„Ausnahmslos rund um die Uhr sehr aufmerksam sein“
„Ausnahmslos rund um die Uhr sehr aufmerksam sein“
- Datum:
- Ort:
- Berlin
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Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine zeigt: Moderne Streitkräfte können sich der digitalen Kriegführung nicht verschließen, wenn sie auf dem Schlachtfeld die Oberhand gewinnen wollen. Was mit technischer Hilfe militärisch möglich ist und wie man sich vor ITInformationstechnik-gestützten Angriffen schützen kann, weiß Oberst Tim Zahn vom Zentrum für Cyber-Sicherheit der Bundeswehr.
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Der Krieg in der Ukraine zeichne sich dadurch aus, „dass das erste Mal neue Technologien und neue Fähigkeiten der schnellen Datenkorrelationen, das heißt, der Sammlung, der Auswertung und der Nutzbarmachung von Daten, ITInformationstechnik-gestützt angewendet wurden“, sagt der Oberst.
Den ukrainischen Streitkräften sei es „in einer noch nie da gewesenen Weise“ gelungen, Daten aus zivilen und militärischen Quellen zu aktuellen Lagebildern zu verdichten, um sie anschließend gegen die Invasoren aus Russland einzusetzen. „Aufgrund der Datenmenge konnten erhebliche Zeitgewinne, die im militärischen Kontext immer eine wichtige Rolle spielen, erzielt werden“, so der Leiter des Zentrums für Cyber-Sicherheit der Bundeswehr.
Den ukrainischen Streitkräften waren auf diese Weise mehrere verheerende Angriffe gegen russische Verbände gelungen, nachdem man deren Position beispielsweise durch die Posts russischer Soldaten in den sozialen Netzwerken ermittelt hatte.
Aber nicht nur die Ukraine setze moderne Informationstechnik für die Kriegführung ein. Auch Russland habe sowohl im Vorfeld als auch in den ersten Tagen des Krieges versucht, „zivile oder militärisch lebenswichtige Infrastruktur durch Cyberangriffe zu beeinträchtigen oder auszuschalten, was dann auch durch den Einsatz von Waffengewalt anschließend noch unterstützt wurde“, so Oberst Zahn zu „Nachgefragt“-Moderator Hauptmann Hannes Lembke.
Zahns Dienststelle schützt die Bundeswehr vor solchen ITInformationstechnik-gestützten Attacken. „Wir sind zuständig für den Schutz der Informationstechnik in der Bundeswehr und für die Sensibilisierung der Menschen in der Bundeswehr, um einen sicheren Umgang mit ITInformationstechnik zu gewährleisten“, sagt der Oberst. Zu den Aufgaben des Zentrums für Cyber-Sicherheit der Bundeswehr gehöre es, Cyberangriffen vorzubeugen, etwaige Angriffe zu entdecken und geeignete Antworten darauf zu finden.
Fast alle Waffensysteme nutzen digitale Technik
Aber nicht nur militärische Netzwerke werden Ziel von Cyberangriffen. Auch moderne Waffensysteme sind gefährdet. „Es gibt heute kaum ein Waffensystem, ein Flugzeug, ein Landfahrzeug, ein Schiff und viele kleinere Systeme, die ohne ITInformationstechnik auskommen“, stellt Zahn fest. „Auch die Besatzungen von Kampfpanzern und Schützenpanzern sind im Cyberraum tätig.“
So habe man im Krieg in der Ukraine in drastischen Bildern verdeutlicht bekommen, was passieren könne, wenn sich zum Beispiel Panzerbesatzungen bei offener Turmluke mit ihren Smartphones beschäftigten.
Moderne Streitkräfte müssten sich den Herausforderungen stellen, die sich aus der Digitalisierung ergäben, so Zahn: „Durch zunehmende Digitalisierung, durch immer mehr ITInformationstechnik in immer mehr Systemen, wird die Angriffsfläche größer. Und da muss sich der Verteidiger natürlich darauf einstellen.“ Lücken und Schwachstellen in den ITInformationstechnik-Systemen müssten ständig im Blick behalten und Gegenmaßnahmen vorgehalten werden. „Da gilt es, ausnahmslos und rund um die Uhr sehr aufmerksam zu sein“, sagt der ITInformationstechnik-Offizier.
Dem Angreifer reiche im Zweifel eine einzige Schwachstelle, die er ausnützen könne. „Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. In diesem Bewusstsein versehen wir unseren Auftrag“, sagt Zahn. Dies gelte umso mehr, seit vermehrt Künstliche Intelligenz zur Sammlung, Aufbereitung und Verwertung von Daten eingesetzt werde.