Spezialgrundausbildung

Zugänge schaffen, Bahngleise zerstören, Erde auflockern: Sprengen bei den Grenadieren

Zugänge schaffen, Bahngleise zerstören, Erde auflockern: Sprengen bei den Grenadieren

Datum:
Ort:
Marienberg
Lesedauer:
3 MIN

Sprengen ist Aufgabe der Pionierkräfte. Doch nicht nur: Sprenghelferinnen und -helfer in der Panzergrenadiertruppe unterstützen mit Zugangssprengungen beim Häuserkampf, legen Baumsperren und schneiden Versorgungswege feindlicher Kräfte ab, indem sie Bahngleise unbrauchbar machen. Ein Einblick in die praktische Ausbildung auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz. 

Zwei Soldaten hocken vor einem kleinen Stahlträger und präparieren diesen mit Sprengstoff

Hochexplosiver Lerneffekt: Die Soldaten bringen 250 Gramm PETN am Stahlträger an – deutlich zu hoch dosiert, wie sich in der anschließenden Sprengung zeigt. Die Wirkung des Sprengstoffes zu erleben, ist wesentlicher Bestandteil der Ausbildung.

Bundeswehr/Jana Neumann

Achtsam legen zwei Soldaten eine rosa Masse um einen Stahlträger. Ihr Ziel: zu versuchen, Schraubenköpfe so von einem Stahlträger abzusprengen, dass man den Träger selbst noch verwenden kann. Die Masse, die wie rosa Kinderknete aussieht, ist tatsächlich PETN, Pentaerythrityltetranitrat, ein hochexplosiver Sprengstoff, bei dem bereits geringe Mengen genügen, um beispielsweise ein ungeschütztes Fahrzeug in die Luft zu jagen.

Die beiden Soldaten werden auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz zu Sprenghelfern ausgebildet. „Früher haben fast nur Pioniere gesprengt. Heute gibt es Zünd- und Sprengtrupps auch bei den Panzergrenadieren und in der allgemeinen Infanterie“, sagt Ausbilder Oberfeldwebel Dennis K.*, Feuerwerker im Versorgungsbataillon 131 in Bad Frankenhausen. 

Fenster, Türen, Mauerwerk: Zugangssprengungen im Fokus

Der Fokus der Sprenghelferausbildung in der Panzergrenadiertruppe liegt auf Zugangssprengungen für den Orts- und Häuserkampf: den verschiedenen Möglichkeiten, Zugänge durch Fenster, Türen und – seltener – Mauerwerk zu schaffen. Auf dem Übungsplatz sind Pressspan-Zimmertüren, mehrfach verschlossene Hauseingangstüren, einfache Holzfenster und dreifach verglaste Isolierfenster aufgebaut.

Die Soldaten legen Sprengschnurschlaufen um Türklinken und Türscharniere, kleben PETN an Fensterrahmen und nutzen sogar einen Tetrapack Wasser, um einen Zugang in ein Isolierfenster zu sprengen: „Die gasgefüllte Verbundverglasung moderner Iso-Fenster macht sie sehr schwer zu zerstören“, so K. Tatsächlich hinterlässt selbst das durch die Sprengladung stark beschleunigte Wasser nur ein faustgroßes Loch in der Scheibe. 

Die Soldaten sollen hier nicht nur das Sprengen lernen“, betont der Ausbilder. „Sie sollen auch beurteilen können, wo ein einfacher Zugang möglich ist und wo nicht. Und zwar, ohne lange zu überlegen.“ Denn Zugangssprengungen müssten schnell und wirksam sein, um die Feindkräfte im Innern zu überraschen, so K. weiter: „Das ist ein Standardszenario beim Kampf im urbanen Gelände. Im Idealfall zündet man noch eine Ablenkungssprengung auf der anderen Hausseite.“

Zwei Soldaten bringen eine Sprengschnur an einem Holzstumpf an

Explosive Strippen: PETN-Sprengschnur detoniert mit 7.250 Metern pro Sekunde. Die benötigte Menge hängt vom Durchmesser des Baumes ab.

Bundeswehr/Jana Neumann
Zwei Soldaten stehen um einen gesprengten Baumstamm, einer der Soldaten zeigt mit einem Stift auf den Stamm

Klare Kante: Der gesprengte Baum wirkt wie abrasiert

Bundeswehr/Jana Neumann

 

Belehrungssprengen heißt Eindrücke schaffen

Doch nicht nur Zugangssprengungen, auch das Legen von Baumsperren, das Unbrauchbarmachen von Bahngleisen und Bodenauflockerungen sind Teil des so genannten Belehrungssprengens während der Sprenghelfer-Ausbildung. „Die Soldaten sollen Eindrücke mitnehmen, welcher Sprengstoff, welche Menge, welche Art der Anbringung welche Wirkung hat“, sagt K. 

Dazu gehört der Versuch der Materialgewinnung mit PETN – die rosa „Kinderknete“ – ebenso wie eine Übungsstation, bei der vier in die Erde gerammte Baumstämme mit verschiedenen Methoden zu Fall gebracht werden sollen. „Ich kann einen Baum mit Sprengschnur umwickeln, eine Kerbe hineinschlagen und Sprengstoff hineinlegen oder ein altes Spechtloch verfüllen und verdichten“, so K. Welche Methode sinnvoll sei, hänge von der Situation ab. Alles funktioniere, doch wie viel Sprengstoff man brauche und wie man ihn platzieren müsse, damit der Baum in die gewünschte Richtung fällt und weder stehen bleibt noch durch die Luft fliegt – das seien Erfahrungswerte, die man nicht erklären könne, sondern selbst sammeln müsse.

An einer weiteren Station bringen zwei Soldaten einen selbst gezimmerten Ladungskasten mit 1,5 Kilogramm Sprengstoff an einer Eisenbahnschwelle an. „Der Ladungskasten erhöht die Sprengwirkung“, erläutert der Oberfeldwebel. Wenn es schnell gehen müsse, würden aber auch zwei Sandsäcke oder angehäufter Split genügen, um denselben Effekt zu erzielen. „Hauptsache, das Gleis oder die Weiche sind danach unbrauchbar“, so K. 

Eine dritte Station wirkt eher unspektakulär. Sechs kleine Erdlöcher werden ausgehoben und mit Sprengstoff gefüllt. Das Ziel ist, den Stellungsbau in gefrorenem Erdreich vorzubereiten. „Ohne Sprengen ist das Schwerstarbeit. Ein paar Löcher voll PETN machen dagegen die Erde locker und fluffig für den grabenden Grenadier“, grinst der Feuerwerker.

Lösungsorientiert und ressourceneffizient

Die gesamte Praxiswoche hindurch legt Ausbilder K. Wert darauf, dass die zukünftigen Sprenghelfer mitdenken und nicht nur Aufgaben abarbeiten. Im Ernstfall müssten sie ressourceneffizient arbeiten können. Das sei allein mit Standardformeln nicht möglich. Nullachtfünfzehn-Lösungen gebe es nicht beim Sprengen. K. sagt: „Wenn ich nur begrenzt Sprengstoff zur Verfügung habe und weiß, ich muss eine Baumsperre legen, eine Stacheldrahtsperre und vier Türen sprengen, muss ich selbst die Lösung finden können, wie ich mein Ziel am besten erreiche. Auch das ist Auftragstaktik.“  

*Name zum Schutz des Soldaten abgekürzt.

von Simona Boyer

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