Klare Regeln für den Einsatz im Innern
Klare Regeln für den Einsatz im Innern
- Datum:
- Ort:
- Berlin
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Die Bundeswehr hat Personal und Material, um im Krisen- und Katastrophenfall innerhalb Deutschlands zu helfen. Wann die Streitkräfte womit unterstützen dürfen, ist klar geregelt.
Das Grundgesetz (GGGrundgesetz) setzt dem Einsatz der Streitkräfte im Inland enge Grenzen. Es zieht damit Lehren aus der deutschen Geschichte.
Bei Unterstützungs- und Hilfeleistungen der Bundeswehr im Rahmen der Corona-Krise ist rechtlich zwischen Amtshilfe und Unterstützung im Katastrophennotstand (Katastrophenhilfe) zu unterscheiden. Amtshilfe umfasst dabei technisch-logistische Unterstützungsleistungen ohne Wahrnehmung hoheitlicher Zwangs- und Eingriffsbefugnisse. Für ein weitergehendes Tätigwerden im Katstrophennotstand müssen die besonderen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Artikel 35 Abs. 2 oder 3 GGGrundgesetz gegeben sein.
Unterstützungleistungen der Bundeswehr im Rahmen der Amtshilfe
Die derzeitigen Hilfeleistungen der Bundeswehr im Kampf gegen Corona erfolgen im Rahmen der Amtshilfe gemäß Artikel 35 Abs. 1 GGGrundgesetz. Amtshilfe leisten sich Behörden – auf Bundes- und Landesebene – untereinander. Dies kann sowohl technische, personelle wie auch logistische Amtshilfe umfassen. Im Kampf gegen Corona unterstützt die BwBundeswehr in vielfältiger Weise:
So hat beispielsweise der Berliner Senat um die Hilfe der Bundeswehr beim Aufbau einer Corona-Klinik auf dem Gelände der Messe Berlin ersucht. Dem wurde entsprochen. Weiter fallen unter diesen Begriff diverse Hilfsmaßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus im ganzen Land, zum Beispiel die Lieferung von Verpflegung und Material sowie die Bereitstellung von Unterbringungsmöglichkeiten.
Unterstützungsleistungen der Bundeswehr im Rahmen des Katastrophennotstands
Regionaler und überregionaler Katastrophennotstand: Grundlage für einen möglichen Einsatz der Bundeswehr (auch unter Inanspruchnahme hoheitlicher Zwangs- und Eingriffsbefugnisse) ist Artikel 35 Abs. 2 und 3 GGGrundgesetz. Zu unterscheiden ist der Fall des regionalen Katstrophennotstandes, Artikel 35 Abs. 2 GGGrundgesetz, sowie der Fall des überregionalen Katstrophennotstandes Artikel 35 Abs. 3 GGGrundgesetz. Beide Artikel setzen eine Naturkatastrophe oder einen besonders schweren Unglücksfall voraus.
Naturkatastrophen sind unmittelbar drohende Gefahrenzustände oder Schädigungen von erheblichem Ausmaß, die durch Naturereignisse wie Erdbeben, Hochwasser, Eisgang, Unwetter, Wald- und Großbrände durch Selbstentzündung oder Blitze, Dürre oder Massenerkrankungen ausgelöst werden.
Besonders schwere Unglücksfälle sind Schadensereignisse von großem Ausmaß und von besonderer Bedeutung für die Öffentlichkeit, die durch Unfälle, technisches und/oder menschliches Versagen ausgelöst oder – wie etwa bei terroristischen Anschlägen katastrophalen Ausmaßes von Dritten absichtlich herbeigeführt werden.
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht 2012 die Hürden für den Einsatz der Bundeswehr in einem solchen Fall hochgelegt. Demnach muss es sich um eine „ungewöhnliche Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes“ handeln.
Die Bekämpfung einer Naturkatastrophe oder die Hilfeleistung bei einem besonders schweren Unglücksfall ist nach der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes in erster Linie Sache des betroffenen Landes. Die Hilfe der Bundeswehr ist also nur subsidiär. Sie kann nur angefordert werden, wenn das Land seine polizeiliche Aufgabe der Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung im Fall von Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen ohne fremde Unterstützung nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten erfüllen könnte.
Die Verwendung der Kräfte, mithin auch der eingesetzten Streitkräfte, muss sich nach den Zielen der für die Katastrophenabwehr zuständigen Länderbehörden richten.
Gefährdet die Naturkatastrophe oder der Unglücksfall mehrere Bundesländer, so kann die Bundesregierung die Landesregierungen anweisen, Polizeikräfte anderen Ländern zur Verfügung zu stellen; außerdem kann sie Einheiten der Bundespolizei und der Streitkräfte zur Unterstützung der Polizeikräfte einsetzen. Voraussetzung für diese Maßnahmen der Bundesregierung ist es, dass sie zur wirksamen Bekämpfung des Katastrophennotstandes erforderlich sind.
Streitkräfteeinsatz im inneren Notstand
Das Grundgesetz macht den Streitkräfteeinsatz im inneren Notstand von der Erfüllung strenger Voraussetzungen abhängig. Nach Artikel 87a Abs. 4 in Verbindung mit Artikel 91 Abs. 2 GGGrundgesetz kann die Bundesregierung nur zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes Streitkräfte zur Unterstützung der Polizei und der Bundespolizei beim Schutz von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einsetzen, und auch nur dann, wenn das Land, in dem die Gefahr droht, nicht selbst zur Bekämpfung der Gefahr bereit oder in der Lage ist und die Polizeikräfte sowie der Bundesgrenzschutz nicht ausreichen. Der Einsatz ist auf Verlangen des Bundestages oder des Bundesrates abzubrechen.
Hierbei ist zu betonen, dass der bewaffnete Einsatz im Innern außerhalb der eigentlichen Grundfunktion der Streitkräfte in einem demokratischen Rechtsstaat immer nur das äußerste Mittel sein darf, da die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit in erster Linie Aufgabe der Polizei ist.
Flutkatastrophe in Hamburg – die Bundeswehr half
Gleichwohl gilt ein Einsatz, für den es damals noch keine rechtliche Grundlage gab, als Blaupause für Hilfseinsätze der Bundeswehr im Innern: die Hamburger Sturmflut im Februar 1962.
Seinerzeit setzte der damalige Polizeisenator, späterer Verteidigungsminister und Bundeskanzler Helmut Schmidt – zupackend und unkonventionell – die Bundeswehr zur Rettung der Hamburger Bürgerinnen und Bürger ein. Viele waren durch die Flut in Lebensgefahr geraten. Dieser Einsatz geschah damals noch ohne rechtliche Grundlage. Er gilt bis heute dennoch als richtungsweisend und wurde bei der Regelung der heutigen Wehrverfassung berücksichtigt.