Nachgefragt

„Dass von den Wagner-Kräften kaum einer überlebt, ist eingepreist“

„Dass von den Wagner-Kräften kaum einer überlebt, ist eingepreist“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

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Die Wagner-Gruppe trug in den letzten Wochen die Hauptlast der russischen Vorstöße im Donbass. Die mit Häftlingen verstärkten Einheiten der Söldnerorganisation gehen rücksichtslos vor, zahlen dafür aber einen hohen Preis: Zehntausende Kämpfer sind in wenigen Monaten gefallen. Was ist von der russischen Privatarmee im Ukrainekrieg noch zu erwarten?

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Oberst Schreiber bildet das Führungspersonal der Bundeswehr im militärischen Nachrichtenwesen aus. ,,Nachgefragt''-Moderatorin, Frau Oberleutnant Lara Weyland, spricht mit ihm über die Rolle der Wagner-Söldner beim russischen Feldzug in der Ukraine.

Das 2014 gegründete private Militärunternehmen sei schon vor dem Ukrainekrieg durch seine Einsätze in Syrien und Afrika berüchtigt gewesen, sagt Oberst i. G. Andreas Schreiber, Experte der Bundeswehr für militärisches Nachrichtenwesen. „Nichtsdestoweniger hat es seine jetzige Berühmtheit dadurch erlangt, dass es in der Ukraine Massenangriffe durchführt.“

Vor dem Ukrainekrieg hätte Wagner vor allem militärisches Fachpersonal rekrutiert. Das habe sich nach den massiven Verlusten zu Kriegsbeginn geändert. „Wir sehen ein ‚Weg‘ von den Spezialisten der Anfangsphase hin zu unausgebildeten Schwerkriminellen.“ Die Söldner würden über dunkle Kanäle von der russischen Regierung finanziert und auf Weisung der militärischen Führung Russlands handeln. „Wie sie dann zum Erfolg kommen, ist letzten Endes ihre Sache.“

Kampf ohne Rücksicht auf eigene Verluste

Insbesondere die russischen Vorstöße im Donbass in den letzten Monaten wurden maßgeblich von Wagner vorangetrieben. Bis zu 50.000 russische Sträflinge sollen von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin für den Fronteinsatz rekrutiert worden sein. „Diese Kräfte werden in kleinen Gruppen ins Gefecht geschickt. Kleine Gruppen heißt, zehn bis 15 Leute, in der Regel geführt durch einen Erfahrenen. Diese werde ohne Rücksicht auf Verluste nach vorne geschickt“, so Schreiber zur ,,Nachgefragt''-Moderatorin, Frau Oberleutnant Lara Weyland. 

„Ziel ist es, das ukrainische Feuer der Verteidiger herauszulocken, um dann durch Beobachter das russische Artilleriefeuer ganz gezielt auf die ukrainischen Stellungen zu leiten. Das von den Wagner-Kräften dann hinterher kaum einer überlebt, ist in dieser Vorgehensweise eingepreist.“ Es sei plausibel, so der Oberst, dass von den durch Wagner rekrutierten Häftlingen rund drei Viertel schon wieder gefallen seien. 

Überlebenden Söldnern winkt der Veteranenstatus

Warum lassen sich russische Gefängnisinsassen überzeugen, an der Front verheizt zu werden? Schreiber nennt drei Gründe. „Diese Leute kommen aus einem schwer stigmatisierten Bereich und haben nun die Chance, erstens aus dem Gefängnis zu kommen, zweitens amnestiert zu werden und vielleicht sogar noch hinterher als Held Russlands und privilegierter Veteran aus der Sache wieder heraus zu kommen.“ 

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin fordere für seine Kämpfer den Veteranenstatus ein, der in Russland mit beachtlichen sozialen Vorteilen verbunden sei. Dies bringe ein „erhebliches Motivationsmoment“ für die Sträflinge mit sich, so Schreiber. Die Wagner-Gruppe habe allerdings inzwischen Rekrutierungsprobleme. Es sei schlichtweg niemand mehr da, mit dem sich die Reihen auffüllen ließen. „Die letzte Chance aus meiner Sicht, da noch einmal eine größere Rekrutierungswelle auszulösen, ist, dass eben dieser Veteranenstatus gewährt wird. Weil das noch einmal einen echten Unterschied macht zu dem bisherigen Verhältnis.“

Russland erkaufte sich Zeit mit Menschenleben

Neben den Söldnern waren nach der russischen Teilmobilisierung im September auch viele Zehntausend Wehrpflichtige an die Front geschickt worden – mit notdürftiger Ausbildung und mangelhafter Ausrüstung. Deren Kampfkraft sei natürlich gering einzuschätzen, so der Oberst. „Das war aber bei dieser Truppe, die sofort an die Front geschickt worden ist, auch nie beabsichtigt. Da ging es einfach darum, Zeit zu gewinnen und dafür Menschenleben einzusetzen.“ In der Zwischenzeit sei der andere Teil der rund 300.000 Eingezogenen auf den Fronteinsatz vorbereitet worden. Diese Soldaten dürften „demnächst, sehr zeitnah, zur Verfügung stehen“.

Zu Beginn des Feldzuges in der Ukraine habe Russland große Probleme mit der Logistik und der Versorgung seiner Truppen gehabt, sagt Schreiber. „Allerdings haben die Russen mittlerweile gelernt und viele ihrer ursprünglichen logistischen Probleme, die sie bei Kriegsbeginn hatten – die unter anderem auch darauf zurückzuführen gewesen sind, dass man nicht mit dem versteiften Widerstand der Ukrainer gerechnet hat – , mittlerweile soweit in den Griff bekommen, dass die Versorgung halbwegs sichergestellt ist.“ Das betreffe sowohl die Versorgung mit Artilleriemunition wie auch mit normaler Verpflegung, aber auch mit Ersatzteilen für die Instandsetzung beschädigter Gefechtsfahrzeuge. 

von Timo Kather

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