Nachgefragt

„Wir sehen einen permanenten Wechsel von Lernen und Anpassung“

„Wir sehen einen permanenten Wechsel von Lernen und Anpassung“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Kriege sind immer auch ein Experimentierfeld für neue Taktiken und neue Militärtechnik. So werden in der Ukraine Drohnen in großer Zahl eingesetzt: zur Aufklärung, aber auch zum Angriff. Um militärisch auf der Höhe der Zeit zu bleiben, beobachtet die Bundeswehr die Entwicklungen auf dem Gefechtsfeld und wertet sie systematisch aus.

Passen Sie jetzt Ihre Datenschutzeinstellungen an, um dieses Video zu sehen

Oberstleutnant Martin Winkler wertet Kriege, Einsätze und Übungen für das Heer der Bundeswehr aus. In „Nachgefragt“ spricht er mit Hauptmann Nico Glöckner über Taktik und Technik auf dem Gefechtsfeld – und die Lehren aus dem Krieg in der Ukraine.

Für die Landstreitkräfte der Bundeswehr übernehmen Oberstleutnant Martin Winkler und sein Team diese Aufgabe. Einsätze und Übungen würden ebenso betrachtet wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, sagt der Leiter des Sachgebietes „Auswertung“ im Kommando Heer. „Unsere Kernkompetenz ist es, die Probleme schnell zu erfassen und dann mit den richtigen Problemlösern zu verknüpfen“, sagt Winkler zum neuen Moderator von „Nachgefragt“, Hauptmann Nico Glöckner. Die Erkenntnisse würden dann in die Ausbildung und Lehre der Bundeswehr integriert.

Insbesondere das taktische Vorgehen der Kriegsparteien interessiert den Oberstleutnant. „Taktik ist wirklich ganz wichtig, gerade für die Landstreitkräfte“, sagt er. Das gelte für Trupps von fünf Soldatinnen und Soldaten genauso wie für Verbände mit Zehntausenden Uniformierten. Zu den taktischen Grundsätzen auf Kompanieebene gehörten laut Winkler zum Beispiel die Koordination von Feuer und Bewegung oder auch das sogenannte VASE-Verfahren: das Herstellen der Verbindung zu anderen Truppenteilen, die Aufklärung der Position des Feindes, die Sicherung der eigenen Stellung und die Erkundung des umliegenden Geländes.

Aber auch der Einsatz neuer Technologie auf dem Gefechtsfeld wird von Winkler genau beobachtet. Denn Kriege sind häufig Treiber für militärische Innovationskreisläufe. „Was wir da sehen in dem Krieg in der Ukraine, ist ein permanenter Wechsel von Lernen und Anpassung, von Innovation und Adaption, und das mit einer sehr hohen Geschwindigkeit“, sagt der Oberstleutnant. Mit diesen Entwicklungen müsse Schritt gehalten werden.

„Gläsernes Gefechtsfeld“ durch Drohnen

Drohnen zum Beispiel würden in der Ukraine eine große Rolle spielen, so Winkler. Daraus könne die Bundeswehr eine Vielzahl von Lehren ziehen. „Das betrifft einmal die Abwehr von Drohnen, das betrifft den eigenen Einsatz von Drohnen, und das betrifft das Verhalten auf einem Gefechtsfeld, was geprägt ist durch den starken Einsatz von Drohnen“, sagt der Oberstleutnant.

Drohnen würden eine schnelle Aufklärung ermöglichen und zum „Phänomen des gläsernen Gefechtsfeldes“ beitragen, so Winkler weiter. „Darunter versteht man im Prinzip, dass jede kleinste Bewegung oder auch Anwesenheit sehr schnell bei jeder Tag- und Nachtzeit, bei jeder Witterung aufgeklärt wird.“ Das betreffe nicht nur Menschen oder Fahrzeuge – ein Gefechtsstand könne sich beispielsweise auch durch Funksignale verraten.

Man wird sehr schnell erkannt und dann auch bekämpft“, sagt Winkler. Um der Gegenseite die Aufklärung zu erschweren, müsse man sich tarnen – oder die Aufklärer in die Irre führen. Beispielsweise könne man den Gegner durch Geschütz-Attrappen oder Schein-Stellungen auf dem Gefechtsfeld täuschen. „Solange er das aufklärt und bekämpft, bekämpft er nicht das richtige Geschütz und die richtige Stellung“, sagt er. Wenn die Gegenseite Artillerie einsetze, könne diese zudem während des Feuerns selbst aufgeklärt und anschließend bekämpft werden.

Russland im Kampf beobachten – und davon lernen

Generell besäßen die Erkenntnisse aus dem Krieg in der Ukraine eine ganz andere Relevanz als jene, die beispielsweise bei Übungen erzielt werden könnten, so der Oberstleutnant. „Russland ist auch für uns die Hauptbedrohung, und wir sehen dort, wie die Russen kämpfen“, sagt Winkler. Mit Bezug auf die ukrainischen Streitkräfte ergänzt er: „Wir sehen dort ein Stück weit auch, wie sich unser Material und unsere Ausbildung, unsere Einsatzverfahren und unser Führungsverständnis in einem richtigen Krieg bewähren – und wo das vielleicht auch weniger der Fall ist.“

Durch den Krieg in der Ukraine vergrößere Russland seinen „Vorsprung an tatsächlicher Kriegserfahrung uns gegenüber“, sagt der Offizier. Die Beobachtung der Taktik der russischen Streitkräfte im Gefecht trage wiederum dazu bei, dass dieser Vorsprung nicht allzu groß werde. „Nach meiner Bewertung ist das ein ganz wesentlicher Beitrag dafür, dass wir wirklich glaubwürdig abschrecken und damit erfolgreich einen Krieg verhindern können“, sagt Winkler. „Oder, wenn die Abschreckung fehlschlagen sollte, dass wir dann auch einen Krieg gewinnen können.“

von Timo Kather

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Weitere Folgen