Generalmajor Gerald Funke, Kommandeur des Logistikkommandos der Bundeswehr, hat die Gefechtsstandübung des Logistikregiment 1 in Lohheide besucht. Das Regiment ist für die NRFNATO Response Force 2022 bis 24 geplant und wird im Alarmierungsfall alle nationalen Unterstützungskräfte führen. Ein Gespräch über neue Fähigkeiten und Herausforderungen für die Logistik.
5 Fragen an
Generalmajor Gerald Funke, Kommandeur des Logistikkommandos der Bundeswehr
Stichwort NATONorth Atlantic Treaty OrganizationResponse Force: Wo liegt die größte Herausforderung für die Logistik?
Wird die NRFNATO Response Force alarmiert, müssen wir in sehr kurzer Zeit für einen sehr großen Gefechtsverband ein robustes System logistischer Leistungen neu aufbauen und belastbar bereitstellen – und zwar in einem Szenario, das wir noch nicht kennen. Welchen Auftrag haben die Gefechtsverbände? Wie weit entfernt liegt der Operationsraum? Welche Versorgungswege – Schiff, Schiene, Straße, Lufttransport – stehen uns offen? Können wir über den Host Nation Support auf Infrastruktur wie beispielsweise Materiallager oder Kasernen zurückgreifen?
Das alles ist neu. In den Einsätzen der vergangenen Jahrzehnte wussten wir in der Regel, was uns erwartet, auf welche Dienstleister wir uns zivil abstützen können. Und wir haben meist aus einer festen Basis operiert. Ziel und Auftrag für die Logistik sind aber gleich: Den kämpfenden Einheiten den Rücken freizuhalten und sie durchhaltefähig zu versorgen.
Die Gefechtsverbände der NRFNATO Response Force sind multinational aufgestellt. Gilt das auch für die Logistik?
Aus NATONorth Atlantic Treaty Organization-Sicht ist die logistische Versorgung der Truppe eine nationale Aufgabe. Das ist auch grundsätzlich sinnvoll, denn jede Nation hat eigene Waffensysteme und Geräte, eigene ITInformationstechnik, eigene Verfahren. Aber alle Fahrzeuge nutzen den gleichen Treibstoff. Gemeinsam mit unseren Bündnispartnern suchen wir daher immer auch nach multinationalen Lösungen. Beim Treibstoff kann das ein ziviler Dienstleister sein, der die nationalen Streitkräfte entweder direkt beliefert oder an einem zentralen Ort am Einsatzgebiet den Treibstoff in Tanklagern zur Abholung bereitstellt. Alternativ kann auch ein Bündnispartner diese Aufgabe für alle anderen Nationen übernehmen oder es gibt eine Mischung aus beidem.
Werden die Nationen nicht um die Kapazitäten ziviler Dienstleister konkurrieren?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine gemeinsame logistische Lösung finden und nur rein national agieren, wenn das unbedingt notwendig ist. Keine Nation wird ihre logistischen Ressourcen unnötig binden. Über die Powerpoint-Phase multinationaler militärischer Zusammenarbeit mit vielen bunten Ideen sind wir in der Logistik weit hinaus. So kann eine JLSG (Joint Logistics Support Group) als multinationaler logistischer Gefechtstand logistische Leistungen für die NRFNATO Response Force und andere NATONorth Atlantic Treaty Organization-Aufträge bündeln.
Das bedeutet: Die Streitkräfte der an einer Mission beteiligten Nationen melden ihren Bedarf an die JLSG. Die JLSG verhandelt dann mit verschiedenen Anbietern und schließen, wenn möglich, einen Rahmenvertrag ab, aus dem alle die Mengen abrufen können, die sie benötigen. Exemplarisch kann es sich dabei um Treibstoff oder um Transportvolumen handeln.
Inwieweit wirkt sich die Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung auf die Logistik der Bundeswehr aus?
Grundsätzlich ist die Logistik der Bundeswehr materiell und personell gut aufgestellt. Wir verfügen über die notwendigen logistischen Fähigkeiten für jedes Szenario – ob im internationalen Krisenmanagement im Nahen Osten oder in Afrika oder in der Landes- und Bündnisverteidigung an den Grenzen des NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bündnisgebiets. Die Frage, ob unsere Fähigkeiten auch mengenmäßig ausreichen, kann jedoch nur in einem konkreten Einsatzszenario beantwortet werden. Vor dieser Herausforderung stehen nicht allein wir.
Deswegen bietet Deutschland als Rahmennation in der Logistik Anknüpfungspunkte für kleinere Nationen. Insbesondere mit den ungarischen Streitkräften hat die Bundeswehr auf binationaler Ebene zahlreiche gemeinsame Fähigkeiten im Bereich Treibstoff- und Materialtransporte aufgebaut, die auf den Übungen Safety Fuel und Safety Transport regelmäßig trainiert und weiterentwickelt werden. Das erhöht die Durchhaltefähigkeit der Streitkräfte beider Nationen.
Hat die militärische Logistik wieder einen höheren Stellenwert bekommen?
Mit der Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung hat die militärische Logistik mit eigenen Fähigkeiten durchaus wieder mehr Relevanz gewonnen. Ich denke, es ist begriffen, dass Logistik zwar nicht alles ist, aber ohne Logistik ist alles nichts. Natürlich stehen die Kampfverbände im Fokus jeder Mission. Sie erbringen die eigentliche militärische Wirkung. Sie haben es verdient, dass sie sich auf ein logistisches System verlassen können, das sie belastbar versorgt und ihnen „den Rücken frei hält“. Durchhaltefähigkeit ist in jedem Szenario und bei jedem militärischen Auftrag nur mit einer robusten Logistikkette darstellbar. Davon bin ich überzeugt.
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