Die Arbeit eines Redenschreibers erfordert neben sprachlichem Geschick auch Finesse und strategisches Denken. Oberstleutnant Sven H. war mehr als zehn Jahre Protokolloffizier beim Wachbataillon. Heute hilft ihm seine Erfahrung aus der militärischen Welt, überzeugende Reden für den Kommandeur des Feldheeres der Bundeswehr zu schreiben.
Die Verwendung als Redenschreiber kam für Oberstleutnant Sven H.* überraschend, denn mit dem Schreiben hatte er bis zu diesem Zeitpunkt nur wenig zu tun. Zwar hatte der 48-Jährige als Offizier wissenschaftlich schreiben gelernt und auch militärische Befehle zu verfassen, aber kreativ gearbeitet hatte er noch nie. Dafür konnte er viel Erfahrung im Protokolldienst sammeln.
Aus Liebe zum Protokolldienst wurde er Offizier
Schon während seines Wehrdienstes 1995 diente Sven H. beim Wachbataillon in Siegburg bei Bonn. Bereits damals war er fasziniert vom Protokolldienst. „Ich wollte unbedingt dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl eine Ehrenformation melden“, erinnert er sich. Um sich diesen Traum zu erfüllen, wurde er Offizier und studierte Erziehungswissenschaften an der Universität der Bundeswehr in München. „Leider war Helmut Kohl nach meinem Studium nicht mehr im Amt“, so H. „Aber dafür durfte ich der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderen wichtigen Politikerinnen und Politikern eine Formation melden.“
Der Oberstleutnant war Protokollsoldat aus Leidenschaft. Zehn Jahre diente er im Wachbataillon in Berlin, bevor er als Berufssoldat in mehreren Auslandsverwendungen in Polen, Kabul und Singapur diente. In dieser Zeit unterstützte er die NATONorth Atlantic Treaty Organization dabei, das Ausbildungskonzept der ISAFInternational Security Assistance Force (International Security Assistance Force) zur Mission Resolut Support neu zu gestalten und absolvierte ein internationales Masterstudium in Strategischen Studien.
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland arbeitete er bis 2022 wieder beim Wachbataillon in Berlin, diesmal als stellvertretender Kommandeur, bis zu seiner Versetzung ins Kommando Heer nach Straußberg. Plötzlich sollte er für den Kommandeur des Feldheeres der Bundeswehr die Reden schreiben. „Das war so ein bisschen, wie die Jungfrau zum Kinde kam“, sagt Oberstleutnant Sven H.
Schreiben im Namen des Generals
Im Stab von Generalleutnant Harald Gante schreibt Oberstleutnant Sven H. aber nicht nur Reden und Artikel. Zu seinen Aufgaben gehört es auch, Präsentationen aus den verschiedenen Referaten im Kommando Heer auszuwerten und für geplante Vorträge des Generals zu recherchieren.
Sein Beruf ähnelt ein wenig dem einer Presseberaterin oder eines Journalisten in einem Verlag. „Ich schreibe im Namen des Generals einen ersten Entwurf und er korrigiert oder ergänzt dann die von mir geschriebenen Artikel“, erklärt der Oberstleutnant. „Das Gleiche mache ich auch bei Vorträgen oder sonstiger, nach außen oder nach innen gerichteter Kommunikation.“ Als Redenschreiber sei er ein Experte für die kommunikative Repräsentation seines Generals und trage damit auch viel Verantwortung, so H. „Ich kann einem Drei-Sterne-General im Deutschen Heer im Prinzip die Worte in den Mund legen. Welcher Oberstleutnant kann das schon?“
Bald ist die Zeit im Kommando Heer für Oberstleutnant H. aber vorbei: Der nächste Verwendungswechsel steht an. Wohin genau, ist noch nicht abzusehen. Wenn sich der Oberstleutnant aber einen Dienstposten wünschen könnte, dann wäre das auf jeden Fall wieder einer in Berlin: mit Prunk und Protokoll. „Mein Laufbahnziel ist ein Dienstposten im Leitungsstab Protokoll im Bundesministerium der Verteidigung“, so H. Seine Aufgabe dort wäre dann Protokolldienst auf höchster Ebene.
Die Ausbildung zum Protokolloffizier in der Bundeswehr
Lehrgang
Inhalt
Dauer
Ort
Protokollgrundausbildung mit Führerweiterbildung für Offiziere
Kennenlernen des Infanteriegriffs mit dem Karabiner K98k, Marschieren, Wenden und Bewegen in Formationen, Üben des Kommandierens von Einsätzen
2 Monate
Wachbataillon beim Bundesministerium der Verteidigung
Verwendung als Zugführer oder Kompanieeinsatzoffizier
Dienstplanung und Einsatz eines Infanterie- und Protokollzuges oder Unterstützung der Kompanieführung
1 – 2 Jahre
Wachbataillon beim Bundesministerium der Verteidigung
Verwendung als Protokolloffizier
Planung von Protokolleinsätzen zusammen mit dem Protokoll im BMVgBundesministerium der Verteidigung, Beratung des Bataillonskommandeurs in protokollarischen Fragen, Kontrolle und Durchführung von protokollarischer Ausbildung auf Bataillonsebene
1 – 2 Jahre
Wachbataillon beim Bundesministerium der Verteidigung, Bundesministerium der Verteidigung, Bundeskanzleramt, Schloss Bellevue, weitere Orte
Interview mit Oberstleutnant Sven H.
Was ist bei Ihrer jetzigen Tätigkeit wichtig?
Der Redenschreiber muss ganz schnell davon wegkommen, das, was er oder sie schreibt, als Eigenprodukt zu sehen. Man schafft mit der Arbeit als Redenschreiber oft nur eine Grundlage für die finalen Texte. Das heißt, wenn eine fertige Rede nur noch zu einem Fünftel das widerspiegelt, was man vorgeschrieben hat, darf man sich nicht ärgern. Das letzte Wort hat immer der General.
Und wie ist es beim Protokolldienst?
Für das Protokoll muss man Formalitäten mögen und lieben. Man verbringt viel Zeit an roten Teppichen auf Rollfeldern, bei Staatsempfängen vor dem Kanzleramt und bei Großen Zapfenstreichen im Bendlerblock. Schließlich ist das einer der Hauptaufträge des Wachbataillons. Wenn man sich für einen Dienstposten im Wachbataillon entscheidet, muss einem klar sein, dass der Alltag eher mit dem Karabiner K98 an der Schulter und nur sehr selten mit dem Gewehr G36 in den Händen stattfindet.
Wenn Sie gewusst hätten, dass Sie einmal Redenschreiber werden: Was hätten Sie in Ihrer Laufbahn anders gemacht? Wo hätten Sie eventuell andere Schwerpunkte gesetzt?
Ich hätte anstatt Erziehungswissenschaften eher Politik studiert. Dazu hätte ich im Vorfeld wahrscheinlich privat Kurse belegt, um richtig schreiben zu lernen. Es hat lange gedauert, bis ich den erlernten militärischen Schreibstil abgelegt und durch einen eher journalistischen, kreativen Schreibstil ersetzt hatte.
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