Nachgefragt

„Wir alle haben das Recht auf Rehabilitation“

„Wir alle haben das Recht auf Rehabilitation“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
3 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Eine Kriegsverletzung oder ein Unfall führt nicht selten zu körperlichen Einschränkungen. Je folgenschwerer die für die Betroffenen sind, desto mehr kommt es auf die Rehabilitation an. Medizinische, soziale und berufliche Aspekte gehören dazu. Die Zusammenhänge kennt Oberstarzt Dr. Andreas Lison vom Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr.

Passen Sie jetzt Ihre Datenschutzeinstellungen an, um dieses Video zu sehen

Oberstarzt Dr. Andreas Lison vom Zentrum für Sportmedizin der Bundeswehr diskutiert mit der „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Hauptmann Beate Schöne, über den Rehabilitationsprozess nach einer Unfall- oder Kriegsverletzung.

„Stellen Sie sich vor, Sie können Ihre Füße nicht mehr spüren und sollen eine Treppe gehen“, sagt Oberstarzt Lison im Gespräch mit „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Hauptmann Beate Schöne. Da gehöre viel Mut, viel Kraft und viel Übung dazu, ergänzt der Orthopäde. Ähnlich gehe es Menschen, die durch eine Kriegsverletzung oder einen privaten Unfall eine Hand verloren haben. „Und wissen Sie, unsere Hand, das ist ein Stück Individualität, das ist Kommunikation. Das ist nicht nur ein Greiforgan, das ist Körperkontakt“, erklärt Lison.

Nach dem Verlust eines Beines oder eines Armes durch Verwundung oder Amputation folge ein individueller Verarbeitungsprozess. Betroffene Menschen würden beispielsweise aggressiv oder lethargisch reagieren. Während man sich anfangs typischerweise mit der Akzeptanz der Verletzung schwertue, so stehe am Ende eher die Einsicht in „eine Wahrheit, aus der ich nicht mehr aussteigen kann“, so der Sanitätsoffizier.

In Deutschland erinnern sich ältere Menschen noch an die vielen Kriegsversehrten aus dem Zweiten Weltkrieg. Eine ganze Gesellschaft sei traumatisiert gewesen, aber man habe nicht so genau hingeschaut. „Und bis heute leiden die Menschen darunter“, bedauert Lison. Nach aktuellen Schätzungen haben im laufenden russischen Krieg gegen die Ukraine bereits über 10.000 Soldatinnen und Soldaten eine Gliedmaße verloren. Für die Zeit nach dem Krieg erwartet der Bundeswehrarzt eine große gesamtgesellschaftliche Herausforderung im Umgang mit den Betroffenen.

Recht auf Rehabilitation

Therapie und Rehabilitation seien zu unterscheiden. Während sich die Therapie mit den Ursachen beispielsweise einer Krankheit beschäftige, gehe es bei der Rehabilitation um die Folgen dieser Krankheit. Das erweitere den Rehabilitationsbegriff neben den medizinischen Aspekten auf soziale und berufliche Fragen. So beschreibt Lison die Grundlagen seiner Arbeit und ergänzt: „Wir alle haben nicht eine Chance, sondern ein Recht auf Rehabilitation.“ Das gehe auf die UNUnited Nations-Behindertenrechtskonvention zurück. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen ist ein völkerrechtlicher Vertrag, in dem sich die Unterzeichnerstaaten verpflichtet haben, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten.

Dem Rehabilitationsexperten Lison ist eine weitere Einordnung wichtig: „Behinderung ist nicht die Diagnose, sondern die Folge.“ Beispielsweise die Folge oder das Ergebnis einer Funktionseinschränkung, die wiederum zur Einschränkung der Teilhabe führen könne. Bei der Rehabilitation gehe es letztlich darum, die Teilhabe wiederherzustellen.

Respekt der Gesellschaft

Beteiligte einer Rehabilitation sind naturgemäß die betroffenen Menschen selbst. Nach Auffassung Lisons geht es jedoch darüber hinaus. Eine frühe Einbindung der Familie und weiterer Angehöriger sei von großer Bedeutung. Besondere Aufmerksamkeit sei Kindern zu widmen, denn sie dürften nicht in eine Überforderungssituation geraten.

Den Boden für erfolgreiche Rehabilitation sieht Lison in den gemeinsam geteilten Werten einer Gesellschaft. Er wünscht sich, dass etwa kriegsversehrte Soldatinnen und Soldaten in Würde und mit einer sinnstiftenden Tätigkeit Teil der Gesellschaft bleiben können. „Es geht um den Respekt vor Menschen, die ihre Gesundheit im Dienst der Gesellschaft gefährdet und einen Schaden davongetragen haben.“ Deshalb unterstütze er auch die internationalen Versehrtenspiele Invictus Games, die unter dem Motto „A Home for Respect“ in diesem September zum ersten Mal in Deutschland ausgetragen werden, so der Oberstarzt. 

von Johannes Friedemann

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Weitere Folgen