Fregattenkapitän Michael Hinz ist Kommandeur des Logistikbataillons 171 in Burg und hat in einer Vorverwendung im NATO-Hauptquartier in Brüssel gedient. Mit seinem Bataillon ist er für die NRFNATO Response Force 2022 bis 2024 geplant. Ein Gespräch über Alarmierungszeiten, ziviles Outsourcing und wieso NRFNATO Response Force-Logistik mit anderen Einsätzen nicht vergleichbar ist.
5 Fragen an
Fregattenkapitän Michael Hinz, Kommandeur des Logistikbataillons 171 in Burg
Redaktion der Bundeswehr
Ihr Bataillon ist als Unterstützungsverband für die VTJF (Very High Readiness Joint Task Force, schnelle Eingreiftruppe der NATO) 2023 geplant. Was ist die größte Herausforderung?
Es gibt nicht eine, sondern drei große Herausforderungen: die unklare Einsatzdauer in Verbindung mit den Alarmierungszeiten, die Dimension des Auftrages und die Infrastruktur in einem möglichen Einsatzgebiet. Für die VJTFVery High Readiness Joint Task Force beträgt die Alarmierungszeit nur fünf bis sieben Tage. Das heißt, die Soldatinnen und Soldaten müssen sehr schnell in den Einsatz und bleiben dann erst einmal für unbestimmte Zeit. Eine konkrete Ablöseplanung gibt es bis dahin noch nicht. Bei den Einsätzen in Afghanistan und jetzt Mali waren und sind Abreise, Aufenthalt und Rückreise wesentlich planbarer, auch für die Familie.
Redaktion der Bundeswehr
Was meinen Sie mit der Dimension des Auftrages?
Allein die Mengen, die wir transportieren, lagern und umschlagen müssen, sind weitaus größer. In Masar-i Scharif umfasste allein das Marketenderwaren-Zentrallager rund 100 Containeräquivalente – für etwa 1.800 Soldatinnen und Soldaten. Für die NATO Response Force, also die Verstärkungskräfte der VJTFVery High Readiness Joint Task Force , sind rund 16.000 Einsatzkräfte geplant. Selbst wenn wir nicht das Neunfache, sondern nur das Fünffache ansetzen, liegen wir bei 500 Containern – plus Bekleidung, Verpflegung und Wasserflaschen, die wir immer vorhalten müssen. Alle diese Versorgungsartikel werden im sogenannten Teillager Verpflegung, Bekleidung, Ausrüstung (VBA) durch eine einzige Gruppe von rund 15 Soldatinnen und Soldaten empfangen, gelagert und ausgegeben – in einem Lager, das noch errichtet werden muss. Und hinsichtlich der Lagerung von Munition warten fast noch größere Herausforderungen auf uns. Denn wir wissen ja nicht, wo es hingeht, wenn wir aktiviert werden.
Redaktion der Bundeswehr
Aber stellt nicht der NATO-Bündnispartner über den Host Nation Support (Unterstützung ausländischer Streitkräfte in Deutschland) die Infrastruktur bereit?
Das ist die Idee. Aber insbesondere die kleineren Nationen haben gar nicht die Möglichkeit, uns große Liegenschaften zur Verfügung zu stellen. Sie benötigen diese für ihre eigenen Kräfte – gerade in einem möglichen Szenario der Landes- und Bündnisverteidigung. Wir planen mit ziviler Infrastruktur, die wir gegebenenfalls erst einmal instandsetzen müssen – wenn es überhaupt welche gibt.
Redaktion der Bundeswehr
Die Bundeswehr hat mehr als 20 Jahre Einsatzerfahrung in der Logistik. Warum ist die NRFNATO Response Forceso anders?
In Afghanistan operierten die Logistiker aus einer vergleichsweise sicheren Basis heraus. Nachschublieferungen erfolgten per Flugzeug oder über Drittanbieter. Vieles – Verpflegung, Bekleidung und Unterbringung – übernahm zudem die Einsatzwehrverwaltungsstelle, also die zivile Verwaltung statt die militärische Logistik. Wenn die NRFNATO Response Force aktiviert wird, sind wir wieder für alles zuständig, müssen alles selbst mitnehmen – und gehören zu den ersten größeren Verbänden, die vor Ort sind.
Redaktion der Bundeswehr
Wäre Outsourcing an zivile Drittanbieter nicht auch für die NRFNATO Response Force möglich?
Wir haben uns daran gewöhnt, in der Logistik mit zivilen Drittanbietern im Einsatzland zu arbeiten. Doch wenn wir an ein mögliches Szenario der Landes- und Bündnisverteidigung denken, stellen sich drei Fragen: Wie weit, wie lange und wie zuverlässig fahren zivile Anbieter in ein Operationsgebiet? Nachschublinien müssen robust sein, damit Kampfverbände durchhaltefähig bleiben. Das geht nur, wenn wir die dafür notwendigen Fähigkeiten selbst vorhalten – mit einer eigenen militärischen Logistikkette vom Heimatland bis ins Einsatzgebiet.
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