Militär und Sprache

Von „schweren Geschützen“ und „Kraftprotzen“: Militärbegriffe in der Alltagssprache

Von „schweren Geschützen“ und „Kraftprotzen“: Militärbegriffe in der Alltagssprache

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

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Militärische Begriffe und Redewendungen haben über Jahrhunderte auch die zivile Alltagssprache geprägt. Oft wurden sie so verinnerlicht, dass die meisten Menschen kaum noch wissen, wo ihr Ursprung liegt und was es eigentlich mit ihnen auf sich hat. Hier werden einige Beispiele rund um das Thema Feuerwaffen beleuchtet. 

Eine Panzerhaubitze 2000 fährt mit Besatzung über offenes Gelände

Die Panzerhaubitze 2000 verschießt zielgenau Artilleriegeschosse im NATONorth Atlantic Treaty Organization-Kaliber 155 Millimeter. Überdimensionierte Eisenbahngeschütze vergangener Zeiten hatten oft größere Kaliber, trafen aber kaum ihr Ziel und waren sehr aufwendig in der Nutzung.

Bundeswehr/Maximilian Schulz

„Schwere Geschütze auffahren“

Seit der Mensch existiert, befindet er sich wohl im Konflikt zu anderen seiner Art. Um sich zu schützen, umgab er sich mit immer ausgeklügelten Schutz- und Abwehreinrichtungen. Diese aufzubrechen war und ist bis heute das Ziel jedes Angreifers. Um die eigenen Ressourcen zu schonen, möchte man dabei das Verteidigungspotenzial des Gegners auf möglichst hoher Distanz niederringen. Im stetigen Wettlauf zueinander wurden immer schlagkräftigere Schutz- und Angriffsmethoden erdacht. 

Um auch Breschen in die dicksten Mauern und Hindernisse schlagen zu können, sollten immer größere Kanonen den gewünschten Effekt erzielen. Während es in vergangenen Zeiten oft reichte, mit „schweren Geschützen“ vor den Stadttoren zu erscheinen und eine Aufgabe der Verteidiger zu erzwingen, kamen im Zweiten Weltkrieg Geschütze mit einem Kaliber bis zu 80 Zentimetern zum Einsatz – unter größtem Ressourceneinsatz und mit mäßigem Erfolg. Noch heute drückt man mit der Redewendung „schweres Geschütz auffahren“ aus, dass man zum Äußersten entschlossen ist und keine Anstrengung scheut.

„Lunte riechen“

Manchmal hat man das unbestimmte Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Ganz unbewusst „scannt“ man die Umgebung und versucht herauszufinden, woran das liegt. Das können kleine Abweichungen von üblichen Routinen sein, aber auch ungewohnte oder unerwartete Geräusche und Düfte reichen aus, um Menschen argwöhnisch werden zu lassen. Dann „riechen sie Lunte“.

Bereits seit dem 14. Jahrhundert gibt es Feuerwaffen in Europa. Sie abzufeuern, war lange eine komplizierte Angelegenheit. Eine brennende Zündschnur – die Lunte - wurde über den Abzugmechanismus früher Gewehre in eine an der Waffe befestigte Pfanne geschnellt, die Schießpulver enthielt. Schießpulver besteht aus Salpeter, fein gemahlener Kohle und Schwefel. War das Gemisch entzündet, verließ die Gewehrkugel nach der Explosion des Pulvers den Lauf der Waffe. Besonders feine Nasen rochen deshalb bereits das Abbrennen der Lunten, während weniger Vorsichtige im Pulverdampf tot zusammensanken.

Zünd- und Sprengschnüre sind fertig verlegt im Rahmen der Sprengung eines alten Feuerwehrwachturmes

Gewehre mit Luntenschlössern gibt es schon lange nicht mehr. Bei Sprengungen werden aber Lunten oder Zündschnüre noch heute eingesetzt. Statt sie anzuzünden, wird der Sprengimpuls durch eine Sprengkapsel gegeben.

Bundeswehr/Torsten Kraatz

„Aufs Korn nehmen“

Sicherlich hat jeder schon einmal den Eindruck gehabt, dass man – aus welchem Grund auch immer – die ganz besondere und nicht immer wohlwollende Aufmerksamkeit einer Person genießt. An der Schule, im Ausbildungsbetrieb oder an der Universität ist es beispielsweise meist die oder der Lehrende gerade desjenigen Faches, das eh nicht zu den eigenen Stärken gehört. Es ist also daher auch nicht weiter erstaunlich, dass man gerade in diesem besonders scharf geprüft, also umgangssprachlich „aufs Korn genommen“ wird.

Obwohl man es vielleicht vermuten könnte, hat die Redewendung ihren Ursprung nicht im Getreideanbau. Sie spielt vielmehr auf die Kimme und das Korn an, die als Visiereinrichtungen auch heute noch auf dem Lauf vieler Pistolen und Gewehre zu finden sind. Bringen die Schützin oder der Schütze das ausgemachte Ziel, die Einbuchtung der Kimme und die Ausbuchtung des Korns in eine Linie zueinander, geht der Schuss mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht daneben und trifft an den gewünschten Ort.

„08/15“

Zugegeben, wahrscheinlich werden immer weniger Leserinnen und Leser mit der Formulierung nullachtfünfzehn noch etwas anfangen können. Aber sie war einmal ein gängiger Ausdruck für etwas, das als gewöhnlich, standardisiert oder unoriginell empfunden wurde. Dabei steckte dahinter eine revolutionäre Waffe, die die Kampfführung auf der ganzen Welt nachhaltig verändern sollte: das Maschinengewehr. 

Das 08/15 war das Standardmaschinengewehr der deutschen Armee während des Ersten Weltkrieges. 1908 eingeführt, wurde es 1915 rundum optimiert. Daher die Zahlenkombination. Es war an allen Fronten im Einsatz. Obwohl nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit, gehörte das 08/15 bis weit in die 1930er-Jahre für Generationen von Soldaten zur gewohnten Bewaffnung der deutschen Armee. Erst dann wurde es durch modernere Maschinengewehre wie das MG42 ersetzt, das in abgewandelter Form als MG3 bis heute die Bundeswehr verwendet. 

Zwei Soldaten liegen am Boden, ein Soldat hält das Maschinengewehr 3 am Anschlag

Auf die Bundeswehr übertragen, müsste die Redewendung „08/15“ heute „MG3“ heißen. Das MG3, die Abkürzung für Maschinengewehr 3, ist seit 1966 im Einsatz. Die feuerkraftstarke Maschinenwaffe kann pro Minute bis zu 1.200 Schuss abgeben.

Bundeswehr/Jane Schmidt

„Kraftprotz“

Spricht man von einem „Kraftprotz“, denken die meisten Menschen sicherlich an einen großen, muskelbepackten und außergewöhnlich starken Mann. Sie liegen damit völlig richtig, denn der Begriff geht auf den körperlich fordernden Alltag der Artilleristen zurück. Für die Handhabung der schweren Geschütze und ihrer hochexplosiven Munition benötigen die Besatzungen nicht nur eine Menge Sachverstand, sondern auch Kraft, um mit anpacken zu können.

Heute ist es üblich, dass Artilleriegeschütze auf einer selbstfahrenden Plattform installiert sind. Die Bundeswehr verwendet beispielsweise die Panzerhaubitze 2000, die die Mobilität eines Kettenfahrzeuges mit starker Feuerkraft über große Distanzen verbindet. Früher aber wurden die Geschütze mit Hilfe einer Protze, umgangssprachlich einem zweirädrigen Pferdewagen, von Punkt A zu Punkt B transportiert. Das Ab- und Anhängen an das Gefährt nannte man in der Fachsprache Ab- und Aufprotzen. Aufgrund des Gewichtes der Geschütze war das eine sehr schweißtreibende Angelegenheit – ein Job für Kraftprotze also.

von Fabian Friedl

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