Auftritt im Altersheim: Wann kommt ihr wieder?
Auftritt im Altersheim: Wann kommt ihr wieder?
- Datum:
- Ort:
- Berlin
- Lesedauer:
- 3 MIN
Besuchsverbot und Ausgangssperre: Für die Menschen in Altersheimen waren die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie besonders drastisch. Die Bundeswehr hat den tapferen Seniorinnen und Senioren nun eine Freude gemacht.
Als die Tür zum großen Probenraum aufgeht, spielen die Musiker gerade die letzten Takte von „Mein kleiner grüner Kaktus“. Es ist die Generalprobe der Combo des Stabsmusikkorps vor ihren Auftritten in zwei Berliner Altersheimen. Zur Unterstützung der Senioren in der Corona-Krise spielen in den kommenden Wochen in ganz Deutschland die Musikkorps der Bundeswehr.
Samt Instrument ins Homeoffice
Knapp zwei Monate war es still im Proberaum. Oberstleutnant Reinhard Kiauka blickte trüb in seinen Konzertkalender. Seit dem 13. März nur rote Kreuze. Jedes steht für einen ausgefallenen Auftritt. Über 30 sind es bis heute, überschlägt er grob. Kiauka ist Leiter des Stabsmusikkorps in Berlin, dem wohl bekanntesten Orchester der Bundeswehr. „Anfangs war ich noch optimistisch, dass wir vielleicht länger durchhalten“, sagt er. Doch die Politik winkt ab. Staatsbesuche und die Empfänge der Kanzlerin werden gestrichen. Der rote Teppich, die Bühne des Stabsmusikkorps, wird sprichwörtlich eingerollt. „Es ging von hundert auf null“, sagt er. Kiauka musste seine Soldatinnen und Soldaten samt Instrumenten ins Homeoffice schicken.
Proben fällt schwer
Stabsfeldwebel Steffen Grasse traf der Lockdown besonders hart. Er spielt Sousafon, eine Art Tuba in der Combo. Der Bass seines Instruments geht durch jede Hauswand. „Wenn man seine Nachbarn gernhat, probt man besser nicht zu Hause“, sagt Grasse lachend. Er hat alles versucht, um während der Zeit in Form zu bleiben – vergebens: „Die Dynamik kann nur entstehen, wenn man zusammen probt“, sagt er.
Letzte Woche haben sich die Musiker zum ersten Mal getroffen, um die Titelauswahl für die Altersheime zu besprechen. Grasse plant eine Reise durch die Musikgeschichte: Von „Rosamunde“ bis Michael Jackson. Die Combo spielt ansonsten meist Jazz und Swing. Böhmische Blasmusik von Ernst Mosch, die sich Senioren oft wünschen, gehört normaler Weise nicht zu ihrem Repertoire.
Grasse würde gern mehr beat- und schlagzeuglastige Stücke spielen, doch die Corona-Regeln der Bundeswehr erlauben maximal fünf Musiker mit jeweils zwei Meter Abstand. Als Konsequenz bleibt die Trommel zu Hause, ein Akkordeon kommt dafür. Grasse muss deshalb die Noten neu arrangieren. „Jedes Instrument ist anders, was im Orchester gut klingt, muss für die Combo neu bearbeitet werden“, sagt er.
Liebe Angehörige, wir vermissen Sie
Warum sie plötzlich Abstand halten soll, versteht Hanne nicht. Angst vor dem Coronavirus hat die 94-Jährige ohnehin nicht: „Ich mach aus allem das Beste. Was mir nicht gefällt, lass ich links liegen“, sagt sie, beugt sich nach vorn hinunter und berührt ihre Zehenspitzen. „Ich war früher Balletttänzerin, deshalb kann ich das noch.“ Johanna Beyga ist dement und wohnt im Berliner Altersheim „Haus Jahreszeiten“ in der Büschingstrasse. Die rüstige Dame ist ein Ausnahmefall. Nicht alle können so gut mit der Krise umgehen. Ausgangssperren und Besuchsverbote machten den Senioren die letzten acht Wochen schwer zu schaffen. „Liebe Angehörige, wir vermissen Sie“ steht in bunten Buchstaben auf einem selbst gebastelten Schild am Eingangsfenster. Das „Haus Jahreszeiten“ ist kein Einzelfall. Einsamkeit hielt in allen Alten- und Pflegheime Deutschlands Einzug. Wie sehr die Senioren unter den Restriktionen gelitten haben, lässt sich nur erahnen.
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Die Krücke klappert zur Musik
Als das Stabsmusikkorps zu spielen beginnt, stehen die Senioren bereits an den Balkonen. Rollstühle verteilen sich über den gesamten Garten des Altersheims. Seit letzter Woche dürfen die Senioren wieder Besuch empfangen. Ihre Erleichterung ist spürbar, die Alten klatschen zur Musik. Als die Combo „Die Fischerin vom Bodensee“ spielt, kann sich Hanne nicht mehr halten. Sie steht von der Parkbank auf und tanzt, die Krücke klappert zur Musik. Knapp 30 Minuten lang spielt die Combo. Mehr Zeit bleibt nicht, der zweite Termin folgt. „Wir möchten in dieser dunklen Zeit Licht und emotionale Freude verbreiten“ hatte Kiauka bei der Probe zu seinen Musikern gesagt. Hanne möchte nur eins wissen: Wann kommt ihr wieder?