Nachgefragt

„Systemischer Mangel an ethischer Führung“ in Russlands Armee

„Systemischer Mangel an ethischer Führung“ in Russlands Armee

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
3 MIN

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Gräueltaten an der Bevölkerung, Bombenterror in den Städten, Sturmangriffe über offenes Gelände: Russland ist nahezu jedes Mittel recht, um sich im Angriffskrieg gegen die Ukraine durchzusetzen. Doch warum diese Art der Kriegsführung in eine strategische Sackgasse führt, erklärt Militärethiker Prof. Dr. Dr. Christian Göbel in „Nachgefragt.“

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Oberstleutnant der Reserve Christian Göbel erörtert im Gespräch mit der „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Hauptmann Maria Schönemann, warum die brutale russische Kriegsführung in der Ukraine zum Scheitern verdammt ist.

Ethik sei Teil der militärischen Professionalität, sagt Christian Göbel zu „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Hauptmann Maria Schönemann. Soldatinnen und Soldaten müssten in der Lage sein, in moralisch herausfordernden Situationen das Richtige tun. „Wir können durchaus darauf stolz sein, dass Bundeswehrsoldaten in ihren Einsätzen moralisch integer handeln“, sagt der Philosophieprofessor, der in den USA unterrichtet. „Das es auch ganz anders geht, sieht man jetzt am russischen Vorgehen in der Ukraine.“

Viele Kriegsverbrechen von Soldatinnen und Soldaten der russischen Streitkräfte seien im Ukrainekrieg dokumentiert worden. Für Russland gehe es darum, „möglichst schnell diesen Krieg siegreich zu beenden, und das Mittel dazu ist, den Kampfeswillen der ukrainischen Bevölkerung zu schwächen“, sagt Göbel, der als Oberstleutnant der Reserve auch am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr forscht.

Die russische Kriegsführung folge dabei dem Prinzip „Der Zweck heiligt die Mittel“, so Göbel. Dieses Vorgehen sei ethisch nicht zu vertreten – und habe sich auch als strategischer Trugschluss herausgestellt. „Aufgrund dieser Kriegsverbrechen ist Russland international weitestgehend isoliert. Die Ukraine bekommt Unterstützung, und diese Unterstützung hat sie eigentlich befähigt, bisher zumindest die strategischen Ziele der Führung der Russen zu verhindern.“

Russische Streitkräfte missachten eigene Truppen

Doch auch im Umgang mit den eigenen Leuten mangele es den russischen Streitkräften an Moral, so Göbel. Machtmissbrauch und Gewalt gegen Untergebene seien an der Tagesordnung. Es werde Kadavergehorsam verlangt, Soldaten würden als „Kanonenfutter“ verheizt. „Das sind alles Beispiele von systemischem Mangel an ethischer Führung. Das hat auch strategische Konsequenzen, das wird oft übersehen.“ Die überraschend schlechte Leistung der russischen Streitkräfte im Ukrainekrieg sei auch auf die Missachtung der eigenen Truppe zurückzuführen. „Eine Armee, die ihre Soldaten missachtet, kann ihnen keine Kampfmoral, kann ihnen keinen Sinn, kann ihnen kein Identifikationspotenzial geben.“

Ein Angriffskrieg könne zudem weder ethisch noch nach internationalem Recht gerechtfertigt werden, so Göbel. Dennoch unternehme Russland den Versuch. „Es gibt ja diese Propagandalügen der russischen Führung, die sich teilweise nach Argumenten für einen gerechten Krieg anhören.“ Auch die russisch-orthodoxe Kirche versuche, den Überfall auf die Ukraine als rechtmäßig darzustellen. „Patriarch Kyrill hat von Anfang an diesen Krieg ideologisch legitimiert als, wie er sagt, Kampf gegen das metaphysische Böse.“ Tatsächlich aber werde die westlich-liberale Werteordnung angegriffen. „Man sieht hier, wie die aberwitzige Furcht vor moralischer Dekadenz zur Kriegstreiberei wird.“ 

Unterstützung der Ukraine moralisch geboten

Die Ukraine führe nicht nur einen Abwehrkampf gegen einen Aggressor, so der Militärethiker – indirekt würden die Ukrainerinnen und Ukrainer auch die europäischen Werte verteidigen. „Da geht es nicht nur um das eigene Leben und den Besitz, sondern es geht darum, dass sie in Freiheit und Demokratie leben wollen.“

Deshalb sei es auch moralisch geboten, den Abwehrkampf der Ukraine zu unterstützen, so Göbel. „Es geht um Notwehr und Nothilfe. Die Ukrainer haben sich dazu entschieden, nicht zu kapitulieren, sondern sich dem Aggressor zu widersetzen.“ Wenn die Ukraine um Hilfe nachsuche, könne man ihr diese nicht versagen, ohne sich durch Unterlassung mitschuldig zu machen.

von Timo Kather

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