Beim Verlauf von Long- und Post-Covid ist noch vieles unklar. Das Post-Covid-Syndrom tritt offenbar unabhängig von der Schwere der Erkrankung auf. Auch bei Menschen, die nur leicht infiziert waren. Oberfeldarzt Frank Müller ist Infektiologe und erklärt das Krankheitsbild und wie der Forschungsstand dazu an den Bundeswehr-Krankenhäusern ist.
6 Fragen an Frank Müller
Oberfeldarzt
Welche Langzeitauswirkungen kann man nach einer Ansteckung mit Omikron bisher beobachten?
Auffällig ist, dass viele Corona-Genesene weit über die Zeit der eigentlichen Viruserkrankungen hinaus symptomatisch bleiben. Zu den häufigsten Symptomen, die ich bisher als Pneumologe und Infektiologe beobachtet habe, zählen Müdigkeit, Erschöpfung, eingeschränkte Belastbarkeit, Kurzatmigkeit, Schlafstörungen und Muskelschwäche. Neben einer Verschlechterung der Lungenfunktion lassen sich auch andere Organkomplikationen jenseits der akuten Krankheitsphase beobachten – wie Herzmuskelentzündungen und neu aufgetretene Nieren- und Stoffwechselerkrankungen sowie das Auftreten von Thromboembolien.
Was ist der richtige Begriff für gesundheitliche Langzeitauswirkungen – Long-Covid oder Post-Covid?
Von Long-Covid spricht man, wenn neue Symptome nach einer Erkrankung hinzukommen oder länger bestehen als vier Wochen. Ein Post-Covid-19-Syndrom liegt vor, wenn die Symptome länger als zwölf Wochen anhalten und nicht durch andere Diagnosen erklärt werden können.
Welche Erkenntnisse gibt es bisher zur neuen Omikron-Mutation?
Die Virusvariante Omikron Sublinie BABootsmannanwärter.1 breitet sich deutlich schneller und effektiver aus, als die vergangenen Varianten. Omikron Sublinie BABootsmannanwärter.2 ist offensichtlich noch leichter übertragbar. In Ländern mit einer hohen Immunität durch Impfungen oder bereits durchgemachte Infektionen wurden bislang keine Hinweise darauf gefunden, dass Erkrankungen mit Omikron schwerer verlaufen, als mit den bisherigen Virusvarianten. Die Impfung bietet grundsätzlich einen guten Schutz vor der Omikron-Variante! Die Schutzwirkung gegenüber einer Infektion lässt allerdings nach wenigen Monaten nach, so dass angesichts der aktuell hohen Zahl von Neuinfektionen die konsequente Einhaltung der Abstandsregeln und eine Kontaktreduktion weiter zur Reduktion des Infektionsrisikos erforderlich sind.
Wie häufig tritt das Phänomen Post-Covid im Verhältnis zu Long-Covid bei Omikron-Patienten auf?
Es gibt leider noch nicht genug Daten und Studien, die diese Fragestellung beantworten. Auch in unserer Post-Covid-Ambulanz am Bundeswehr-Zentralkrankenhaus Koblenz wurden noch nicht genügend Patienten behandelt, um zu dieser Frage Stellung beziehen zu können. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr in Koblenz und der Forschungsgruppe Leistungsepidemiologie der Deutschen Sporthochschule Köln ist das Projekt „ActIv-COVID“ geplant. Dieses baut auf dem bereits laufenden Projekt „Activate Individuals (ActIv)“ der beiden Institute auf, in dem in einer bundesweiten Befragung Motivation, Attraktoren und Barrieren für einen gesunden Alltag nach einer Corona-Erkrankung erforscht werden. Eine Beteiligung ist online möglich. Informationen zum ActIv-Projekt finden Sie unter www.dshs-koeln.de/activ.
Welche Menschen haben ein erhöhtes Risiko gesundheitliche Langzeitfolgen von Covid-19 zu entwickeln? Sind auch Erkrankte mit milden Verläufen betroffen?
Etwa 15 Prozent erleiden das Post-Covid-Syndrom. Die Häufigkeit scheint unabhängig von Vorerkrankungen zu sein, allerdings können ähnliche körperliche oder psychosomatische Beschwerden in der Vorgeschichte die Manifestation eines Post-Covid-Syndroms begünstigen. Als Risikofaktoren können genannt werden: Alter - insbesondere über 50 Jahre - , weibliches Geschlecht in der jüngeren Altersgruppe, Übergewicht, Asthma und mehr als fünf Symptome in der ersten Woche der Infektion wie beispielsweise Husten, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Durchfall, Geruchs- oder Geschmacksverlust.
Welche speziellen Therapieangebote gibt es für Soldaten bei gesundheitlichen Langzeitfolgen?
Unsere Behandlung am Bundeswehr-Zentralkrankenhaus in Koblenz beinhaltet medikamentöse Therapieoptionen, Physiotherapie, Atemgymnastik, Konzentrationstraining und auch eine Sauerstofftherapie. Es wird dabei auch eng mit anderen Kliniken und insbesondere mit den neurologischen Kolleginnen und Kollegen des Hauses zusammengearbeitet. In vielen Fällen ist aber auch Geduld ein ganz wesentlicher Faktor. Es ist wichtig für die Patientinnen und Patienten zu wissen, dass es teilweise Wochen oder Monate braucht, um wieder fit zu werden. Wir lassen niemanden allein! Es ist außerordentlich wichtig, dass unsere Soldatinnen und Soldaten wissen, dass der Sanitätsdienst sie nicht mit ihren Beschwerden nach einer Corona-Erkrankung allein lässt und sie bei uns immer einen Ansprechpartner finden. Die erste Anlaufstelle ist der Truppenarzt, welcher die Erkrankten dann an die entsprechenden Fachleute in den Bundeswehrkrankenhäusern oder Facharztzentren weiterleitet.
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