Neuer Hochseeschlepper „Rügen“ kommt in Rekordzeit zur Truppe
Neuer Hochseeschlepper „Rügen“ kommt in Rekordzeit zur Truppe
- Datum:
- Ort:
- Kiel
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Damit die Marine auch künftig havarierte Schiffe auf hoher See bergen kann, brauchte sie dringend Verstärkung. Schon sechs Monate später liegt der Hochseeschlepper „Rügen“ im Kieler Hafen. Um das möglich zu machen, schlugen die Beschaffer der Bundeswehr einen ungewöhnlichen Weg ein.
Die Seeschlepper „Wangerooge“, „Spiekeroog“ und „Fehmarn“ standen über 50 Jahre im Dienst der Marine, bevor sie Ende letzten Jahres altersbedingt ausgemustert werden mussten. Das stellte die Marine vor eine Herausforderung: Hochseetüchtige Schlepper werden bei der Flotte dringend gebraucht. Ein neues Schiff in Auftrag zu geben, zu bauen und in Dienst zu stellen dauert jedoch für gewöhnlich viele Jahre. Trotzdem schaffte es die Bundeswehr, bereits sechs Monate später einen neuen Hochseeschlepper im Hafen von Kiel zu begrüßen. Jetzt wurde er offiziell in Dienst gestellt.
Einkauf auf dem Gebrauchtmarkt
Der Schlepper „Rügen“ ist größer und leistungsfähiger als seine Vorgänger. Bis zu 21.000 Tonnen kann das Schiff unter Volllast in der Hochsee schleppen und hat das auch schon unter Beweis gestellt. Unter dem Namen „Rota Endurance“ hat sich das Schiff bereits 20 Jahre im Dienst eines zivilen Unternehmens auf See bewährt. Um die Beschaffung zu beschleunigen, verzichtete die Bundeswehr auf einen Neukauf und schaute sich stattdessen auf dem Markt für gebrauchte Schiffe um. Über einen Händler fanden die Streitkräfte und das Schiff zusammen. Das ist ein Novum in der Geschichte der Rüstungsbeschaffung der Bundeswehr.
Dass bei der Beschaffung neue Wege gegangen werden, ist kein Zufall. Es ist politisch so gewollt. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 wurde deutlich, dass einsatzbereite Streitkräfte für die Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten so wichtig sind wie lange nicht mehr. Doch obwohl mit dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen viel Geld zur Verfügung gestellt wurde, stehen neue Waffen und Fahrzeuge nicht sofort auf dem Hof bei der Truppe.
„Oberste Priorität ist für uns alle künftig der Faktor Zeit. Wo wir uns selbst unnötige Fessel angelegt haben, werden wir diese nun abwerfen.“
Die Beschaffung des Hochseeschleppers „Rügen“ zeigt, wie es gehen kann. Es war eines von elf Pilotprojekten, mit denen die Bundeswehr Tempo in die Beschaffung von Ausrüstung machen wollte. Im Verteidigungsministerium wurde dafür eine Taskforce zur Optimierung des Beschaffungswesens eingerichtet, die auch ungewöhnliche Wege gehen darf.
„Es geht viel, wenn alle an einem Strang ziehen und man unkonventionell vorgeht“, sagt Brigadegeneral Christian Leitges, der Leiter der Taskforce. „Die Pilotprojekte sind über die ganze Bundeswehr verteilt, da kann man die Beschleunigung vielerorts handgreiflich spüren. Aber der Hochseeschlepper ist schon etwas ganz Besonderes – ein echtes Zugpferd eben“, fügt Leitges augenzwinkernd hinzu.
Beim Hochseeschlepper „Rügen“ zeigten sich die ungewöhnlichen Wege auch bei der Abwicklung des Kaufes. „Wir sind auf den Markt offensiv zugegangen, haben nicht auf die üblichen deutschen Standardformulare gewartet, sondern den Kauf mit den original englischen Verträgen einfach abgeschlossen“, so Leitges. Man habe sich dem Markt angepasst, um die Truppe schneller mit dem versorgen zu können, was sie brauche. Nur so konnte das Schiff in Rekordzeit an die Marine übergeben werden.
Indienststellung vier Wochen nach Ankunft im Hafen
Nur vier Wochen nach der Ankunft wurde der neue Hochseeschlepper nun in Dienst gestellt. In der Zwischenzeit wurde die Einrüstung der militärischen Kommunikationssysteme vorbereitet.
Abgeschlossen seien die Arbeiten an der „Rügen“ jedoch noch nicht, wie Vizeadmiral Frank Lenski bei der Indienststellung des Schiffes im Marinestützpunkt Kiel betont. Nachdem es gelungen sei, den Bergeschlepper in wahnsinnig kurzer Zeit zu beschaffen, erwarte er Tempo und Pragmatismus nun auch bei den noch ausstehenden Arbeiten am Schiff, so der Befehlshaber der Flotte.
Die „Rügen“ wird in absehbarer Zeit noch ein Schwesterschiff bekommen, das ebenfalls aus zweiter Hand gekauft werden soll. Das Projekt habe gezeigt, dass es sich lohne, mit bislang für unumstößlich gehaltenen Abläufen zu brechen, so Taskforce-Leiter Leitges – auch wenn es mitunter etwas Mut erfordere.