Krise, Krieg und Konflikte
Bürger fragen, Führungskräfte aus Bundeswehr und Verteidigungsministerium antworten: Das ist die Idee von „Nachgefragt“. Die Reihe wurde mit Beginn des Ukrainekrieges gestartet. Alle zwei Wochen gibt es eine neue Folge mit wechselnden Gästen. Sie vermitteln sicherheitspolitische Informationen aus erster Hand.
„Jetzt ist die Stunde der Europäer“
Europa ist zentral für die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Sicherheitsarchitektur, und die Zusammenarbeit zwischen NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union ist zentral für eine glaubwürdige Abschreckung Russlands. Wie die verteidigungspolitische Lastenteilung zwischen den Institutionen funktionieren kann, weiß der Militärische Vertreter Deutschlands bei der NATONorth Atlantic Treaty Organization und der EUEuropäische Union.
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„NATONorth Atlantic Treaty Organization heißt für uns: Frieden, Sicherheit und – ganz wesentlich – Freiheit“, sagt Generalleutnant Wolfgang Wien. Nach dem Ende des Kalten Krieges sei mit Russland die Unverletzlichkeit der Grenzen Europas vereinbart worden – darunter auch jener der Ukraine. „Und nun stellen wir fest, dass Russland sich an diese ganzen Absprachen nicht mehr hält und alle Verträge in dieser Hinsicht bricht“, so Wien zum Moderator von Nachgefragt, Hauptmann Jan Czarnitzki.
NATONorth Atlantic Treaty Organization und EUEuropäische Union hätten sich im Vertrauen auf Russlands Vertragstreue auf die Krisenprävention im Ausland konzentriert. Doch spätestens mit der Annexion der Krim 2014 seien die Pläne Russlands deutlich geworden: „Russland möchte die Geschichte zurückdrehen“, sagt der Generalleutnant. Nun müsse man sich wieder auf Verteidigung und Abschreckung besinnen, so Wien. „Wir haben das nicht sehen wollen, wir haben einfach gehofft, es wird schon schiefgehen. Wir waren vielleicht nicht bösgläubig genug“, bilanziert Wien. Nun gelte es, Abwehrbereitschaft zu demonstrieren. „Wir müssen Russland zeigen können: Wir haben einsatzbereite Streitkräfte. Und wir sind in der Lage, jeden Bündnispartner zu verteidigen.“
Russland vergrößert seine Armee
Denn Russland rüste für eine militärische Auseinandersetzung, so Wien. „Russland bereitet sich auf einen Krieg vor. Ich sage nicht, dass Russland uns morgen angreifen wird. Ich sage auch nicht, dass Russland uns mit großen Divisionen, also vielen Truppen gleichzeitig, angreifen wird. Aber Russland wird uns in vielen Bereichen testen, und das macht es bereits jeden Tag.“ Schon jetzt habe Russland mehr Männer unter Waffen als vor Beginn des Krieges in der Ukraine, warnt der Generalleutnant. Allein das russische Heer solle künftig 1,5 Millionen Soldaten umfassen: „Wozu braucht Russland so viele Soldaten?“
Der EUEuropäische Union komme nun eine wichtige Rolle zu, so Wien. „Eine Verteidigung Europas ist ohne die Europäische Union überhaupt nicht denkbar“, sagt der Generalleutnant. „Jetzt ist die Stunde der Europäer, wo wir sagen: Wir bringen die NATONorth Atlantic Treaty Organization-EUEuropäische Union-Kooperation weiter voran.“ Zwar könne die EUEuropäische Union Russland nicht ohne NATONorth Atlantic Treaty Organization-Hilfe abschrecken, aber die Einhegung eines Regionalkonflikts oder eine Evakuierungsoperation müsse sie auch ohne das Bündnis stemmen können.
Ein weiteres wichtiges Element für die Abschreckung Russlands seien weitreichende konventionelle Waffen, so Wien. Es werde aber noch Jahre dauern, bis Europa solche Waffen entwickelt habe – zur Überbrückung würden daher Waffen aus den USA genutzt. So hatte Deutschland kürzlich die Stationierung von Raketensystemen der USUnited States-Armee bekannt gegeben. „Das sind sogenannte Deep Precision Strike-Waffen“, erklärt Wien. Ihre Reichweite betrage zwischen 300 und 2.000 Kilometern, sie seien nicht nuklear bestückbar. „Das ist Abschreckung, keine Provokation“, betont der Generalleutnant.
China, Iran und Nordkorea im Blick behalten
Doch es reiche nicht, nur den Krieg in der Ukraine im Blick zu behalten, warnt der NATONorth Atlantic Treaty Organization-Stratege. „Auch China bereitet sich auf einen Krieg vor, auch diese Herausforderung müssen wir sehen.“ Ein Konflikt in der indopazifischen Region hätte nicht nur wegen der Gefährdung der internationalen Handelswege, sondern auch wegen der industriellen Verflechtungen beispielsweise mit Taiwan erhebliche Auswirkungen auf Europa.
Zudem müsse die Zusammenarbeit zwischen Russland, China, dem Iran und Nordkorea genau beobachtet werden. „Sehen wir einen Zusammenschluss von vier Autokratien, die gegen die Freiheit sich zusammengeschlossen haben, die ein ganz anderes Staatsdenken haben?“, fragt Wien. Es gehe nicht um Schwarzmalerei, sondern um die Anerkennung und die Bewertung von Fakten. „Das Gute an dem Ganzen ist: Wir sehen das“, sagt der Militärische Vertreter Deutschlands bei der NATONorth Atlantic Treaty Organization und der EUEuropäische Union. Nur müssten noch die richtigen Schlüsse gezogen werden.
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