Jobporträt

Tauchen in Seen und Flüssen: Die Aufgaben eines Pioniertauchers bei der Bundeswehr

Tauchen in Seen und Flüssen: Die Aufgaben eines Pioniertauchers bei der Bundeswehr

Datum:
Ort:
Havelberg
Lesedauer:
4 MIN

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Die Sicht ist schlecht und die Ausrüstung schwer. Trotzdem taucht Oberstabsgefreiter Sebastian S. für die 5. Kompanie des Deutsch/Britischen Pionierbrückenbataillons 130 seit mehr als zwei Jahren immer wieder in Seen und Flüssen. In Havelberg ist der Pioniertaucher in seinem Element: dem Wasser.

Ein Soldat in einer Portaitaufnahme in seiner Tauchausrüstung

Pionier unter Wasser: Oberstabsgefreiter Sebastian S. ist Pioniertaucher und Angehöriger des Deutsch/Britischen Pionierbrückenbataillons 130 in Havelberg

Bundeswehr/Jana Neumann

Wenn Oberstabsgefreiter Sebastian S. seine Tauchkleidung anlegt, dann nicht um zu entspannen oder die faszinierende Unterwasserwelt zu bestaunen, sondern um zu arbeiten – denn er ist Pioniertaucher beim Deutsch/Britischen Pionierbrückenbataillon 130. Sein Interesse fürs Tauchen machte er zum Beruf.

Sein Auftrag als Pioniertaucher ist es, unter Wasser die Bewegung der eigenen Truppen zu fördern oder die des Feindes zu hindern. Sebastian S. berichtet, dass seine Arbeit eine Kombination aus allem sei, was ein gewöhnlicher Pionier auch tut – nur unter Wasser. „Entweder baue, beseitige oder sperre ich etwas“, erklärt er und ergänzt: „Manchmal bringe ich auch etwas unter Wasser an, zum Beispiel Sprengladungen. Als Sprenghelfer kann ich so dabei unterstützen, das Gelände für die Faltschwimmbrücke, Amphibienfahrzeuge oder Panzer frei zu machen.“

Flieger klappte nicht, also legte er den Tauchanzug an

Sebastian S. trat 2014 in die Bundeswehr ein, damals noch als freiwillig Wehrdienstleistender. Sein Plan war es, Pilot zu werden, doch das Auswahlverfahren für den fliegerischen Dienst bei der Bundeswehr ist hart. „Die medizinische und psychologische Untersuchung in der zweiten Phase des Auswahlverfahrens habe ich damals nicht bestanden“, erinnert er sich.

Der Traum vom Fliegen war geplatzt. Für den Oberstabsgefreiten hieß das aber nicht, dass er auch den Soldatenberuf an den Nagel hängen wollte. Er zeigte großes Interesse fürs Tauchen. „Ich habe mich dann für ein Praktikum hier in Havelberg beworben, um mir die Arbeit der Pioniertaucher anzuschauen“, erzählt er. Dieses Praktikum fand kurz vor seinem Afghanistaneinsatz statt. Wieder zurück in Deutschland beantragte er die Versetzung zu den Pioniertauchern.

Mehrere unterschiedliche Tauchanzüge hängen an einem Fahrzeug

Ob tauchen in sieben Millimeter dickem Neopren (l.) oder im Trilaminat-Tauchanzug: Oberstabsgefreiter Sebastian S. entscheidet selbst, was er unter Wasser trägt. Ausschlaggebend sind die Wassertemperatur und der Grad der Verschmutzung.

Bundeswehr/Jana Neumann

Zwei Jahre Ausbildung, jährlicher Fähigkeitserhalt

Die Ausbildung zum Pioniertaucher in der Laufbahn der Mannschaften dauerte zwei Jahre. Verpflichtet hatte er sich für zwölf Jahre. Nachdem er seine tauchmedizinische Untersuchung, die für Pioniere verpflichtende Spezialgrundausbildung und den Lehrgang „Kampfmittelaufklärer Pioniertrupp“ bestanden hatte, führte ihn sein Weg zur Marine nach Neustadt in Holstein. „In Neustadt werden alle Taucher unabhängig ihrer Teilstreitkraft ausgebildet. Die Marine hat da sozusagen das Monopol drauf“, sagt Sebastian S.

Sebastian S., Oberstabsgefreiter
Jeder Taucher bei der Bundeswehr macht den Schwimmtaucher. Die Spreu vom Weizen trennt sich erst danach.

Von Norddeutschland reiste der Oberstabsgefreite als angehender Pioniertaucher nach Percha am Starnberger See. Pioniertaucher und Kampfmittelabwehrtaucher werden dort weiter ausgebildet. „Denn dort können wir in einem Binnengewässer auf unserer Maximaltiefe von 50 Meter tauchen“, ergänzt er.

Die Ausbildung zum Pioniertaucher in der Bundeswehr

Lehrgang / VerwendungInhaltDauerOrt
Spezialgrundausbildung PioniereErweiterung der Grundausbildung und erste Fokussierung auf Pioniertätigkeitencirca 3 Monatezum Beispiel beim Pionierbrückenbataillon 130 in Havelberg
Kampfmittelaufklärer PioniertruppLernen, beim Finden und bei der Beseitigung von Kampfmitteln zu unterstützencirca 2 Monatean der Kampfmittelabwehrschule in Stetten am kalten Markt
SchwimmtaucherAllgemeine Tauchausbildung und Ausbildung zum Rettungsschwimmercirca 3 Monateam Einsatzausbildungszentrum Schadensabwehr der Marine in Neustadt in Holstein
PioniertaucherSpezialisierte Ausbildung zum Sprenghelfer und Kampfmittelaufklärer bei Tauchgängencirca 3 Monateam Tauchausbildungszentrum in Percha am Starnberger See

Sind alle Lehrgänge absolviert, können sich die Soldatinnen und Soldaten wie Oberstabsgefreiter Sebastian S. fertig ausgebildete Pioniertaucher nennen. Ob sie dies bleiben, hängt davon ab, ob sie ihre Mindesttauchleistung erfüllen und die jährliche tauchmedizinische Untersuchung bestehen. „Wir müssen jedes Jahr 30 Tauchstunden nachweisen können.  Davon müssen vier bei Nacht und vier in die Tiefe absolviert werden“, erklärt Sebastian S. „Ob wir sie überhaupt tauchen dürfen, hängt vom Bestehen der tauchmedizinischen Untersuchung ab. Diese müssen wir jedes Jahr in unserem Geburtsmonat wiederholen.“

Einsatz in der Müritz: So arbeiten die Pioniertaucher

Seabstian S. rechnet nicht damit, noch einmal an einem Auslandseinsatz teilzunehmen. In den derzeitigen Missionen der Bundeswehr sind Pioniertaucher nicht gefordert. „Bei uns in Havelberg sind Einsätze eher selten. Wir üben eher“, berichtet der Pioniertaucher. Üben für den Kernauftrag der Bundeswehr: die Landes- und Bündnisverteidigung. Solche Übungen können aber in Zivil-Militärischer Zusammenarbeit erfolgen. Im ersten Quartal 2024 habe man zum Beispiel einen Flugzeugmotor aus der Müritz geborgen, so Sebastian S. „Die Bundeswehr begleitete die Bergung sogar mit einem Kamerateam.“

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Tauchen ist Teamarbeit

Getaucht wird stets im Team. Sebastian S. erklärt, dass immer mindestens zwei Taucher, zwei Leinenführer, ein Einsatzleiter und ein Sanitäter für einen Tauchgang benötigt werden. „Man muss sich bei diesem Job vertrauen“, sagt der Pioniertaucher. Oft tauche man in verunreinigten Gewässern mit wenig Sicht. Gerade die Leinenführer hätten dann eine besonders große Verantwortung. „Man hat wortwörtlich ein Menschenleben in seinen Händen. Nur die Sicherungsleine bewahrt einen Taucher manchmal davor, von einer Strömung mitgerissen zu werden“, sagt der Oberstabsgefreite.

Wie es für Sebastian S. weiter geht, ist noch unklar. Noch hat er zwei Jahre bei der Bundeswehr. Ob er verlängert, weiß er noch nicht. „Ich kann mir gut vorstellen, auch rauszugehen und Industrietaucher zu werden. In Norwegen oder Schweden, so wie der Protagonist in dem Dokumentarfilm ,Last Breath‘ von 2019“, antwortet er. „Man muss dazu wissen, Sättigungstaucher ist die Königsklasse der Berufstaucher. Manche Sättigungstaucher leben über mehrere Wochen in sogenannten Wohnkammern. In ihnen herrscht der gleiche Druck wie auf der jeweiligen Arbeitstiefe in der getaucht wird. Ich könnte mir gut vorstellen, dafür sogar auszuwandern.“

Drei Soldaten sitzen in einem Schlauchboot, zwei von Ihnen tragen eine Taucherausrüstung

Sympathie ist Pflicht: Oberstabsgefreiter Sebastian S. weiß, wie wichtig es ist, sich mit seinen Kameradinnen und Kameraden gut zu verstehen. Der Job des Pioniertauchers ist gefährlich und setzt Vertrauen voraus.

Bundeswehr/Jana Neumann
Zwei Soldaten auf einem Schlauchboot ziehen die Tauchausrüstung aus dem Wasser, der Taucher hängt am Boot

Oberstabsgefreiter Sebastian S. war Teil des Teams, das den Motor eines im Zweiten Weltkrieg abgestürzten B-17-Bombers aus der Müritz barg

Bundeswehr/Jana Neumann

Interview mit Oberstabsgefreiter Sebastian S.

Können nur Mannschaften Pioniertaucher werden?

Oberstabsgefreiter Sebastian S.

Nein, von Mannschaften bis zu den höchsten Feldwebeldienstgraden. Bei uns kann fast jede Dienstgradgruppe tauchen. Nur für Offiziere wird es schwer.

Gibt es einen Unterschied zwischen den verschiedenen Dienstgradgruppen?

Oberstabsgefreiter Sebastian S.

Ja, je höher der Dienstgrad, desto mehr wird fachlich von einem erwartet. Stabsunteroffiziere werden beispielweise Schweißer – und Feldwebel übernehmen bei uns die Einsatzleitung. Mein Zugführer und Einsatzleiter ist zum Beispiel Hauptfeldwebel. Er und die anderen Unteroffiziere haben auch deutlich mehr Lehrgänge absolvieren müssen als ich. Ihre Mindestdienstzeit ist auch länger.

Wie sieht eine typische Tauchübung aus?

Oberstabsgefreiter Sebastian S.

Nach Anreise am Übungsort absolvieren wir zuerst ein paar Gewöhnungstauchgänge, um uns auf die Wasserbedingungen vor Ort einzustellen. Danach gibt unser Einsatzleiter die weiteren Tauchgänge vor. Beispielsweise üben wir Tieftauchen oder Nachttauchen. Wir machen aber auch Kompasstauchen oder üben den Umgang mit dem Metalldetektor unter Wasser. Unsere Tauchgänge dauern in der Regel 60 Minuten. Dann heißt es auftauchen, Flaschen neu befüllen und wieder abtauchen.

Welche drei Eigenschaften braucht ein Pioniertaucher?

Oberstabsgefreiter Sebastian S.

Man muss auf jeden Fall gut im Team arbeiten können, denn allein funktioniert über und unter Wasser nichts. Belastungsfähig sollte man auch sein, denn unsere Ausrüstung ist schwer und die Arbeit unter Wasser ist fordernd. Unverzichtbar ist auch eine gute Konzentrationsfähigkeit. Unser Job ist gefährlich und man muss mit dem Kopf immer dabei sein.

Welchen Tipp würden Sie Interessierten mitgeben?

Oberstabsgefreiter Sebastian S.

Wer sich für den Beruf des Pioniertauchers interessiert, macht am besten ein Praktikum bei uns. Der Job des Pioniertauchers ist nicht für jeden etwas und es hilft einem wirklich, schon vor den Tauchlehrgängen bei uns gewesen zu sein. Am besten macht man sein Praktikum natürlich, wenn wir auf Übung fahren. Dann kann man sich unseren Berufsalltag ganz genau anschauen.

*Name zum Schutz der Person abgekürzt.

von Arthur Galbraith

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