Nachgefragt

Hybride Kriegsführung zur See: „Die Gefahr ist erheblich“

Hybride Kriegsführung zur See: „Die Gefahr ist erheblich“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
3 MIN

Noch ist nicht klar, wer die Nordstream-Gasleitungen in der Ostsee sabotierte – der Vorfall Ende September zeigte aber, wie verletzlich kritische Infrastrukturen unter Wasser sind. Frank Menning ist Experte für Marinetechnik. In „Nachgefragt“ spricht der Direktor der WTDWehrtechnische Dienststelle 71 der Bundeswehr über die Herausforderungen hybrider Kriegsführung im Meer.

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Frank Mennig ist Direktor der Wehrtechnischen Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen in Eckernförde. Mit „Nachgefragt“-Moderatorin Hauptmann Janet Watson spricht er über hybride Kriegsführung im Meer und die Schutzmaßnahmen der Bundeswehr.

Neben den Gasleitungen sei insbesondere das weltumspannende Netz an Unterseekabeln ein potenzielles Ziel für Sabotageakte unter See, sagt Frank Menning. „97 Prozent des weltweiten Datenverkehrs laufen über diese Unterseekabel“, so der Direktor der Wehrtechnischen Dienststelle (WTDWehrtechnische Dienststelle) 71 der Bundeswehr. „Dort eine Beschädigung möchte ich mir gar nicht vorstellen.“ 

Mit Blick auf die von Europa nach Nordamerika im Atlantik verlaufenden Unterseekabel sagt der Experte für Marinetechnik: „Die Gefahr, dass dort irgendwelche Sachen manipuliert werden, ist erheblich.“ Aber auch Off-Shore-Windkraftanlagen seien ein mögliches Ziel für feindliche Kräfte: „Wenn dort die Energiekabel beschädigt werden, dann fehlt uns ein Großteil unseres notwendigen Stroms.“ Meerengen, Häfen, Schleusen sowie die derzeit noch im Bau befindlichen Flüssiggas-Terminals seien ebenfalls attraktiv für Saboteure.

Russland zu Angriffen am Meeresgrund fähig

Um eine Unterwassergasleitung zu zerstören, brauche es wenig mehr als ein seetaugliches Schiff und etwas Sprengstoff, so Menning. Die Nordstream-Pipeline zum Beispiel verlaufe in einer Wassertiefe von 70 bis 80 Metern. „Ich könnte dort mit einem einfachen Schiff, einem einfachen Kran, einen Sprengstoff an der Stelle niederlassen.“ 

Unterseekabel hingegen liegen in einer Wassertiefe von bis zu 6.000 Metern – diese könnten zum Beispiel mit einer ferngesteuerten Unterwasserdrohne angegriffen werden. Vor Norwegen und auch vor Ägypten sei es bereits zu Attacken auf Unterseekabel gekommen, so Menning. Insbesondere Russland sei in der Lage, derartige Angriffe zu fahren: So verfüge das Forschungsschiff „Yantar“ über kleine U-Boote, die an die Unterseekabel gelangen könnten. Außerdem sei Russland im Besitz von Unterwasserdrohnen, die mit Manipulationswerkzeugen ausgestattet sind.

Bis zur Sprengung der Nordstream-Gasleitungen habe man sich wenig Gedanken um die Gefahren hybrider Angriffe am Meeresboden gemacht, räumt der Direktor der WTDWehrtechnische Dienststelle 71 ein: „Als staatliche Akteure haben wir uns aus meiner Sicht nicht so richtig damit beschäftigt.“ Auch, weil eigentlich die Betreiber für den Schutz ihrer kritischen Infrastrukturen zuständig seien. Nun aber würden Konzepte entwickelt, wie derartige Vorfälle künftig verhindert werden könnten.

Riesige Seegebiete müssen geschützt werden

Grundsätzlich sei der Schutz kritischer Infrastrukturen am Meeresboden schwierig, so Menning. „Das sind ja gewaltige Flächen, ein gewaltiges Seegebiet und sehr viele Kilometer an Leitungen, die wir überwachen müssen.“ So könnten Unterwasserdrohnen und fliegende Aufklärungsdrohnen eingesetzt werden, um entlang wichtiger Leitungen zu patrouillieren. Auch das automatische Schiffs-Identifikationssystem AIS sowie Aufklärungssatelliten könnten zum Schutz kritischer Infrastrukturen im Meer beitragen.

Zudem erarbeite die WTDWehrtechnische Dienststelle 71 derzeit im Auftrag der NATO ein Konzept zum besseren Schutz von Häfen. „Wir wollen Boote einsetzen, die autonom das Hafengebiet überwachen, mit unterschiedlichen Sensoren. Das gleiche auch mit Drohnen in der Luft, mit Radar, mit Sonar, mit Elektro-Optik.“ Wer eine Hafenanlage beispielsweise mit Boots-Drohnen attackieren wolle, brauche lediglich einen GPSGlobal Positioning System-Empfänger, ein Boot und eine Software, um das Fahrzeug ins Ziel zu lenken. „Das ist keine Raketenwissenschaft“, so der Experte für Marinetechnik der Bundeswehr. Das hätten die erfolgreichen Angriffe der Ukraine auf die russische Schwarzmeerflotte bewiesen.   

von Timo Kather

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