungsboot, auf dem sich ein Sanitäter für etwaige Notfälle bereithält. Ist der Motor gehoben, soll er mit Hilfe von Hebesäcken in den Rechliner Hafen geschleppt werden. Der Auftrag lautet jetzt, die Wassertiefe auf der geplanten Route zu messen, um sicherzustellen, dass die geschätzt erforderlichen 150 Zentimeter Wassertiefe durchgängig anliegen. 

    Rund anderthalb Kilometer vor der Küste gleitet der Taucher ins Wasser und wird vom S-Boot in Schlepp genommen. Wie ein Fischköder an der Angel wird er bis ins Hafenbecken gezogen – allerdings deutlich langsamer. Sicherheit ist ein großes Thema und die Leinenführerin hält über die Telefonleine jederzeit Sprechverbindung mit dem Taucher. Rund 30 bis 40 Zentimeter über Grund prüft der Pioniertaucher die Route und gibt grünes Licht. Wie erhofft, reicht die Wassertiefe für die Bergungszwecke aus, Hindernisse sind nicht gefunden worden.

  • Mehrere Soldaten sitzen in einem Schlauchboot, ziehen Bojen hinter sich her und peilen eine Pier an
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    Drei Hebesäcke für einen Motor

    Am späten Vormittag brummen wieder die Außenborder. Diesmal nehmen drei Schlauchboote Kurs auf die Boje, mit der die Pioniertaucher am Vortag den Fundort des Flugzeugmotors in der Müritz markiert haben. Das Wasser ist immer noch recht unruhig, der Wind durchaus frisch. „Aber alles in allem haben wir gute Voraussetzungen für unser Bergevorhaben“, ist Oberfähnrich W. zufrieden. 

    Vor Ort angekommen, müssen die Bootsführer dafür sorgen, dass sie in Position bleiben. Zwei Pioniertaucher gehen gemeinsam ins Wasser und schlagen in rund fünf Metern Tiefe die Hebesäcke an dem Motor an. Die Zurrpunkte haben sie bereits tags zuvor identifiziert. Gut eine halbe Tonne wiegt das Gerät, mit Anhaftungen und Schlamm könnten es leicht zweihundert Kilogramm mehr sein, haben die Pioniere überschlagen. Ein Bergekissen kann rund 400 Kilogramm anheben. Weil zunächst unklar ist, wie tief der Motor im Schlamm steckt, sind sogar vier Hebesäcke mitgenommen worden. 

    Der Ansaugeffekt von Schlamm ist bekannt – das Prinzip „im Matsch steckengebliebener Gummistiefel“ lässt grüßen. „Wegen dieses Faktors müssen wir mindestens das 1,4-Fache des Gewichts an Hebekraft mitbringen“, sagt Oberfähnrich W. Aber am Ende steckt der „Cyclone“ gar nicht so tief im Schlick. Drei Hebesäcke erweisen sich als völlig ausreichend. Nach dem Anblasen der Bergekissen steigt der Motor bis gut einen Meter unter die Wasseroberfläche. Der erste Teil der Bergung ist geglückt. Nachdem zwei Führungsleinen angebracht wurden und die Taucher den Gefahrenbereich verlassen haben, setzt sich der Zug in Richtung Hafen in Bewegung.

  • Ein Flugzeugmotor wird mit einem Kran sowie Führungsseilen von mehreren Personen aus dem Wasser geborgen
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    Nach 80 Jahren wieder an der Oberfläche

    In sehr gemächlichem Tempo passieren die drei S-Boote die Hafeneinfahrt. Auch ein Feuerwehrboot hat sich den Pionieren angeschlossen. Die Bergekissen liegen stabil achtern, an Bord ist die Stimmung gelöst. Dabei steht jetzt noch ein kitzliger Teil der Bergeaktion bevor. Die Pioniertaucher haben ihren Part erledigt, nun sind ihre zivilen Partner an der Reihe. 

    Bislang haben die Schäkel am Motor gehalten. Aber werden sie auch den Moment überstehen, wenn beim Herausheben der Auftrieb des Wassers wegfällt? „Bald wissen wir es“, sagt Zugführer W. grinsend, als er im kleinen Rechliner Hafen an Land springt. Gemeinsam mit seinen Kameraden prüft er noch einmal die Zurrpunkte. Alles sieht gut aus. Der Motor wird an einem Kran der Werft angeschlagen und langsam angezogen. Es blubbert und ein leichter Ölfilm schwimmt auf, den die Feuerwehrleute sofort neutralisieren. Kurz vor 14 Uhr durchbricht der „Cyclone“ zum ersten Mal seit beinahe 80 Jahren die Wasseroberfläche. 

    Torsten Heinrichs, der Vorsitzende des Fördervereins vom Museum, diskutiert aufgeregt mit einem seiner Mitstreiter. Alles wird genau dokumentiert. Der Flugzeugmotor wird zunächst auf einige Kanthölzer bugsiert und dann behutsam auf die Ladefläche eines Multicar verbracht. Die letzten paar hundert Meter bis zum Museumsgelände fährt das zukünftige Ausstellungstück im Schritttempo. Nach einer ersten Grobreinigung verschwindet er dann für die nächsten Tage in einem Fass mit Regenwasser. „Die Konservierung wird uns viel Arbeit und mindestens ein Jahr kosten“, sagt Heinrichs. „Ohne den Einsatz und die Expertise der Bundeswehr wäre das so nicht möglich gewesen.“

    *Name zum Schutz des Soldaten abgekürzt.

    von Markus Tiedke

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